Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 785

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 785 (NJ DDR 1956, S. 785); Die durch § 284 StPO geschaffene Möglichkeit einer Beschlußverwerfung sollte nach dem Sinn dieser Bestimmung auf die Ausnahmefälle offensichtlich unbegründeter Rechtsmittel Anwendung finden, um dadurch auch eine unnötige Verfahrensverzögerung zu vermeiden. Die Praxis hat jedoch einen breiteren Gebrauch von dem Beschlußverfahren gemacht, in der nicht billigenswerten Auffassung, ein erstinstanzliches Urteil durch Beschlußverwerfung des unbegründeten Rechtsmittels bestätigen zu können, weil das angefoch-tene Urteil „im Ergebnis richtig“ war. In diesem Zusammenhang darf man auch nicht daran Vorbeigehen, daß das Beschlußverwerfungsverfahren gerade in einer Zeit stärkerer Arbeitsbelastung durch weite Auslegung des Begriffs „offensichtlich“ ungerechtfertigt oft angewendet wurde; dabei wurde übersehen, daß es nicht der Sinn der Vorschrift des § 284 StPO ist, „prozeßökonomischen“ Erwägungen zu dienen. Mit Recht wurde daher auf der Berliner Justizkonferenz am 10. Mai 19564) hervorgehoben, daß von der Möglichkeit der Beschlußverwerfung nur mit größter Gewissenhaftigkeit und in geringerem Umfang Gebrauch gemacht werden dürfe. Die Kritik richtete sich insbesondere gegen den Fehler, daß durch Beschlußverwerfung des Rechtsmittels ausgehend von der Überzeugung, daß eine im Ergebnis richtige Entscheidung vorliegt erstinstanzliche Entscheidungen bestätigt wurden, ohne dabei die Aufgabe des Rechtsmittelverfahrens für die Kritik und die Kontrolle der Rechtsprechung zu beachten. Durchaus berechtigt war der gegen diese Praxis gerichtete Hinweis, daß es notwendig sei, in einer gründlichen Erörterung des erstinstanzlichen Verfahrens im einzelnen die prinzipiellen Mängel des angefochtenen Urteils und des erstinstanzlichen Verfahrens genau festzustellen und durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu beseitigen. Wenn man von dieser Bedeutung des § 284 StPO und den Erfahrungen der Praxis ausgeht, ist man geneigt zu fragen, welche Fälle wirklich für eine Anwendung dieser Vorschrift übrig bleiben und für eine Aufrechterhaltung der Beschlußverwerfung wegen offensichtlicher Unbegründetheit sprechen. Die Anwendung des § 284 StPO bestätigt allerdings, daß es solche Berufungen gibt, die zweifelsfrei und offensichtlich unbegründet sind. Man könnte meinen, daß eben solche Berufungen vom Gesichtspunkt des Ergebnisses der Entscheidung nicht nur keine Hauptverhandlung erfordern, sondern bei ihnen die Verwerfung durch kurzen bestimmten Beschluß gerade die richtige Form der Entscheidung sei. Eine solche Meinung ist aber nicht richtig, denn die Erfahrung der Praxis lehrt, daß die Grenze zwischen unbegründeter und offensichtlich unbegründeter Berufung sehr fließend ist. Man kann sagen, daß bisher noch keine überzeugenden Kriterien für die Unterscheidung zwischen beiden entwickelt worden sind. Man soll ja überhaupt mit der Verwendung von Begriffen wie „offensichtlich“ und „zweifelsfrei“ recht vorsichtig sein. Daß es sich mitunter tatsächlich um „Grenzfälle“ unbegründeter oder offensichtlich unbegründeter Berufungen handelt, kommt bereits in der Art und dem Umfang der Begründungen von Verwerfungsbeschlüssen zum Ausdruck. Es gibt Beschlüsse, die eine so ausführliche, auf Einzelheiten eingehende Begründung enthalten, daß man zweifeln kann, ob diese Ausführlichkeit wirklich noch die Offensichtlichkeit des Unbegründetseins ausdrückt. So macht z. B. ein Beschluß des Stadtgerichts von Groß-Berlin vom 24. September 1956 in einer Diebstahlssache auf drei Seiten Ausführungen über die offensichtliche Unbegründetheit, gibt in dem Beschluß sogar eine Darstellung des Sachverhalts und setzt sich dann sachlich durchaus zutreffend mit den Berufungseinwänden zur Frage der Wegnahme und Zueignungsabsicht auseinander. Allein schon die Tatsache, daß so ausführliche Darlegungen zur Widerlegung der Berufungseinwände erforderlich sind, macht erkennbar, daß die Offensichtlichkeit der Unbegründetheit doch wohl nicht so eindeutig war. Man kann die gleiche Frage meiner Ansicht nach auch hinsichtlich des Beschlusses des BG Halle vom 13. Juli 19565) aufwerfen. 4) vgl. Melsheimer, NJ 1956 S. 295; Ranke, NJ 1956 S. 327. 5) vgl. NJ 1956 S. 676. Diese Bemerkungen zeigen, daß die Gerichte hier in einem „Konflikt“ zwischen zwei Pflichten stehen: derjenigen, die offensichtliche Unbegründetheit präzis und konzentriert zu begründen, und derjenigen, aus erzieherisch-überzeugenden Gründen dem Angeklagten doch die Unbegründetheit in einem ausführlichen Beschluß zu erläutern). Mir scheint, daß dieser Widerspruch, der in den Begründungen selbst spürbar wird, auch die Widersprüchlichkeit der prozessualen Vorschrift widerspiegelt. Alle vorstehenden Überlegungen sprechen deshalb dafür, auf die Beschlußverwerfung wegen offensichtlicher Unbegründetheit zu verzichten. Es ist bei § 284 StPO noch eine weitere Frage zu behandeln. Die Verwerfung als offensichtlich unbegründet ist durch das Gesetz auf das Rechtsmittel des Angeklagten (Berufung) beschränkt; sie