Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 772

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 772 (NJ DDR 1961, S. 772); überkommene Tradition fortsetzen, aus dem Betrieb ständig, aber in kleineren Mengen Materialien, Werkzeuge, Lebens- und Futtermittel zu entwenden. Hier kann man an und für sich nicht sagen, daß diese Entwendungen zu einer erheblichen Erhöhung ihres Lebensstandards über das durch den Arbeitslohn gegebene Maß hinaus führen. Bei diesen Straftaten ist, wenn der Rechtsbrecher kein Arbeitsbummelant ist, die Anwendung der Strafen ohne Freiheitsentzug, insbesondere der bedingten Verurteilung, zur Überwindung der sich in solchen Delikten äußernden Traditionen aus der kapitalistischen Zeit durchaus möglich. Nicht richtig wäre es hier also, die sehr schwer feststellbare und daher meist nur geschätzte Schadenssumme zu nehmen und aus ihrer Höhe von vornherein auf die Notwendigkeit einer Freiheitsstrafe zu schließen. In vielen Fällen genügt es und das entspricht der Praxis unserer Rechtsprechung , die aktivsten Rechtsbrecher, die die umfangreichsten Straftaten begangen haben, vor Gericht zu stellen, gegen die anderen aber ausschließlich gesellschaftliche Maßnahmen anzuwenden. Die überwiegende Mehrheit der Eigentums- und Wirtschaftsdelikte geschieht einmalig. Sie sind auch ihrem Umfang nach nicht Ausdruck einer prinzipiellen Mißachtung der sozialistischen Arbeit und des sozialistischen Leistungsprinzips. Die relativ geringe Höhe des durch diese Delikte verursachten materiellen Schadens ist also ein wichtiges Kriterium, um solche Delikte von den oben genannten abgrenzen zu können. Denn diese Verbrechen werden nicht begangen, um sich unter Umgehung des sozialistischen Leistungsprinzips eine zusätzliche Erwerbsquelle zu schaffen, sondern sie dienen zur Befriedigung einmaliger Bedürfnisse des Rechtsbrechers. Jedoch reicht die Feststellung der Höhe des Wertes der entwendeten Gegenstände allein nicht aus, um die Qualität des Verbrechens erschöpfend erfassen zu können. Denn es ist ein Unterschied, ob z. B. ein arbeitsscheues Element eine bestimmte Geldsumme stiehlt, um die durch die Arbeitsbummelei entstandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überbrücken und um sich die materielle Grundlage für die Fortsetzung seines Lebenswandels zu schaffen, oder ob ein Mensch, der seiner Arbeit ehrlich und gewissenhaft nachgeht, dies aus einer unverschuldeten Notlage heraus tut. So unterschlug z. B. eine Omnibusschaffnerin eines VEB Kraftverkehr von den kassierten Fahrgeldern eine bestimmte Summe, um die fälligen Raten aus einem Teilzahlungsgeschäft zahlen zu können. Sie verfügte über keine anderen Geldmittel, da ihr Mann, der ein starker Trinker war, das Geld in Alkohol umgesetzt hatte. In die Gruppe der einmaligen Eigentumsdelikte, die nicht sehr umfangreich sind und von sonst ihrer Arbeit diszipliniert nachgehenden Menschen begangen werden, gehören auch solche, die aus einer egoistischen Einstellung (weil der Täter eine bestimmte Sache unbedingt haben möchte) begangen werden. Das trifft z. B. für eine Reihe von Diebstählen in Selbstbedienungsläden zu, wenngleich bei diesen Delikten die ideologischen Ursachen im einzelnen sehr unterschiedlich und kompliziert sein können. Der hier charakterisierten Gruppe von Delikten ist gemeinsam, daß sie von Menschen begangen werden, die grundsätzlich positiv zu den sozialistischen Verhältnissen stehen und ihrer Arbeit pünktlich nachgehen. Viele von ihnen wurden wegen ihrer guten Arbeitsleistungen in der einen oder anderen Form sogar ausgezeichnet. Der Widerspruch des Rechtsbrechers zur sozialistischen Arbeit und zu den sozialistischen Produktionsverhältnissen ist hier also nur einmalig und sowohl zeitlich als auch der Sache nach äußerst begrenzt. Das bedeutet keine Unterschätzung der Gesellschaftsgefährlichkeit dieser Delikte. Auch sie enthalten im Keime eine Tendenz zur Negierung des Grundprinzips des Sozialismus (abgesehen davon, daß sie dem sozialistischen Eigentum auch einen erheblichen unmittelbaren Schaden zufügen). Bei bestimmten Erscheinungsformen von ihnen ist dies sehr deutlich erkennbar, so z. B. bei Fälschungen von Lohnabrechnungen, die in der Absicht erfolgen, einen nicht zustehenden höheren Lohn zu erhalten, oder bei Fälschungen von Krankenscheinen, die vorgenommen werden, um eine Zeitlang Geld zu erhalten, ohne arbeiten zu müssen. Bei fortgesetzter Begehung wird bei diesen Straftaten manchmal sogar die Grenze zu den offen parasitären schweren Eigentumsdelikten überschritten, und dann ist die Bestrafung mit einer längeren Freiheitsstrafe erforderlich. Bei den hier charakterisierten leichteren Eigentumsund Wirtschaftsdelikten, die von Menschen begangen werden, die ihrer Arbeit verantwortungsbewußt und diszipliniert nachgehen, liegt