Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1960, Seite 267

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 267 (NJ DDR 1960, S. 267); V Im Brief an Bogdanow vom 23. Dezember 1921 entwickelte Lenin seine Auffassung von dieser Frage ausführlich. Nach Erläuterung der Möglichkeit eines milden Gerichtsurteils fuhr er fort: „Können Sie, wenn ungefähr eine solche Entscheidung gefällt wird, ihren Nutzen in Abrede stellen? Ihre gesellschaftliche Bedeutung, die tausendfach größer ist als die idiotische Vertuschung einer üblen Angelegenheit wegen übler Schlamperei durch Partei und Zentralkomitee im stillen Kämmerlein unter Ausschluß der Öffentlichkeit? Sie sind prinzipiell und von Grund auf im Unrecht Ich verstehe nicht, warum ein kluger Ankläger nicht vor allem die ,Bogdanowsche‘ und ,Ossinskische‘ Verteidigung bürokratischer Schlamperei restlos heruntermachen, sie dem Gelächter und der Verachtung preisgeben und. gleichzeitig die Anklage vernünftig, richtig, maßvoll führen kann? Warum ist nicht ein Urteil ungefähr solchen Typs möglich: Unter Feststellung der außerordentlichen Bedeutung des öffentlichen Gerichts in Verfahren wegen Schlamperei fällen wir diesmal ein sehr mildes Urteil in Anbetracht der außerordentlich ungewöhnlichen Gutgläubigkeit der Angeklagten und geben gleichzeitig bekannt, daß wir in Zukunft für Schlamperei auch die unbefleck-ten, aber ungeschickten Dummköpfe bestrafen werden (das Gericht wird sich wohl gewählter ausdrücken), denn wir, die RSFSR, brauchen nicht Unbe-flecktheit, sondern die F ä h.i g k e i t, seine Arbeit durchzuführen. Deshalb befreien wir Lomow und Stünkel wegen ,Unbeflecktheit‘ für diesmal von Strafe, aber für Unxow , der dem Rat für Arbeit und Landesverteidigung rechenschaftspflichtig war und dieser Pflicht nicht nachkam, verhängen wir eine Woche Arrest; und Iljin . und das gesamte Fabrikkomitee dieses Werkes, die gesamte Leitung der entsprechenden Gewerkschaft und die gesamte kommunistische Parteizelle des Soundso-Werkes oder der und der Werke erklären wir schul-d i g der Schlamperei, Unfähigkeit und Begünstigung des Bürokratismus und sprechen ihnen eine strenge Rüge und einen gesellschaftlichen Tadel aus; dabei kündigen wir an, daß wir nur beim ersten Mal so milde bestrafen, in Zukunft aber dafür rücksichtslos . ins Gefängnis bringen werden.“ 39 Dieser Leninsche „Urteilsentwurf“ zeigt präzise die Rolle des Gerichts, das die Massen dadurch organisiert, daß es die „konkreten Träger des Übels“ bloßstellt und gleichzeitig die Verantwortlichkeit aller Werktätigen für diese Handlungsweise aufdeckt. Aus dieser Rolle des Gerichts folgte auch Lenins Forderung nach Vielfalt und Elastizität der staatlichen Reaktion, der Strafe. Lenin forderte, daß die Strafe maximal den Bedingungen des Einzelfalls angepaßt sein muß, um so am besten die allgemeine Politik des Arbeiter-und-Bauern-Staates durchzusetzen. In dieser Hinsicht sind Lenins Forderungen in der Schrift „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“ programmatisch: „Tausenderlei Formen und Methoden der Rechnungsführung und Kontrolle in der Praxis über die Reichen, über Gauner und Müßiggänger müssen . ausgearbeitet und in der Praxis erprobt werden. Mannigfaltigkeit ist hier eine Bürgschaft für Lebensfähigkeit, eine Gewähr für den Erfolg bei der Erreichung des - gemeinsamen Ziels . An einem Ort wird man zehn Reiche, ein Dutzend Gauner, ein halbes Dutzend Arbeiter, die sich vor Arbeit drücken .' , ins Gefängnis stecken. An einem anderen Ort wird man sie die Klosetts reinigen lassen. An einem dritten Ort wird man ihnen nach Abbüßung ihrer Freiheitsstrafe gelbe Pässe aushändigen, damit das ganze Volk sie bis zu ihrer Besserung als schädliche Elemente überwache. An einem vierten Ort wird man einen von zehn, die sich des Müßigganges schuldig machen, auf der Stelle erschießen. An einem fünften Ort wird man eine Kombination verschiedener Mittel ersinnen und z. B. durch eine bedingte Freilassung eine rasche Besserung jener Elemente unter den Reichen, den bürgerlichen Intellektuellen, den Gaunern und Rowdys 38 Lenin, Werke, Bd. 36, S. 513 51S (russ.). erzielen, die der Besserung fähig sind. Je mannigfaltiger, desto besser, desto reicher wird die allgemeine Erfahrung sein, desto sicherer und rascher wird der Erfolg des Sozialismus sein, desto leichter wird die Praxis denn nur die Praxis ist dazu imstande die besten Methoden und Mittel des Kampfes ausarbeiten.