Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1957, Seite 167

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 167 (NJ DDR 1957, S. 167); Vormittag in die Volkskammer, da er ihm dort die gewünschte Zusammenkunft ermöglichen könnte. Dem Zeugen Just sagte der Angeklagte nichts über seine Verbindung zur SPD, sondern erklärte ihm nur, daß ihn am Tag vorher ein Funktionär der SPD, den er seit Jahren kenne, aufgefordert habe, ihn zu besuchen. Er sei dieser Aufforderung nachgekommen und habe dort erfahren, daß Agentenorganisationen wie die „KgU“ zum Generalstreik in der Deutschen Demokratischen Republik hetzten, die SPD sich aber dagegen wehre. Im Anschluß an die Unterhaltung mit Just fuhr der Angeklagte zur Volkskammer. Dort wurde er von dem Zeugen Wendt und einem Sekretär des ZK der SED empfangen. Beiden gegenüber gab er, wie vorher Just, die gleiche erlogene Darstellung. Der Angeklagte glaubte, daß er sich mit dieser Information eine gewisse Rückendeckung für seine Besprechungen mit den SPD-Funktionären verschafft hätte. Am Nachmittag des 3. November 1956 fand die vereinbarte Zusammenkunft im Gebäude des Landesvorstandes der SPD in Westberlin statt. Nachdem Harich zu Braun geführt worden war, stellte ihm dieser einen Mann namens Weber vor, von dem er behauptete, er sei ein Funktionär des Bundesvorstandes der SPD. Harich setzte nunmehr beiden seine Konzeption für die Neugestaltung der Politik und der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik anhand der zum Gegenstand des Beweises gemachten umfangreichen schriftlichen Notizen auseinander. Weber erhob gewisse Einwendungen gegen diese Konzeption, erklärte aber, die SPD wäre bereit, Harich in gewissem Umfange zu unterstützen. Zunächst sei es jedoch erforderlich, daß Harich noch mit einem theoretisch besser geschulten Mitglied der SPD seine Gedanken bespreche. Braun beendete die Zusammenkunft mit dem Hinweis darauf, daß Harich sich in Zukunft in erster Linie an Weber zu halten habe. Harich und Weber verließen darauf das Gebäude des Landesvorstandes und begaben sich in ein in der Nähe gelegenes Lokal. Bei der nun folgenden Unterhaltung merkte Harich, daß Weber nicht als Vertreter des Bundesvorstandes an der Unterhaltung teilgenommen hatte, sondern als Vertreter des Ostbüros der SPD. Weber gab Harich seine Telefonnummer und erklärte ihm, er möge nicht mehr in das Gebäude des Landesvorstandes der SPD gehen, weil er dabei gesehen werden könnte, und vereinbarte mit ihm eine weitere Zusammenkunft für den 6. November 1956. Am 6. November 1956 abends gegen 20.00 Uhr traf Harich am vereinbarten Treffpunkt mit Weber und einem weiteren Mann, der nur unter dem Vornamen Siegfried vorgestellt wurde, zusammen. Alle drei fuhren daraufhin zu einer Villa in Berlin-Dahlem. Dort hatte Harich mit Siegfried eine mehrstündige Aussprache, in der er seine Konzeption und die Pläne zur Durchsetzung seines Programms eingehend erläuterte. Siegfried erklärte sich mit den Gedanken Harichs im wesentlichen einverstanden und machte ergänzende Vorschläge, die von Harich akzeptiert wurden. Im Anschluß an diese Unterhaltung erhielt Harich von Weber mehrere Hetzdruckschriften, die vom Ostbüro der SPD herausgegeben waren. Dann wurde ihm der Vorschlag gemacht, seine Konzeption schriftlich auszuarbeiten und ebenfalls durch das Ostbüro der SPD in der Deutschen Demokratischen Republik verbreiten zu lassen. Harich nahm zu diesem Vorschlag keine klare Stellung. Im Augenblick erschien ihm die Propagierung seiner Pläne durch das Ostbüro der SPD noch nicht am Platz; er wollte sich aber diese Möglichkeit auf jeden Fall offenhalten. Nunmehr wurde zwischen Harich, Siegfried und Weber vereinbart, wie sie jederzeit in der Lage sein könnten, sich wieder zu treffen. Zu diesem Zweck erhielt Harich zwei Telefonnummern, die er sich in verschlüsselter Form aufschrieb. Dann wurde ihm von Weber erklärt, daß er sich in Zukunft in erster Linie an Siegfried zu halten habe. Am 7. November 1956 wurde Harich von dem 1. Sekretär des ZK der SED zu einer Unterhaltung über politische Fragen und die politische Rolle und Tätigkeit des Petöfi-Klubs in Ungarn eingeladen. Harich verschwieg bei dieser Unterhaltung den wesentlichsten Teü seiner Gedanken und wich allen konkreten Fragen nach dem Kern seiner Auffassungen aus. Im Anschluß daran nahm er sofort wieder Verbindung zum Ostbüro der SPD auf, um über diese Besprechung zu berichten. Daraufhin wurde ihm von Siegfried erklärt, er müsse sich nun äußerst vorsichtig verhalten und solle seine wirkliche Einstellung in der nächsten Zeit verbergen, jedoch seine Vorstellungen über den besonderen deutschen Weg zum Sozialismus schriftlich niederlegen. Harich war von dem Bestreben geleitet, nicht nur intellektuelle Mitglieder der SED in seinen Kreis zu ziehen, sondern auch bekannte Persönlichkeiten des politischen Lebens für sich zu gewinnen. So war ihm daher sehr daran gelegen, mit dem früheren Mitglied des Politbüros der SED, Paul Merker; zusammenzukommen. In seinem Einverständnis organisierte Janka eine solche Unterhaltung mit Paul Merker in seiner Wohnung. Diese Zusammenkunft fand am 21. November 1956 statt. An ihr nahmen außer Harich, Janka und Merker auch noch die Zeugen Just und Zöger teil. Bei dieser Unterhaltung legte Harich seine Gedanken über die Änderung der Politik und der sozialökonomischen Struktur der Deutschen Demokratischen Republik und seine Pläne dar und erwähnte, daß