der Hauptanwendungsbereich der Strafen ohne Freiheitsentzug, und bei einer Reihe von ihnen ist eine Bestrafung nicht erforderlich, sondern reichen Maßnahmen ausschließlich gesellschaftlicher Einwirkung aus, und zwar deshalb, weil diese Menschen fest mit den sozialistischen Produktionsverhältnissen und ihrer Kollektivität verbunden sind,-so daß eine erzieherische Einwirkung relativ leicht möglich ist. III Die sozialistische Einstellung zur Arbeit erschöpft sich nicht darin, daß jemand nur selbst gut arbeitet, gute Leistungen für die Gesellschaft vollbringt und das sozialistische Leistungsprinzip nicht verletzt. Zur sozialistischen Einstellung zur Arbeit gehört auch die Verantwortung für das Ganze, die Verantwortung für das Kollektiv und die Mitmenschen. In seiner Rede auf dem XXII. Parteitag der KPdSU zum Entwurf des neuen Parteiprogramms sagte dazu N. S. Chruschtschow: „Sich ehrlich zu seiner Arbeit zu verhalten, alles rechtzeitig und gut zu tun das bedeutet praktisch, sich um seine Kameraden zu sorgen, die gleichfalls für alle arbeiten, darunter auch für sich. Darin kommen die kameradschaftliche Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfe der Menschen der neuen Gesellschaft zum Ausdruck.“5 Gerade diese Seite ist manchmal auch bei Menschen, die fest auf dem Boden der sozialistischen Produktionsverhältnisse stehen und hervorragende Arbeitsleistungen vollbringen, nicht genügend entwickelt. Verschiedentlich orientieren sich solche Menschen zu einseitig auf ihre eigenen Arbeitsergebnisse und lassen darüber ihre Umwelt außer acht. Eine solche ideologische Einstellung, die faktisch auf eine Mißachtung der Arbeitskollegen hinausläuft, ist vielfach die ideologische Ursache fahrlässiger Verstöße gegen Sicherheits- und Arbeitsschutzvorschriften. So wurde z. B. im Geräte- und Reglerwerk Teltow im Oktober 1960 ein Brand mit einem Schaden von drei Millionen DM dadurch verursacht, daß ein Arbeiter, der die hohe Qualität eines Arbeiterforschers hat, an einer Schleifmaschine in einem Raum arbeitete, in welchem Nitrolack lagerte. Die beim Schleifen entstehenden Funken verursachten eine Explosion, die den Brand zur Folge hatte.6 Hier bestand ein Widerspruch zwischen der positiven Einstellung zur eigenen Arbeit und den daraus resul- 5 Neues Deutschland vom 20. Oktober 1961, S. 9. 6 vgl. den Bericht des Ministers der Justiz in der 5. Sitzung des Staatsrates der DDR, NJ 1961 S. 78. Ein weiteres gutes Beispiel liefert das Urteil des Kreisgerichts Fürstenwalde (Spree) vom 18. April 1961 mit der Anmerkung von Görner (NJ 1961 S. 684). 77 2;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 772 (NJ DDR 1961, S. 772) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 772 (NJ DDR 1961, S. 772)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit in einer Reihe von Fällen erfolgte ungesetzliche GrenzÜbertritte aufgeklärt, in deren Ergebnis neben Fahndung gegen die geflüchteten Täter auch Ermittlungsverfahren egen Beihilfe zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Tötungsverbrechen sowie Informationen über Wohnsitze und berufliche Tätigkeiten und Rückverbinduhgen der fahnenflüchtigen Mörder. Der Einsatz von zur Bearbeitung solcher Straftäter im Operationsgebiet gestaltet sich in der Praxis die Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen Sachkundige als Sachverständige ausgewählt und eingesetzt werden können. Derartige Sachkundige können unter bestimmten Voraussetzungen als Sachverständige fungieren. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens erzielten Ergebnisse der. Beweisführung. Insbesondere im Schlußberieht muß sich erweisen, ob und in welchem Umfang das bisherige gedankliche Rekonstrukticnsbild des Untersuchungsführers auf den Ergebnissen der strafprozessualen Beweisführung beruht und im Strafverfahren Bestand hat. Die Entscheidung Ober den Abschluß des Ermittlungsverfahrens und über die Art und Weise der Erlangung von Beweismitteln und deren Einführung in das Strafverfahren. Da in den Vermerken die den Verdachtshinweisen zugrunde liegenden Quellen aus Gründen der Gewährleistung der Konspiration inoffizieller und anderer operativer Kräfte, Mittel und Methoden Staatssicherheit in der Beweisführung im verfahren niederschlagen kann. Es ist der Fall denkbar, daß in der Beweisführung in der Untersuchungsarbeitdie absolute Wahr- heit über bestimmte strafrechtlich, relevante Zusammenhänge festgestellt und der Vvahrheitsivcrt Feststellungen mit Gewißheit gesichert werden kann, die Beweis führu im Strafverfahren in bezug auf die Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sowie bei anderen Abschlußarten und bei Haftentlassungen zur Wiedereingliederung des früheren Beschuldigten in das gesellschaftliche Leben.

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