Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 627

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 627 (NJ DDR 1956, S. 627); schäftigen diese Fragen unsere Juristen schon geraume Zeit. Eine der Ursachen für diese Zurückhaltung dürfte in dem jahrelangen apodiktischen Festhalten (nicht nur der Wissenschaft) an der jetzt in Zweifel gezogenen These zu suchen sein. Allgemein besteht wohl darüber Klarheit, daß die These „Jedes Verbrechen ist ein Ausdruck des Klassenkampfes“1) nicht mit der falschen Theorie von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfes verwechselt werden darf, deren negative Auswirkungen auf die Strafpolitik von keiner Seite bestritten wurden. Während die Wissenschaftler von ihrem bisherigen Standpunkt nicht abgingen1 2), sondern seine Richtigkeit hartnäckig behaupten3), hatte Streit diese These in ihrer Absolutheit als falsch bezeichnet und seine Auffassung auch weiterhin verteidigt4). Auch Benjamin hält eine grundsätzliche Überprüfung der bisherigen Auffassung für notwendig, betont aber, daß das Verbrechen seine Ursache in gesellschaftlichen Erscheinungen habe, die mit der jeweiligen Klassenlage eng verbunden sind5). Während Streit gewisse Verletzungen der sozialistischen Gesetzlichkeit auf die seiner Ansicht nach überspitzte These zurückführt, sind umgekehrt Orsche-k o w s k i und Grimm der Meinung, daß gerade seine Formulierungen geeignet seien, Unsicherheit und Verwirrung in der Gesetzesanwendung zu stiften, und auch K ü h 1 i g und Schwarz stimmen dem zu. Gewiß fordern die Streitschen Meinungsäußerungen in verschiedener Hinsicht zum Widerspruch heraus. Indessen können die Ausführungen seiner Diskussionspartner auch nicht überzeugen, zumal ihre Beweisführung, die sich im wesentlichen auf bekannte Leitsätze stützt, durchaus nicht immer stichhaltig ist. So entspricht der Vorwurf Kühligs, Streit habe sich in der Frage des Widerspruches und des Antagonismus nicht an die marxistische Terminologie gehalten, durchaus nicht den Tatsachen, wie zum Beispiel bei Mao Tse-tung „Über den Widerspruch“ nachzulesen ist6). Man kann sich mitunter des Eindrucks nicht erwehren, als würden gewisse Sätze und Gedanken nur mißverstanden, um das „Mißverständnis“ dann ausgiebig widerlegen zu können, obwohl bestimmte Feststellungen überhaupt nie angezweifelt wurden. So kann z. B. aus der These Streits, daß nicht jedes Verbrechen Ausdruck des Klassenkampfes ist, zwingend nur gefolgert werden, daß es demnach auch Handlungen geben müsse, die den Interessen. der herrschenden Klasse zwar zuwiderlaufen, ohne jedoch Ausdruck des Klassenkampfes zu sein, nicht aber, wie es Orsche-kowski und Grimm taten, daß solche Handlungen in Zukunft nicht mehr bestraft werden sollen. Andererseits wendet sich Streit scharf gegen eine Auffassung, wonach angeblich Arbeiter und Bauern, die strafbare Handlungen begehen, keine Klassenfeinde sein oder zumindest keine klassenfeindlichen Ziele verfolgen könnten, ohne daß ich irgendwo eine solche These vertreten fand. Der Hauptmangel der bisherigen Diskussion besteht jedoch darin, daß sie viel zu abstrakt geführt wurde und die notwendige Verbindung zur Praxis vermissen ließ, wodurch die Gefahr des bloßen Theoretisierens entstanden ist. Man kann sich nicht damit begnügen, Leitsätze und Thesen durch andere Thesen und Leitsätze zu beweisen. „Die Erkenntnis beginnt mit der Praxis; hat man durch die Praxis theoretische Kenntnisse erworben, muß- man wiederum zur Praxis zurückkehren.“7) 1) vgl. Lekschas, Aufbau der Verbrechenslehre, Berlin 1952, S. 9. 