“38 40 Unter der Vielzahl von Reaktionsformen, die die Schöpferkraft der' Massen nach der Oktoberrevolution entwickelte, legte Lenin besonders Wert auf die Entwicklung von Strafen ohne Freiheitsentzug gegenüber Rechtsbrechern aus Kreisen der werktätigen Bevölkerung und auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit durch die Werktätigen selbst. Charakteristisch hierfür sind die Ausführungen des Parteiprogramms der KPR (B) von 1919 zu dieser Frage, an dem Lenin aktiv mitgearbeitet hatte: „Auf dem Gebiete der Strafe haben die derart organisierten Gerichte bereits zu einer grundlegenden Änderung des Charakters der Strafe geführt, indem sie in großem Umfang die bedingte Verurteilung anwenden, den öffentlichen Tadel als Strafe einführen, den Freiheitsentzug ersetzen, die Gerichte durch Erziehungsmaßnahmen ersetzen und die Möglichkeit schaffen, die Praxis der Kameradschaftsgerichte anzuwenden.“41 In den Notizen Lenins zum Parteiprogramm findet sich folgender Hinweis auf die Schwerpunkte bei der sozialistischen Entwicklung'des Strafensystems: „1. (höherer) Prozentsatz bedingte Verurteilung 2. (höherer) Prozentsatz öffentlicher Tadel 3. Ersetzung der Freiheitsentziehung durch zwangsweise Arbeit bei Aufenthalt am Wohnort 4. Ersetzung der Gefängnisse durch Erziehungseinrichtungen 5. Einführung von Kameradschaftsgerichten (für bestimmte Kategorien, sowohl in der Armee als auch bei den Arbeitern).“ 42 Zum Thema der Kameradschaftsgerichte kehrte Lenin mehrfach zurück, insbesondere während der Gewerkschaftsdiskussion in der Kommunistischen Partei. In dem Beschluß des Zentralkomitees der KPR (B) vom 12. Januar 1922 „Über die Rolle und die Aufgaben der Gewerkschaften unter den Verhältnissen der Neuen ökonomischen Politik“ heißt es beispielsweise: „Im besonderen müssen die Disziplinargerichte unbeirrt auf die Hebung der Arbeitsdisziplin und der kulturellen Formen des Kampfes um sie und um die Erhöhung der Produktivität hinarbeiten, ohne sich jedoch im allgemeinen in die Funktionen der Volksgerichte und in die Funktionen der Verwaltung einzumischen.“43 Die Aufgaben der Kameradschaftsgerichte entsprachen also den Hauptaufgaben, die zu dieser Zeit vor allen staatlichen und gesellschaftlichen Organen standen. Der Unterschied gegenüber den staatlichen Gerichten lag darin, daß sie Organe der gesellschaftlichen Selbsttätigkeit waren und somit keinen staatlichen Zwang ausübten. Die schwereren Verbrechen mußten deshalb auch den staatlichen Gerichten Vorbehalten bleiben. Aber auch bei der Anordnung von Strafzwang sah Lenin das Neue, Sozialistische in der Entwicklung des Strafensystems in allen Formen, die den Schuldigen nicht aus dem Kollektiv der Werktätigen herausreißen, um so seine Erziehung zu gewährleisten und gleichzeitig die Verantwortlichkeit des Kollektivs zu stärken. Darin besteht zweifellos die Aufgabe eines sozialistischen Strafrechts. Auch von dieser Seite her weist uns W. I. Lenin also auf die Hauptaufgabe des sozialistischen Gerichts hin: als Organ der sozialistischen Staatsmacht die Arbeiter und alle Werktätigen zum bewußten Aufbau des Sozialismus zu mobilisieren. 40 Lenin, A. W., Bd. II, S. 297. 41 Die KPdSU in Resolutionen, 7. Ausgabe, Bd. I, Moskau 1953, S. 419 (russ.). 42 XIII Lenin-Sammelband, S. 95; zitiert bei Krylenko, Lenin über Gericht und Strafpolitik, Moskau 1935, S. 187 (russ.), 43 Lenin, A. W., Bd. II, S. 907. 267;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 267 (NJ DDR 1960, S. 267) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Seite 267 (NJ DDR 1960, S. 267)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 14. Jahrgang 1960, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1960. Die Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1960 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1960 auf Seite 844. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 14. Jahrgang 1960 (NJ DDR 1960, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.14.1960, S. 1-844).

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