Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1961, Seite 456

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 456 (NJ DDR 1961, S. 456); man nun vom Effekt ausgeht, di h. in diesem Fall nur die kriminell Gewordenen untersucht. Man muß auch diejenigen untersuchen, die unter den gleichen Umweltbedingungen nicht: kriminell: wurden, und dann herausfinden, wodurch sich die erste und die zweite Gruppe voneinander unterscheiden. Gerade dieser Fehler, das Fehlen einer Kontrollgruppe, die in ihrer Zusammensetzung mit der ersten iihereinstimmt (mit Ausnahme des zu. untersuchenden Faktors); liegt in, der juristischen Literatur: häufig vor; Noch schwieriger ist eine exakte Aussage dann, wenn wir etwas über die Wirksamkeit derjenigen Urnwelt-fäktoren aussagen wollen, unter der wir in ungefähr gleicher Weise alle stehen. Hierzu gehören vor allem die gesellschaftlichen Faktoren. Nur in seltenen Fällen hat man für solche Untersuchungen ideale Voraussetzungen. Eine Reihe von Autoren haben in der Südsee Einwohner untersucht, die zwar dem gleichen Stamm angeboren, aber durch Jahrhunderte hindurch sich auf ihren Inseln relativ isoliert voneinander entwickelt haben. Wenn die Ergebnisse durch die Grundkonzeption der Autoren auch nur mit Vorsicht zu verwerten sind, so darf man doch als gesichert ansehen, daß die sog. typischen weiblichen und männlichen Verhaltensweisen durch Gewohnheit und Tradition und nicht durch die Erbmasse gebildet werden. Tatsächlich kann der Einfluß der Umwelt von uns experimentell überhaupt nicht voll ausgeschöpft werden, da es keine Möglichkeit gibt, einen: Menschen ahne Umwelt oder in einer extrem entgegengesetzten Umwelt aufzuziehen. Fest steht aber trotz; aller Unsicherheiten im einzelnen, daß die Bedeutung der Umwelt und damit der gesellschaftlichen Verhältnisse viel größer ist, als wir das früher angenommen haben1 2. In den letzten. Jahrzehnten ist die Bedeutung der Umwelt auch für kriminelle Verhaltensweisen, in den Vordergrund gestellt: worden; jedoch gehen in der internationalen Literatur fast alle Autoren hierbei einseitig vor. So untersuchte; z. B. der Psychiater VilLi.nger* die Bedeutung, der Richtungsänderungen in der Familie, die auch hei. nach außen hin ordentlichen Eamilien. bestehen. Fehler der Mütter, sollen sich, nach seiner Theorie vorwiegend an Klein- und Grundschulkindern, solche des Vaters und der Ehepaare vor allem an Kindern zwischen dem 10, und: dem 18. Lebensjahr, auswirken. Viele Autoren bezeichnen als wesentlichste die Jugendlichen positiv oder negativ beeinflussende Faktoren das- Elternhaus im allgemeinen bzw. seine sozialen und erzieherischen Verhältnisse, die eheliche Harmonie der Eltern, die Zahl der Geschwister und die Stellung in der Geschwisterreihe, die Scheidungskind-und Stiefkindsituation sowie die. Situation des unehelich geborenen Kindes3. Darüber hinaus wirke sehr negativ die Kriminalität und Trunksucht der Eltern, eine nicht abgeschlossene Schulbildung, häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes durch die Jugendlichen usw.4 5 6 7. Diese Faktoren werden als Mangelumwelt bzw. Mangelmilieu bezeichnet, und die genannten, Autoren ver- 1, szewczyk, Zur Frage- der umwelteinwirkung auf den Jugend-liehen, in: Das milieugeschädigte Kind, Jena i960. 2 Villinger, Die geistige Situation der heutigen Jugend, in: Bekämpfung der Jugendkriminalität, Wiesbaden 1955. 3 vgl. z. B. Bader, Soziologie der Jugendkriminalität, in: Bekämpfung der Jugendkriminalität, Wiesbaden 1955; Protrykus,-Der Jugendrichter und die Anforderungen an seine Vorbildung, Recht der Jugend 1955 S. 3B1 (mit Diskussionsbemerkungen zum Thema von Becker, Cohnitz, Hellmer, Hinrichsen); Näf, Ursachen der Jugendkriminalität, Psychologische Praxis 1953, Heft 12, S. 98 101;. Brückner; Die Jugendkriminalität, Verlag; für kriminalistische Fachliteratur, Hamburg; Midden-dorff, Jugendkriminologie, Rätingen 1956. ln der Schweiz ist Frey sogar so weit gegangen, allen diesen Faktoren; die wir hier aufgezeichnet haben, sowie besonderen Persörrlichkeitsmerkmalen -bestimmte Punktwerte zuzuordnen und hieraus Prognosetabellen zu bilden. Vgl. Kriminologie "und Kriminalpolitik; unter besonderer Berücksichtigung der Frühkriminalität,. in: Kriminalbiologische Gegenwartsfragen# Stuttgart 1958. treten die Ansicht, allein die Mangelumwelt, vor allem die kriegsbedingte, sei Ursache der Jugendkriminalität. Wir haben an anderer Stelle darauf hingewiesen, worin die große Gefahr eines solchen Vorgehens- liegt3. Der Gedanke aber, daß ausschließlich das Mangelmilieu für die Jugendkriminalität verantwortlich sei, wird allein dadurch widerlegt, daß in Schweden zwischen 1950 und 1957 die Zahl der Verbrechen Jugendlicher tun über die Hälfte stieg. In Italien sank dagegen, die Jugendkriminalität nach dem Krieg in der Zeit der schwersten Not, stieg aber später wieder an®. Die genannten Autoren begehen den Fehler, die Ursachen der Jugendkriminalität zu oberflächlich- za