2) Lekschas/Gerats/Renneberg, „Neues Deutschland“ vom 9. Mai 1956. 3) Orschekowski/Grimm, NJ 1956 S. 440; Kühlig/Schwarz, NJ 1956 S. 597. 4) Streit, „Neues Deutschland“ vom 21. Juni 956 und NJ 1956 S. 449. 5) Benjamin, Einheit 1956, Heft 6, S. 546. 6) Mao Tse-tung, Über den Widerspruch, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 61. 7) Mao Tse-tung, Über die Praxis, Dietz Verlag, Berlin 1955, S. 19. Ohne den Schritt von der Theorie zur Praxis wieder zurückzumachen, verfällt der Theoretiker in Dogmatismus. Dieser Schritt ist aber nicht schon damit getan, daß man einige praktische Beispiele herausgreift, die gerade geeignet erscheinen, die eigene These zu erhärten, sondern indem man umgekehrt die Richtigkeit des Leitsatzes ständig an der Vielzahl der praktischen Fälle überprüft. Anstatt offene Türen einzurennen, wäre es sicherlich fruchtbarer, in der Diskussion insbesondere dort anzusetzen, wo die Problematik akut wird, nämlich bei den Fahrlässigkeitstaten und den Übertretungen. Hier wird aber die Beweisführung merklich dünner und hört schließlich ganz auf. Kühlig und Schwarz3) versuchen sich dadurch weiterzuhelfen, daß sie an Stelle eines Beweises summarisch behaupten: „ bei der Betrachtung dieses Handlungskomplexes (gemeint sind die den Entwicklungsprozeß negativ beeinflussenden Handlungen) ergibt sich, daß auch Übertretungen Ausdruck des Klassenkampfes sind.“ Woraus, bleibt unausgeführt. Für unsere Strafrechtswissenschaft gilt nicht minder als für die sowjetische, was in dem Artikel6) „Der XX. Parteitag und die Aufgaben der sowjetischen Rechtswissenschaft“ ausgeführt ist: „Eine der Hauptursachen für das Zurückbleiben der Rechtswissenschaft besteht darin, daß die rechtswissenschaftliche Arbeit losgelöst ist von der Praxis des sowjetischen Aufbaus auf staatlichem und rechtlichem Gebiet, daß sie davor zurücksChreCkt, eine Reihe aktueller politischer Fragen zu stellen, daß unter den Reehtswissen-sehaftlern das dogmatische und scholastische Herangehen an die Fragen der Rechtswissenschaft in gewisser Weise verbreitet ist, daß man sich von formalen Definitionen und Begriffen leiten läßt, statt die Tätigkeit der Organe des sowjetischen Staatsapparates eingehend zu analysieren und zu verallgemeinern Die sowjetischen Strafrechtler stehen dem Staat gegenüber in schwerer Schuld. Derart aktuelle Probleme wie das Wechselverhältnis von Erziehungs- und Zwangsmaßnahmen im Kampf gegen die Kriminalität, Schuld und Verantwortlichkeit, die Aufdeckung der Ursachen und Bedingungen, die diese oder jene Verbrechen begünstigen, und die prozessualen Formen der Verwirklichung der Justizpolitik wurden nicht tiefgründig ausgearbeitet. Die sowjetischen Strafrechtler sprechen nur ganz allgemein von den Überbleibseln des Kapitalismus im Bewußtsein der Menschen als der Ursache für die Verstöße gegen die Gesetzlichkeit, aber sie analysieren nicht die Materialien der Gerichtspraxis, die die Persönlichkeit des Verbrechens und die Motive des Verbrechens betreffen.“ „ Ich glaube, daß uns gerade auch bei dem hier zur Debatte stehenden Problem eine konkrete Untersuchung aller Delikte und Deliktsgruppen an Hand der Gerichtspraxis im Hinblick auf ihre Ursachen weiterhelfen wird, denn letzten Endes läuft ja die Frage: „Verbrechen Ausdruck des Klassenkampfes oder nicht“, auf die Frage nach den Ursachen des Verbrechens hinaus. In welcher Richtung diese Untersuchung verlaufen müßte, will ich im folgenden darzulegen suchen. Erhebliche Bedenken bestehen zunächst gegen die Gleichsetzung der Begriffe „gesellschaftsschädlich“ oder „gefährlich“ und „objektiv klassenfeindlich“, wie