ist nicht zugelassen für das Rechtsmittel des Staatsanwaltes, den Protest. Hierbei hat sich das Gesetz von der Überlegung leiten lassen, daß der Protest so gründlich und gewissenhaft vorbereitet sein wird, daß offensichtlich unbegründete Proteste bei den Gerichten nicht eingereicht werden. Zum anderen hat auch der Gedanke eine Rolle gespielt, daß hier eine Beschlußverwerfung der Rolle des Staatsanwalts als des Hüters der sozialistischen Gesetzlichkeit nicht entspricht. Diese Überlegungen können jedoch nicht eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsmittel des Angeklagten und des Staatsanwalts rechtfertigen. Sie übersehen, daß auch Proteste offensichtlich unbegründet sein können. Sie berücksichtigen insbesondere nicht die Beeinträchtigung des Parteiprinzips. Die konsequente Durchsetzung dieses Prinzips, das davon ausgeht, daß bei voller Beachtung der besonderen Rolle des Staatsanwalts dennoch die prozessuale Stellung im Gerichtsverfahren für beide Prozeßparteien die gleiche ist, erfordert, die unterschiedliche Behandlung der Rechtsmittel zu beseitigen. Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Überlegungen gelangen wir zu dem Ergebnis, auf eine Verwerfung von Rechtsmitteln wegen offensichtlicher Unbegründetheit durch Beschluß generell zu verzichten. Die Festigung unserer Arbeiter-und-Bauern-Macht, der ständige Rückgang der Kriminalität in der Deutschen Demokratischen Republik und die weitere Entwicklung der sozialistischen Gesetzlichkeit rechtfertigen jetzt nicht nur den Verzicht auf die Beschlußverwerfung, sondern lassen ihn sogar geboten erscheinen. Wenn wir das Rechtsmittel als eine wichtige prozessuale Form der Kritik und Kontrolle der Rechtsprechung betrachten6 7), müssen wir die erzieherisch-überzeugende Bedeutung des Rechtsmittelverfahrens erhöhen und hervorheben. Gerade die Tatsache, daß das Rechtsmittelverfahren in unserem Strafprozeß sowohl Rechts- und Tatfragen wie auch die Strafhöhe überprüft und erörtert, spricht für den Verzicht auf das ohne Hauptverhandlung stattfindende Beschlußverfahren. Die Verwerfungsbeschlüsse wegen offensichtlichen Unbegründetseins beeinträchtigen die Kritik- und Kontrollfunktion der Rechtsprechung des Rechtsmittelgerichts. Sie stärken nicht, sondern sie beinträchtigen das Ansehen der demokratischen Gerichte. Man darf nicht übersehen, daß bei dem Angeklagten, der gegen ein Urteil erster Instanz Berufung eingelegt hat, auch dann, wenn sie offensichtlich unbegründet ist, ein ohne mündliche Verhandlung ergehender, ihm zugestellter Beschluß, in dem ihm die Verwerfung als offensichtlich unbegründet mitgeteilt wird, den wenn auch nicht begründeten Eindruck erwecken kann, daß seinem Verteidigungsvorbringen doch nicht genügend Beachtung geschenkt wurde. Damit geht aber ein wesentlicher Teil der erzieherisch-überzeugenden Wirkung des Gerichtsverfahrens und der Entscheidung verloren. Wenn wir die Frage des Verzichts auf die Beschlußverwerfung bei offensichtlich unbegründetem Rechtsmittel bejahen, ist auch eine kurze rechtsvergleichende Betrachtung von Interesse, die wir hier einflechten möchten. Es ist interessant festzustellen, daß die Unterscheidung- von unbegründeten und offensichtlich unbe- 6) Auf diese Problematik macht auch bereits die Anmerkung von Benjamin zu einem Urteil des Kammergerichts in NJ 1954 S. 559 aufmerksam. 7) vgl. Grundriß des Strafverfahrensrechts der DDR, Berlin 1953, S. 55. 785;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 785 (NJ DDR 1956, S. 785) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 785 (NJ DDR 1956, S. 785)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Ausübung der Kontrolle ihrer Einhaltung; alle Unregelmäßigkeiten in den Verhaltensweisen der Inhaftierten und Strafgefangenen festzustellen und sofort an den Wachschichtleiter zu melden. Die Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvollzugsordnung , die Änderung zur Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvollzugsordnung , die Änderung zur Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes sind: Die gesetzlichen Bestimmungen wie Strafgesetz, Strafprozeßordnung, Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz; Befehle und Anweisungen des Ministers für Staatssicherheit, des Leiters der Bezirksverwaltungen Verwaltungen und des Leiters der Diensteinheit - der Kapitel, Abschnitt, Refltr., und - Gemeinsame Anweisung über die Durch- Refltr. führung der Untersuchungshaft - Gemeinsame Festlegung der und der Refltr. Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmurigen der Untersuchungshaftvollzugsordnung -UHV in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit vom Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit , Ausfertigung V: Gemeinsame Festlegung der Leiser des Zentralen Medizinisehen Dienstes, der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Gemeinsame Festlegungen der Leiter des Zentralen Medizinischen Dienstes, der Hauptabteilung und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit . Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit.

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