Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 1991, Beilage Seite 16

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Beilage 7, Seite 16 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, Beil. S. 16); ?die andere Beilage 16/91 - XVI IM ?Rose": Ein Wort in eigener Sache Ich habe diesem Ministerium selber fast 15 Jahre gedient und trage somit auch Verantwortung fuer die Dinge, die geschehen sind. Bevor ich einige persoenliche Gedanken darlege, moechte ich Euch und allen Lesern der ?anderen? einen Vorschlag machen: Lasst in Eurer Zeitung Platz fuer die ?ANDERE SEITE?. Die andere Seite ist symbolisch gemeint und sollte ehemaligen Mitarbeitern des MfS, des MdI und hauptamtlichen Parteifunktionaeren Vorbehalten bleiben fuer die Darstellung ihrer Vergangenheitbewaeltigung, ihrer Geschichte und Rechtfertigungen. Wichtig ist nicht unbedingt der Name, sondern der Wille, zur Aufarbeitung von Geschichte beitragen zu wollen. Nicht jedem wird es leichtfallen, doch allein der Versuch ist es wert und ich moechte alle Mitarbeiter des MfS dazu auffordern. Viele von uns sind zum Kiosk gelaufen, um ?die andere? zu kaufen und suchte dann nach dem eigenen Namen. Manch einer atmete auf, weil er ihn nicht fand. Manche werden sagen, warum gerade ich und nicht mein Chef. Fuer das Erscheinen in der Liste ist das Entlassungsdatum ausschlaggebend. Jene, die nach Streichung der Sonderverguenstigungen durch den Runden Tisch entlassen worden sind, erscheinen nicht mehr darin. ?Kluge Leute? gaben sich nur eine Nummer. Ich selbst stehe nicht auf der Liste. Nach der letzten Ausgabe ?der anderen? bin ich ein doppelter Verraeter. (Ich beziehe mich auf den Leserbrief in ?der anderen? Nr. 14/91 von Wolfram Giesenstein.) 1986 wurde ich schon einmal so bezeichnet. Damals entliess man mich, weil ich mich mit bestimmten Dingen nicht abfinden konnte. Waehrend meiner Taetigkeit im MfS war ich in mehreren Diensteinheiten taetig. Mein persoenliches Nachdenken begann 1982 als ich einen Kommentar von Robert Havemann hoerte zu einem neu erschienenen Buch. Er sagte: ,Ich moechte mit dazu beitragen, die Gesellschaft zu veraendern, eine bessere Gesellschaft als der Sozialismus heute, besser auch als der Kapitalismus in der BRD.? Es war etwas Neues, was ich von und ueber ihn hoerte. Man sagte uns immer: Jeder muss nur soviel wissen, wie fuer die eigene Arbeit notwendig ist!? - und danach hatte ich Havemann, Bohley, Fischer, Eppelmann und viele andere als Staatsfeinde zu betrachten. Der Grund: sie sind Werkzeuge der anderen Seite und wollen die DDR vernichten. Erst kuerzlich hoerte ich meinen damaligen Chef: ,Wir hatten recht, als wir unsere Mitarbeiter vor diesen Leuten warnten.? Er hatte unrecht, denn wir dienten nur den Privilegien Weniger, nicht dem Volk, wie es der Fahneneid verlangte. Noch heute profitieren einige davon. So wurde zum Beispiel in Gruenheide das Haus Burgwallstrasse 6, frueher Abhoer- und Einsatzzentrale zum operativen Vorgang Havemann dem Major der HA VIII/12 mit Namen Butze ueberschrieben. Er war Leiter der Arbeitsgruppe Auswertung und Information. Er ist nur einer von vielen, die abgesahnt haben. Wichtig ist mir aber die differenzierte Betrachtung aller, die fuer das MfS taetig waren, sofern man es ueberhaupt so sagen kann. Zum Beispiel Soldaten des Wachregiments gelten heute als Stasimitarbeiter (laut Stempel im SV-Buch vom Komitee zur Aufloesung des MfS), obwohl viele von ihnen mit der Verpflichtung zur Sondereinheit der NVA zum Wehrdienst einberufen wurde. Ihnen ging es aehnlich wie vielen Mitarbeitern, denen bekannt war bei ihrer Unterschrift als Berufssoldat, fuer wen sie in Zukunft arbeiten, aber nicht wussten, wo und was sie tun werden. Dies gehoerte zur Parteidisziplin. Unser oberster Dienstherr war die Partei, was sich nicht zuletzt darin ausdrueckte, dass dem Kreissekretaer und uebergeordneten Funktionaeren beim Betreten der Objekte Meldung zu machen war. Von ihnen kamen auch die Einsatzbefehle. Daran koennen sich heute viele nicht mehr erinnern. Ich erlebte es in Dresden, Frankfurt, Potsdam und Berlin. Die Schuldzuweisung allein an das MfS und die Tatsache, dass heute noch viele von ihnen dicke Renten kassieren, war auch Grund fuer den Austritt aus der Partei. Wenn ich eine differenzierte Einschaetzung der IM verlange, dann, weil es davon dreierlei Sorten gab: die sich zur Zusammenarbeit aus politischer Ueberzeugung verpflichteten, jene aus materiellen Vorteilen und jene, die erpresst wurden. Die letzteren wurden zwar nicht besonders geliebt, aber oft am noetigsten gebraucht. Nicht wenige wanderten nach getaner Arbeit hinter Gitter. Aufarbeitung ist notwendig, aber leider sind nur die einfachen Mitarbeiter immer wieder ins Blickfeld. Sie sind oft in den Wohnhaeusern bekannt. Wo bleiben jene, die 3000.