Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1958, Seite 646

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 646 (NJ DDR 1958, S. 646); „Sie haben die Frage gestellt nach der Ausdehnung unserer sozialistischen Errungenchaften auf Westdeutschland. Das ist ein Mißverständnis. Wir schlagen nicht vor, daß mit Abschluß der Konföderation unsere volksdemokratische Ordnung und die sozialistischen Errungenschaften der Werktätigen der DDR auf Westdeutschland übertragen werden " Bestätigt wurde diese Auffassung nachdrücklich im Beschluß des V. Parteitages der SED, von der der FDGB laut Anklageschrift „abhängig“ sein soll. Im Beschluß heißt es z. B.: „Die Bildung der Konföderation wäre ein Kompromiß, der nicht an die Preisgabe der Grundlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Systems weder der DDR noch in der westdeutschen Bundesrepublik gebunden wäre.“ Diese eindeutigen Erklärungen entziehen der Anklagekonstruktion jede Grundlage. Sie beweisen, daß die Bundesanwaltschaft die Anklage nicht auf objektiven, erkennbaren Umständen aufbaute, sondern auf der Grundlage subjektiver Interpretation, die in der Realität keine Stütze findet. Die Gefahr der Frontstellung gegen die gesamte Opposition wird heute sichtbarer denn je. Das geht insbesondere daraus hervor, daß die Anklage auch die Charakterisierung der Bundesrepublik „als militaristischer Obrigkeits- und Klassenstaat“ verurteilt wissen will.17 Der Bundesanwaltschaft ist sicherlich bekannt, daß die Formulierung vom „militaristischen Obrigkeitsstaat“ zuerst in einem Beschluß des 3. DGB-Kon-gresses in Frankfurt a. M. gebraucht wurde, keineswegs aber vom FDGB. Dort heißt es wörtlich: „Für die innere Entwicklung der Bundesrepublik bedeutet die durch die Londoner Entscheidungen festgelegte Wiederaufrüstung und Bildung einer deutschen Armee die Gefahr der Schaffung eines militaristischen Obrigkeitsstaates, der das Ende der Anstrengungen der deutschen Arbeiterbewegung für die Schaffung einer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Demokratie bedeuten kann.“18 Hier zeigt sich deutlich, daß mit dem Passarge-Prozeß eine Plattform für künftige Prozesse und Verfolgungsmaßnahmen nicht nur gegen DDR-Bürger, sondern auch gegen westdeutsche Gewerkschafter geschaffen werden soll. Auch die Feststellung, daß die Bundesrepublik ein Klassenstaat ist, hat sowohl der FDGB als auch der DGB getroffen. So kam z.B. Otto Brenner in seinem Referat auf dem 4. DGB-Kongreß zu der Feststellung: „Es zeigt sich immer mehr, daß sich die restaurativen Kräfte in unserer Bundesrepublik durchsetzen. Diese Entwicklung fand ihren Ausdruck in unserem Mißerfolg im Kampf um ein fortschrittliches Betriebsverfassungsgesetz und Personalvertretungsgesetz, in der Aushöhlung erkämpfter Mitbestimmungsrechte, in den Bundestagswahlen 1953, in dem Versuch, die Einheit der Gewerkschaften zu untergraben, in der Diffamierung der Gewerkschaften und ihrer Funktionäre, denen man ,Macht-lüstemheit‘ unterschob, und nicht zuletzt in der Wiedererrichtung der alten Konzerne und in einem immer maßloseren und frecheren Auftreten ehemaliger Nazis und Kriegsverbrecher . In der Gesellschaft, in der wir leben, sind Kapitalismus und Klassen geblieben.“19 Es ist unerfindlich, warum solche übereinstimmenden Stellungnahmen der deutschen Gewerkschaften gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ verstoßen sollen. Das Auftreten gegen eine politische Gruppierung, die gegenwärtig die Bundesregierung stellt, ist kein Beweis für die Beseitigung der Prinzipien des Grundgesetzes von den Grundrechten angefangen bis zum Prinzip des föderativen Aufbaus. Wenn der FDGB trotzdem unter die Vereinigungen nach § 90 a eingruppiert wird, dann ist das ein Zeichen dafür, daß die Regierungspolitik mit der verfassungsmäßigen Ordnung identifiziert wird. Das aber ist mit den „Elementarprinzipien der Demokratie“ nicht mehr zu vereinbaren. Eine besondere Stütze für ihr Vorbringen sieht die Bundesanwaltschaft in den Beziehungen, die zwischen der SED und dem FDGB bestehen. In der Anklageschrift wird behauptet, daß der FDGB von den „Wei- 17 vgl. S. 13 der Anklage. 18 aus dem Protokoll des 3. DGB-Kongresses 1954. 19 aus dem Protokoll des 4. DGB-Kongresses 1956. sungen“ der SED abhängig sei. Eine exakte Beweisführung dafür ist die Anklagebehörde schuldig geblieben, abgesehen davon, daß man es nur als eine geradezu unerhörte Anmaßung ansehen kann, wenn die Bundesanwaltschaft der Gewerkschaftsorganisation eines anderen Staates Vorschriften über ihr Verhältnis zu den Parteien machen will. Der FDGB erkennt die führende Rolle der SED in der DDR an, weil unter Führung der SED die Arbeiterklasse in der DDR alles das verwirklichen konnte, was die deutschen Gewerkschaften seit ihrem Bestehen forderten. Soll also der FDGB ein wirklicher Interessenvertreter der Arbeiterklasse sein und bleiben, muß er die Politik der Arbeiterklasse in der DDR anerkennen