suchen. Man verwechselt Korrelation (Wechselbeziehung) und Kausalität, denn ein zahlenmäßiges Übereinstimmen zweier Faktoren bedeutet noch keine ursächliche Beziehung. Es ist das der gleiche Denkfehler, den man anstellte, als- man noch vor 20 Jahren die höhere Kriminalitätsrate nichtehelich Geborener auf die Tatsache der Nichtehelichkeit und nicht: au£ die schlechteren ökonomischen Verhältnisse der Mütter zurückführte. Im Gegensatz hierzu versuchen die Juristen der DDR, hinter die oberflächlichen. Faktoren zu blicken und die Würze! der Kriminalität in den gesellschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Faktoren zu erkennen. In diesem an und für sich, völlig richtigen Bemühen geht man allerdings häufig so weit, daß nun wieder alle anderen Faktoren als unwesentlich bezeichnet oder vernachlässigt werden, Die Tatsache, daß: ein Jugendlicher, der in die Gesellschaft langsam hineinwächst, zu dieser Gesellschaft sich einen Standpunkt erst erarbeiten muß, und daß dieser Prozeß um so eher gestört werden kann, je labiler die Persönlichkeit und je ungünstiger das-häusliche Milieu ist, bleibt, häufig, unbeachtet. Wenn Lekschas und Er.äb.el? z. H. schreiben: „Unsere Jugend wächst nicht isoliert vom gesellschaftlichen Geschehen, auf Die Jugendlichem leben: und arbeiten nicht in Jugendreservaten, sondern mitten unter uns; Ihre Probleme sind, seihst wenn sie sich in ihren Köpfen in anderer, in jugendgemäßer Form, widerspiegeln, im Grunde genommen doch zugleich auch die Probleme unserer volksdemokratischen Ordnung .so- ist diese Feststellung objektiv zwar richtig, subjektiv aber falsch. Die gleiche gesellschaftliche Situation wird vom Jugendlichen, bedingt durch seinen Entwicklungsstand, in einer teilweise völlig anderen Weise erlebt und verarbeitet als vom Erwachsenen. Genauso wie ein Infekt, der einen Embryo im Mutterleibe trifft, völlig unterschiedliche Schäden, je nach dem Entwicklungsstand dieses Embryos, hinterläßt, so haben auch gleiche Umweltfaktoren völlig unterschiedliche Wirkungen, wenn sie in verschiedenen Lebensaltern auf den Menschen auftreffen. Fernerhin wird häufig vernachlässigt, daß die gesellschaftliche Situation nicht direkt die Kriminalität hervorruft, sondern indirekt, d. h., daß es sich um ein vielschichtiges Problem bzw. um eine Kausalkette handelt, der Weg zur Kriminalität also über viele einzelne Stadien läuft. Wäre dem nicht so, so wäre keinerlei Möglichkeit einer Erziehung gegeben, sondern man 5 Szewczyk, Zur Psychohygiene des Heranwachsenden; in: Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 1961 S. 55. 6 Wir sind uns allerdings darüber klar, daß diese Zahlen; genau wie alle Statistiken über die Jugendkriminalität, daran kranken, daß die Voraussetzungen, unter denen sie zustande gekommen sind, nicht geklärt sind. Eine Veränderung des Strafrechts oder, der Gesichtspunkte, nach denen Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, kann die Kurve der Kriminalität bedeutend stärker beeinflussen als die besten pädagogischen Maßnahmen, wobei es sich natürlich nur um Scheinveränderungen handelt; 7 T.eksrhas "Fräbel, Bedarf die Regelung des Strafverfahrens gegen Jugendliche einer Veränderung?,- NJ 1969 S. 341 ff. 456;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 456 (NJ DDR 1961, S. 456) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Seite 456 (NJ DDR 1961, S. 456)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 15. Jahrgang 1961, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1961. Die Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1961 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1961 auf Seite 864. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 15. Jahrgang 1961 (NJ DDR 1961, Nr. 1-24 v. 5.Jan.-Dez. 1961, S. 1-864).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges sind gegenüber Verhafteten nur zulässig, wenn auf andere Weise ein Angriff auf das Leben oder die Gesundheit ein Fluchtversuch nicht verhindert oder der Widerstand gegen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danac Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und ähnliches zu führen. Der diplomatische Vertreter darf finanzielle und materielle Zuwendungen an den Ver- hafteten im festgelegten Umfang übergeben. Untersagt sind Gespräche Entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Die Ständige Vertretung der mischt sich auch damit, unter dem Deckmantel der sogenannten humanitären Hilfe gegenüber den vor ihr betreuten Verhafteten, fortgesetzt in innere Angelegenheiten der ein. Es ist deshalb zu sichern, daß bereits mit der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung alle Faktoren ausgeräumt werden, die Gegenstand möglicher feindlicher Angriffe werden könnten. Das betrifft vor allem die noch gründlichere Aufklärung und operative Kontrolle der Zuziehenden und der Rückkehrer, die noch gründlicher unter die Lupe zu nehmen sind.

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