- M und mehr kriegten (bei der Rentenberechnung laut Eurer Liste fehlen 137,50 M Verpflegungsgeld, 80,- M Bekleidungsgeld monatlich, dazu 600 - 1000 M fuer verschiedene Diensteinheiten wie HA VIII und HVA fuer operative Bekleidung). Wer kuemmert sich um die Rechtschaffenheit der Wenderegierung? Viele Fragen gilt es noch zu klaeren. Daran habe ich auch ein persoenliches Interesse. Obwohl ich nach meinem Verrat selber die Macht des MfS zu spueren kriegte, bin ich nicht Opfer wie Herr Schnur, sondern Taeter. Herrn Schnur bitte ich um Richtigstellung seiner Stellung im MfS. Er war einer von drei freischaffenden Rechtsanwaelten in der gesamten DDR und das nicht zufaellig. Herr Schnur, Sie haben auch den Tag Ihrer Verpflichtung nicht vergessen. So einen Tag vergisst man nicht! Dies soll nur ein Anfang sein. Fuer viele komme ich von der ANDEREN SEITE. Fuer eine bessere Zukunft IM ?Rose? Dresden, Bautzener Strasse Foto: dpa Splitter, in diesen Tagen von Juergen Fuchs Ein Oberstleutnant einer Bezirksverwaltung des MfS, jetzt Manager in der Dienstleistungsbranche, recht jung, Anzug, antifaschistische Eltern, dynamisch, laechelnd, gespraechsbereit: ?Die Karte ist bald ausgereizt.? * Welche Karte? Welches Spiel? * Eine Lehrerin, die Schwierigkeiten hatte und in der ?Kategorie 4.3.? fuer ?innere Feinde? registriert war: ?Alles muss oeffentlich werden. Aber manchmal habe ich Angst, dass ihr es nicht schafft.? Ihr? Und wir? Ich du er sie es wir ihr sie. * Eine junge Frau, sieben Wochen in Einzelhaft in einer Zelle neben dem Dienstraum der Posten: ?Sie haben immer reingesehen, vor allem abends, wenn ich mich wusch. Zweimal wollte ich Schluss machen.? * Wann? 1985. Wo? In der U-Haftanstalt einer suedlichen Bezirksstadt. * Empoerte neue GEW-Paedagogen: ?Jetzt kommen die Sieger des Kalten Krieges mit ihrem Wahrheitswahn, ihren Adressbuechern und Fragebogen.? * Wer hat gewonnen? Wer verloren? Wer sass in der ersten und letzten Bank? * Die Todesengel geben bekannt, wen sie erschossen haben. Wir wussten es schon aus der Tagesschau. Sie zitieren auch einen Schriftsteller, der etwas gesagt hat ueber die Leere in der westlichen Welt. Na schoen, wir wuessten gern noch was ueber eure devote Art, mit den Spezialisten aus der Normannenstrasse zusammenzuarbeiten, Schiessuebungen, IM-Austausch, Ruhestandsregelung und so weiter. Die RAF hat gemeinsame Sache mit denen gemacht, die uns kaputtspielen wollten. Das war euer Kampf, nicht wahr? Und der geht weiter. * Die Bekanntgabe, einen Menschen erschossen zu haben. Einer muss ja den Text entwerfen, ihn in die Maschine tippen. Und einer muss abdruecken. Und vorher warten, bis im Arbeitszimmer Licht angemacht wird und ein Ruecken zu sehen ist im Zielfernrohr. * Das ist euer Mut. Und die Heimlichkeit, die habt ihr auch von ihnen. Manche haben nicht mal zu Hause gesagt, wo sie arbeiten. ?Beim Rat des Bezirkes?, haben sie gesagt, ?stellvertretender Abteilungsleiter.? Und dann rein in die ?KD?, in die ?BV?, in die ?KW?, die konspirative Wohnung. * Und die Gewalt, das, was im Blick ist. Das habt ihr vielleicht auch von ihnen. Und die Witze. Und die coole Art, in ein Auto zu steigen. Sonntags mit der Familie. Falls ihr euch zeigt und nicht Gott spielt im Lada oder BMW. * Und die Tochter? Und der Sohn? Tueren schlagen? Laute Musik? Unpassende Freunde? Jetzt bei Maaz in Therapie? Oder mit Bomberjacke in Lichtenberg rum und in Kreuzberg Tuerken aufmischen? Oder heldenhaft verfolgt in einem verrammelten Haus? * Angst habt ihr auch, bestimmt. Sonst wuerdet ihr nicht so vielen Angst machen. Sonst waere das Ploetzliche nicht, das Schnelle, das Lauernde, das Sich-Verstellen, das Unterwuerfige auch. Von Opas wie Mielke sich was befehlen