Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 655

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 655 (NJ DDR 1956, S. 655); Die Richtigkeit dieser letzten These wird bestätigt, wenn man sie am konkreten Fall untersucht. Als Beispiel soll folgender Sachverhalt dienen: Der Angeklagte hatte einem Menschen mit einem Gewehr in den Leib geschossen. Die sofort durchgeführte Operation bei der der Verletzte trotz aller Sorgfalt des Arztes verstarb, ergab, daß der Verletzte eine verschleppte Bauchhöhlenvereiterung hatte. Das Gericht stellte fest, daß der Gewehrschuß kausal für den eingetretenen Tod war. Muß diese Feststellung das ist die Frage, die Wyschinski stellt absolut oder relativ wahr sein? Die relative Wahrheit ist bekanntlich ein Moment oder eine Stufe in der Erkenntnis der absoluten Wahrheit. Sie ist eine objektive, aber unvollständige Wahrheit, „die die Realität für die auf gewisser Entwicklungsstufe befindliche menschliche Praxis zufriedenstellend widerspiegelt, deren Abänderung und Korrektur aber im Laufe der weiteren Entwicklung der Praxis und der Erkenntnis unumgänglich ist“9). Es ist offensichtlich, daß diese relative Wahrheit allein nicht Ziel der strafprozessualen Forschungstätigkeit sein kann; auch nicht in dem gewählten Beispiel. Der Begriff der relativen Wahrheit setzt notwendig einen Gegenstand der Erkenntnis voraus, der vom menschlichen Wissen in seinem Umfang und Inhalt nicht auf einmal, sofort erfaßt werden kann, sondern nur schrittweise, in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte dem Menschen zugänglich wird. Die absolute Wahrheit dagegen ist eine unveränderliche Wahrheit, eine Wahrheit, die in Zukunft nicht widerlegt werden kann. Sie setzt sich in dem Sinne, wie sie die Klassiker des Marxismus-Leninismus auffassen aus einer Summe relativer Wahrheiten zusammen. Sie verhält sich zur relativen Wahrheit „wie das Ganze zum Teil. Jedoch ist das Ganze nicht eine arithmetrische Summe der Teile, sondern mehr als das, denn das Ganze stellt eine neue Qualität dar“10). Es bedarf keiner Begründung, daß diese Merkmale auch nicht geeignet sind, die im Strafprozeß festzustellende Wahrheit zu charakterisieren. Schließlich gibt es jene zu den absoluten Wahrheiten gehörenden Gruppen, von denen Engels sagt, daß sie sich in „Plattheiten und Gemeinplätzen“ erschöpfen. Zu ihnen gehören solche Erkenntnisse, „daß die Menschen im allgemeinen ohne Arbeit nicht leben können, daß sie sich bisher meist eingeteilt haben in herrschende und beherrschte, daß Napoleon am 5. Mai 1821 gestorben ist usw.“11). Solche absoluten Wahrheiten wird es zwar in jedem Strafprozeß geben das Geburtsdatum des Angeklagten, seine bisherigen Arbeitsplätze, aber auch im Beispiel die Tatsache, daß er geschossen hat, lassen sich sicher mit absoluter Wahrheit in diesem engen Sinne feststellen , aber in ihnen erschöpft sich das vielgestaltige strafrechtliche relevante Verhalten nicht. Gegenstand der strafprozessualen Forschungstätigkeit oder, was nur ein anderes Wort dafür ist, Gegenstand der Beweisführung sind bekanntlich nicht nur solche relativ einfach festzustellende Tatsachen, deren absolute Gültigkeit nach einer sorgfältigen Überprüfung kein vernünftiger Mensch mehr bezweifelt. Gegenstand der strafprozessualen Forschungstätigkeit sind vielmehr nicht selten auch medizinische, technische, psychologische und andere Probleme der verschiedensten Wissensgebiete, deren absolute Gültigkeit das weiß jeder Richter, Staatsanwalt und Untersuchungsführer aus seiner eigenen Praxis keinesfalls so unumstößlich sicher ist wie z. B. die Tatsache: 2X2 = 4. Ich meine damit solche Probleme, in denen die Wissenschaft selbst die absolute Wahrheit noch nicht erkannt hat. Ihre Erforschung im Hinblick auf solche Probleme vom Gericht zu fordern, würde in der Tat den Bankrott der strafverfolgenden Tätigkeit bedeuten. So führt also die Fragestellung: „absolute oder relative Wahrheit?“ zu keinem anderen Ergebnis als zu dem, sowohl die absolute wie auch die relative Wahrheit als zur Charakterisierung der im Strafprozeß fest- 9) Schaff, Zu einigen Fragen der marxistischen Theorie der Wahrheit, Berlin 1954, S. 173. 10) Chaschatschich, über die Erkennbarkeit der Welt, Berlin 1951, S. 87/88. 11) Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring), Berlin 1948, S. 107. zustellenden Wahrheit ungeeignet abzulehnen. Zu diesem falschen Ergebnis muß sie auch führen, weil sie undialektisch ist, weil sie der Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens widerspricht. Der Gegenstand der strafprozessualen Forschungstätigkeit setzt sich wie der Gegenstand jeder Forschungstätigkeit aus Elementen zusammen, die der menschlichen Erkenntnis sofort, auf einmal zugänglich sind, und zwar unwiderleglich, und solchen, die erst im weiteren Verlauf der Entwicklung dieser Erkenntnis absolut richtig erkannt werden. Das zeigt sich auch an dem genannten Beispiel: Die Tatsache, daß der Angeklagte geschossen hat, läßt sich ich habe schon darauf hingewiesen im Ergebnis einer gründlichen, verantwortungsbewußten Ermittlungstätigkeit, die alle Beweismöglichkeiten erschöpft, sicher mit absoluter Wahrheit in jenem engen Sinne feststellen; das gleiche gilt für die Tatsache, daß dieser Schuß die Ursache der Schußwunde war, wie auch für die Tatsache des eingetretenen Todes. Nicht mit absoluter Wahrheit dagegen läßt sich m. E. die Frage lösen, ob unter den obwaltenden Umständen (Bauchhöhlenvereiterung des Verletzten) der Gewehrschuß kausal für den eingetretenen Tod war. Diese Frage kann das Gericht nur entsprechend dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft, also mit relativer Wahrheit beantworten. Ähnliches wird in anderen Fällen gelten im Hinblick auf die Zurechnungsfähigkeit bzw. Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten und andere strafrechtlich bedeutsame Probleme. So löst sich das Problem „absolute oder relative Wahrheit?“ als Ergebnis der strafprozessualen Forschungstätigkeit sowohl in diesem Beispiel wie in der Strafrechtsprechung überhaupt im dialektischen Zusammenhang beider. Dabei ist der Charakter der zu erforschenden Wahrheit (absolute bzw. relative) abhängig von der Natur der zu untersuchenden Ereignisse, Handlungen und Tatsachen und dem diesbezüglichen Stand der menschlichen Erkenntnis als einem historischen Prozeß. Im Rahmen dieser realen Möglichkeit müssen die Organe der Strafrechtspflege alle tatsächlichen Umstände der zu untersuchenden Handlung in voller und genauer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit feststellen; in diesem Rahmen müssen ihre Schlußfolgerungen und Entscheidungen objektiv wahr sein. II Ein zweites Problem, welches der kritischen Überprüfung bedarf, ist das Problem der Beweisführungspflicht12). Wyschinski geht bei der Darstellung dieser Frage von der These aus: „Beweisen muß derjenige, von dem eine Behauptung stammt, die des Beweises bedarf“13). Aus dieser These folgert er, daß es ,,a) zur Pflicht des Anklägers gehört, die Umstände zu beweisen, welche die Anklage stützen, und b) zur Pflicht des Angeklagten, die Umstände zu beweisen, die die Anklage widerlegen“14). Diese Auffassung Wyschinskis ist im Hinblick auf den Strafprozeß in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Sie läßt sich nicht vereinbaren mit einem der grundlegenden Prinzipien des sozialistischen Strafprozesses, dem Recht des Angeklagten auf Verteidigung und widerspricht sowohl der Strafprozeßordnung der DDR wie auch dem sowjetischen Strafprozeßgesetz15). Die Pflicht der Beweisführung oder die Beweislast liegt m. E. sowohl im Ermittlungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren allein bei den staatlichen Organen der Strafrechtspflege. Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was zur Erforschung der objektiven Wahrheit erforderlich ist16). Sie haben die Aufgabe, auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Weg die Präsumtion der Unschuld zu widerlegen oder falls sie die Schuld des Angeklagten nicht nachweisen können den Angeklagten zu rehabilitieren. 12) Wyschinski, a. a. O. S. 256 ff. 13) Wyschinski, a. a. O. S. 258. 14) Wyschinski, a. a. O. S. 260. 15) Art. 111 der Strafprozeßordnung der RSFSR lautet: Bei der Durchführung der Voruntersuchung ist der Untersuchungsführer verpflichtet, sowohl die den Beschuldigten belastenden als auch die ihn entlastenden Umstände zu klären und zu untersuchen, ebenso auch alle Umstände, die den Grad und den Charakter seiner Verantwortlichkeit sowohl erhöhen als auch mindern. 16) vgl. §§ 108, 200 StPO. 655;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 655 (NJ DDR 1956, S. 655) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 655 (NJ DDR 1956, S. 655)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

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