sie von Orschekowski und Grimm vorgenommen und auch von Streit akzeptiert wurde. Es wird hier ein objektives Verhältnis mit einer Bezeichnung versehen, die begriffsnotwendig eine subjektive Einstellung beinhaltet. Begriffe wie der des „objektiven“ Klassenfeindes sollten nach dem XX. Parteitag nicht mehr gebildet werden. Der „objektive“ Klassenfeind ist auch ein Klassenfeind und der Schluß vom „objektiven“ zum audi „subjektiven“ ist nur zu leicht getan. Ein Klassenfeind ist m. E. nur der, dessen objektiv gefährdende Handlung auch auf einer klassenfeindlichen Einstellung beruht. Orschekowski und Grimm haben recht, wenn sie die Ursache der von Streit angeführten ungerechtfertigten Verhaftungen bei kleineren Vergehen als Resultat einer falschen Würdigung des Verhaltens des Täters, einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes und damit einer Fehleinschätzung der wirklichen Gesellschaftsgefährlichkeit der Handlung bezeichnen. Diese Fehleinschätzung ist es aber gerade, die Streit auf den Einfluß der von ihm angefochtenen These zurückführt. Die Richtigkeit dieser Ansicht müßte aber ebenfalls noch an Hand der Praxis überprüft werden. Ich stimme mit Kühlig und Schwarz10) überein, wenn sie es für erforderlich halten, zunächst einmal festzu- 8) NJ 1956 S. 599. 8) Sowjetwissenschaft (Gesellschaftswissenschaft!. Beiträge) 1956, S. 863 und 871. 1°) NJ 1956 S. 597. 627;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 627 (NJ DDR 1956, S. 627) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 627 (NJ DDR 1956, S. 627)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Zur Notwendigkeit der Persönlichkeitsanalyse bei feindlich negativen Einstellungen und Handlungen Grundfragen der Persönlichkeit und des Sozialverhaltens unter dem Aspekt der Herausbildung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Dynamik des Wirkens der Ursachen und Bedingungen, ihr dialektisches Zusammenwirken sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit . Das Verhüten Verhindern erfolgt vor allem durch die vorbeugende Einflußnahme auf erkannte Ursachen und Bedingungen für das Wirken des Gegners, für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die Dynamik des Wirkens der Ursachen und Bedingungen, ihr dialektisches Zusammenwirken sind in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Studienmaterial, Die Bedeutung des Ermittlungsverfahrens im Kampf gegen die Angriffe des Feindes Vertrauliche Verschlußsache Lehrheft, Zu ausgewählten Fragen der strafprozessualen Beweisführung und ihrer Bedeutung für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Erfordernisse und Möglichkeiten der Nutzung des sozialistischen Rechts im Zusammenhang mit der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit in der DDR. Vertrauliche Verschlußsache Vergleiche Schmidt Pyka Blumenstein Andrstschke: Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedin- ergebende der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchungsarbeit und der Qualität der eigenen Arbeit zur umfassenden Aufklärung und Verhinderung der Pläne und subversiven Aktivitäten feindlicher Zentren und Elemente und die damit verbundene Konfrontation mit Inhaftierten unmittelbar mit bekannten Erscheinungsformen, Mittel und Methoden der Feindttttigkeit auseinandersetzen müssen. Das liegt vor allem in der Tatsaohe begründet, daß die in den Akten vorhandenen Informationen durch den sie erarbeitenden operativen Mitarbeiter subjektiv falsch widergespiegelt werden können, ohne daß es ihm bewußt wird.

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