lassen. Die Welt einrichten wollen wie eine Kleinbuergerbude, zuerst Schloesser, Karteien, Sicherheitszonen. * Angst hatten wir auch. Begruendete, in den Akten der ?OVs?, der ?Operativen Vorgaenge?, kann man es nachlesen: ?Zurueckdraengungs-/Zersetzungs-Stra-tegien?, die einen sollten kaputtgemacht werden, die anderen erwartete ?Loyalisierung?, ?Staatsbejahung?, wenn es genug ?Aktionen Aerger? gegeben hatte. * Und heute die Drohbriefe. * Marek Edelman, er hatte den Warschauer Ghettoaufstand mitgeleitet: ?Die Nichtachtung des menschlichen Lebens durch die Terroristen ist ein postumer Sieg der Nazis.? * Es gibt nicht nur das physische, es gibt auch psychisches Ermorden. * Manes Sperber, der gegen die Faschisten und die Stalinisten gekaempft hat: ?Nicht aufgeben. Etwas dagegen tun. Es gibt keinen Trost fuer die Opfer. Es gibt nur das produktive Dagegen.? Nicht das Heimliche, sondern das Oeffentliche. Nicht die Diktatur, sondern die Menschenrechte. * Aufatmen kommt erst nach dem Weinen, dem Klagen, dem Trauern, dem Erinnern. Aufatmen, Lachen, das Gift loswerden. Die Luege. * Und bitte kurz nachdenken in der Szene, im ?Casablanca?, im ?Lutherkeller?, in einigen besetzten Haeusern. Wer ein Held ist und wer nicht. Es gibt gewoehnliche Arschloecher, die sich ?Genosse? nennen, ganz besonders sprechen sie das Wort aus. Und es ist ein ?Brauchen? darin, ein Stillgestanden, ein Mitkommen, ein Befehl. * Aber wir treten hoffentlich nie mehr an auf einen Pfiff hin. Rudi Dutschke, der abgehaun ist aus der DDR, weil er nicht in der ?Nationalen Volksarmee? dienen wollte, sagte auch manchmal ?Genosse?. Aber anders. Freundlich. Freiwillig. Liess den anderen leben. Er war fuer ihn kein Mittel, kein Zweck, kein Material, keine Ratte, kein Schwein, das abgestochen oder erschossen werden darf, wenn es ?die Umstaende, die operative Lage erfordern?. * Ihr Lieblingswort: ?operativ?. * Eine IM-Einsatzrichtung in einem grossen Betrieb: ?Operativinstrukteur der Arbeiterjugend?. * Ein ehemaliger Mitarbeiter: ?Wollen Sie etwa neue Nuernberger Prozesse? Hexenjagden? Diskriminierung meiner Kinder im Kindergarten?? Nein. Aber ich will auch nicht eure Arroganz, eure herrischen Fragen, eure Opferrolle. * Nuernberg? Diese Diktatur hat laenger gedauert. Und an der Spitze die ehemaligen Opfer. Was heisst das? Aufpassen, BUeNDNIS 90, nicht zu sehr recht haben, Stasiaufloeser! * Archive? Fabrikhallen! Riesige Hebel, Stahltueren, Karteien, drehbar auf Knopfdruck Und die Akten in deutscher Sprache, Victor Klemperer. * Archipel Stasi. * Ein Fuehrungsoffizier ueber seine IM-Werbungen: ,3s war ein Kampf um die Seele.? * Ein Kind, etwa viei mit Brille und Pudelmuetze in Johanngeorgenstadt, ein Junge, hebt etwas Schnee auf, will noch etwas klettern. Die Mutter, rotes Gesicht, Einkaufstaschen, blaue Haarspangen, herrscht ihn an: ?Andreas, komm jetzt, du hast mich heute schon genug geaergert!? Er nimmt Schnee, wirft ihn auf die Mutter. * Zieht den Kopf ein, schuetzt sein Gesicht mit den Haenden. * Aber wir nicht.;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Beilage 7, Seite 16 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, Beil. S. 16) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, Beilage 7, Seite 16 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991, Beil. S. 16)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 16 vom 17.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 16 1991).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Transporten mit inhaftierten Ausländem aus dem Seite Schlußfolgerungen für eine qualifizierte politisch-operative Sicherung, Kontrolle, Betreuung und den Transporten ausländischer Inhaftierter in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Vertrauliche Verschlußsache Gemeinsame Festlegung der Leitung des der НА und der Abteilung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und der medizinischen Betreuung Verhafteter und Strafgefangener in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Diensteinheit im Interesse der Lösung uer Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine iiohe Ordnung und icherneit in den Untersuchungs-haftanstalten und Bienstobjekten zu gewänrleisten.

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