es wünschenswert sei, daß Paul Merker und Franz Dahlem wieder eine führende Position einnehmen. Auf diese Weise war Harich mit dem Zeugen Merker in Verbindung gekommen. Merker hatte ihm jedoch keinerlei Zusage gemacht, seine Konzeption zu unterstützen, so daß Harich weiter bestrebt war, Verbindung auch mit Franz Dahlem zu bekommen. Harich kannte, seitdem er Herausgeber der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“ war, den Angeklagten Hertwig. Der Angeklagte Hertwig war ebensowenig wie der Angeklagte Harich mit der Arbeiterklasse verbunden. Auch er hatte sich Kenntnisse über den Marxismus-Leninismus nur durch das Studium von Lehrbüchern erworben. Bereits 1953 hatte er seine Dozententätigkeit an der Humboldt-Universität aufgegeben, weil er mit der Politik der SED und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik nicht mehr einverstanden war. Er lehnte deshalb auch jede Parteiarbeit ab. Ähnlich wie Harich ließ auch er sich durch die Sendungen des RIAS und durch die Artikel Westberliner und westdeutscher Zeitungen in seiner politischen Haltung beeinflussen. Insbesondere nach dem konterrevolutionären Aufstand in Ungarn verschärfte sich die Abneigung des Angeklagten Hertwig gegen die Politik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und wurde zu einer ausgesprochen feindlichen Einstellung. Während der Angeklagte Harich den Angeklagten Hertwig in den ersten Jahren seiner Tätigkeit wenig beachtete, kamen sich beide Angeklagten auf Grund ihrer gemeinsamen feindlichen Einstellung gegen die Politik der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik im Laufe des Sommers 1956 näher. Als der Angeklagte Hertwig bei einer Unterhaltung am 10. November 1956 anläßlich einer Redaktionssitzung erklärte, daß er bei seinen Vorlesungen an der Akademie der Wissenschaften einen Aspiranten der Ökonomie kennengelernt habe, der politisch ebenso wie sie beide eingestellt sei und Beziehungen zu Franz Dahlem habe, forderte Harich ihn auf, ihm die Bekanntschaft mit diesem Aspiranten zu vermitteln. Harich hatte hieran aus zwei Gründen Interesse; Einmal hoffte er, so eine Verbindung zu Franz Dahlem zu bekommen, und zum anderen war ihm von Janka und auch von Just gesagt worden, daß seine Konzeption in ökonomischer Hinsicht außerordentlich schwach und eine Überarbeitung durch einen ausgebildeten Politökonomen erforderlich sei. Als Harich nun von Hertwig hörte, daß er einen Politökonomen kenne, der die gleichen Auffassungen wie Harich vertrat, glaubte er, in ihm eine geeignete Person, die die gewünschte Überarbeitung vornehmen könnte, gefunden zu haben. Hertwig setzte sich daraufhin mit dem Angeklagten Steinberger in Verbindung . Steinberger, der wegen Verdachts der Spionage verhaftet worden war, wurde im Jahre 1955 aus der Haft entlassen, im Juli 1956 von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands rehabilitiert und wieder in die Partei aufgenommen. Steinberger war mit seiner Rehabilitierung nicht voll einverstanden, weil seine Mitgliedschaft nicht vom Jahre 1940, sondern erst vom Jahre 1945 an gerechnet wurde 167;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 167 (NJ DDR 1957, S. 167) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Seite 167 (NJ DDR 1957, S. 167)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 11. Jahrgang 1957, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1957. Die Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1957 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1957 auf Seite 816. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 11. Jahrgang 1957 (NJ DDR 1957, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1957, S. 1-816).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit herauszuarbeiten. Möglich!:eiten der politisch-operativ effektiven Nutzung der Regelungen des für die Ingangsetzung eines Prüfunnsverfahrens durch die Untersuchunosoroane Staatssicherheit. Die Durchführung eines strafprozessuslen Prüfuncisverfahrar. durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit in Ermittlungsverfahren mit Haft bearbeiteten Personen hat eine, wenn auch differenzierte, so doch aber feindlieh-negative Einstellung. Diese feindlich-negative Einstellung richtet sich gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung dazu aufforderte, ich durch Eingaben an staatliche Organe gegen das System zur Wehr zu setzen. Diese Äußerung wurde vom Prozeßgericht als relevantes Handeln im Sinne des Strafgesetzbuch vorliegt - als Ordnungswidrigkeit zügig und mit angemessener Ordnungsstrafe verfolgt werden. Nach wie vor werden die entsprechenden Genehmigungen durch das Ministerium des Innern, die Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zur Gewährleistung einer hohen öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Untersuchunqshaftanstalt. Bei der Gewährleistung der allseitigen Sicherheiter Unter- tivitäten feindlich-negativer Personen sind die potenzenaer zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei oder der Nationalen Volksarmee oder anderen Übernahme Übergabesteilen. Der Gefangenentransport erfolgt auf: Antrag des zuständigen Staatsanwaltes, Antrag des zuständigen Gerichtes, Weisung des Leiters der Abteilung. Der Leiter hat sich vor der Vorführung von Inhaftierten zu Arztvorstellungen und medizinischen Behandlungen mit der Untersuchungsabteilung zu konsultieren.

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