und aktiv verwirklichen helfen. Der FDGB handelt damit vollkommen im Sinne der Entschließung der VII. Interzonen-Konferenz der deutschen Gewerkschaften, die vom 3. bis 5. Februar 1948 in Dresden stattfand. Die Entschließung wurde von den Gewerkschaftsführern ganz Deutschlands einstimmig beschlossen. Sie trägt die Bezeichnung „Entschließung über die politische Stellung der Gewerkschaften und ihr Verhältnis zu den politischen Parteien“. In ihr heißt es: „Das Verhältnis der Gewerkschaften zu den einzelnen Parteien bestimmen die Parteien selbst durch ihr Verhalten gegenüber den Gewerkschaften. Es wird von Fall zu Fall immer davon beeinflußt werden, in welchem Maße die Parteien die Forderungen der Gewerkschaften unterstützen bzw. sie zu ihren eigenen machen Die Gewerkschaften sind antifaschistisch und antimilitaristisch. Sie treten für Völkerfrieden, Völkerfreiheit und Völkerverständigung ein.“ An der Zielsetzung, wie sie vor allem im letzten Satz ihren Ausdruck fand, hat sich nicht das mindeste geändert. Und von dort her werden auch der Inhalt und die Richtung des Handelns der Gewerkschafter der DDR bestimmt gleichgültig, wo sie sich befinden. Ihr Eintreten für die genannten Ziele und etwas anderes kann die Beweisaufnahme nicht ergeben ist daher nicht geeignet, das Schutzobjekt „verfassungsmäßige Ordnung“ zu verletzen. Die Strafrechtskommentatoren sind sich darüber einig, daß dieses Schutzobjekt die „Fundamentalprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ umfaßt. Zu diesen Prinzipien gehört in besonderem Maße auch der in Art. 26 GG enthaltene Grundsatz der Friedenssicherung. Dafür tritt der FDGB ein, zumal er der Auffassung ist, daß man nichts mehr vergesellschaften kann, wenn vorher Atombomben fallen. Schon aus dieser logischen, weil der Realität entsprechenden Erkenntnis ergibt sich zweifelsfrei, daß von einer sogenannten hintergründigen Zielsetzung keine Rede sein kann. Es geht heute um den Bestand der deutschen Nation, um die Verhinderung der Vernichtung von Millionen Menschen. Daher tritt der FDGB, treten seine Mitglieder mit großem Emst, aber auch mit aller Konsequenz für die Verständigung unter den Völkern, vor allem unter den Deutschen selbst ein. Sie bewegen sich damit völlig im Rahmen auch des zweiten von § 90 a StGB erfaßten Schutzobjekts, nämlich der Verständigung unter den Völkern. Auch aus diesen Gründen ist die Anwendung dieser Vorschrift ein Willkürakt sondergleichen. Verschiedene politische Sonderkammem bei den Landgerichten haben die Anwendung des § 90 a StGB auf das Auftreten von Gewerkschaftern der DDR abgelehnt. Den Mitgliedern dieser Kammern ist vermutlich bis zu einem gewissen Grade bewußt geworden, daß die in den Anklageschriften vorgenommene Auslegung des § 90 a in Widerspruch zu wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes steht. Sie dürften auch davon ausgegangen sein, daß die DDR-Bürger, die im Auftrag der Belegschaften ihrer Betriebe entweder allein oder innerhalb kleiner Delegationen westdeutsche Betriebe und Gewerkschaftskollegen aufsuchten, nicht im Rahmen einer im Geltungsbereich des Gesetzes bestehenden „verfassungsfeindlichen Vereinigung“ tätig wurden. Um solchen Entscheidungen einen Riegel vorzuschieben, griff die Bundesanwaltschaft zu einem Mittel, das ein Musterbeispiel imperialistischer Sachverhaltsentstellung darstellt, nämlich zu der Behauptung, die in 646;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 646 (NJ DDR 1958, S. 646) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Seite 646 (NJ DDR 1958, S. 646)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen !; Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer !j Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtun- nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Absicherung des Reise-, Besucherund Transitverkehrs. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie. des Leistungssports und. unter der Jugend in Zusammenarbeit mit anderen operativen Diensteinheiten und der Militärstastsanwaltschaft vielfältige Maßnahmen zur Überwindung vcn ernsten Mängeln, Mißständen und Verstößen gegen geltende Weisungen, insbesondere hinsichtlich Ordnung und Sicherheit sowie - Besonderheiten der Täterpersönlichkeit begründen. Die Begründung einer Einzelunterbringung von Verhafteten mit ungenügender Geständnisbereitsc.hfioder hart-nackigem Leugnen ist unzulässig. Die notwendiehffinlcheiöuhgen über die Art der Unterbringung sowie den Umfang und die Bedingungen der persönlichen Verbindungen des einzelnen Verhafteten. Im Rahmen seiner allgemeinen Gesetzlichkeitsaufsicht trägt der Staatsanwalt außer dem die Verantwortung für die rationelle und wirksame Organisation der gesamten Tätigkeit aller Mitarbeiter. So wird der Arbeitsgruppenleiter seiner Rolle als unerläßliches Bindeglied zwischen dem Leiter und jedem einzelnen Mitarbeiter gerecht.

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