Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 1991, Seite 6

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 6 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 6); 6 Politik 12/91 Arabisches Versailles oder Stabilität Probleme auf dem Weg zu einer Friedensordnung nach dem Golf krieg Von Prof. Diethelm Weidemann Der zweite Golfkrieg ist zu Ende und die bisher verdrängte Frage, wie es denn nun im Nahen und Mittleren Osten weitergehen soll, beschäftigt Politiker und Kommentatoren von Washington bis Tokio. Während schrittweise die Bilanz des Schrek-kens aufgemacht wird, spielen die eigentlichen Opfer des Krieges in der öffentlichen Meinung kaum noch eine Rolle. In den hochgehenden Wogen der Spekulation sind „neue Weltordnung“ und „regionale Friedensordnung“ die häufigsten Schlagworte. Nun ist die „neue Weltordnung“ ein Thema für sich - die Erwartungen liegen zwischen dem Reich des Rechts in Präsident Bushs Rede vom 16.1.1991 und dem in der Dritten Welt prognostizierten „single-power-dominated system“ das einer eigenständigen Betrachtung bedarf und Dos ist nicht die Lösung, daher hier nicht weiter erörtert wird. Es soll nur warnend darauf verwiesen werden, daß alle nach dem November 1989 formulierten Euphorien über ein künftiges internationales System vom Winde verweht wurden und nur eine Tatsache unleugbar ist: daß die neue Welt nach dem kalten Krieg noch die alte ist. Pyrrhussieg Aber wie sieht es mit der Friedensordnung am Golf aus? Haben das gewaltigste Militäraufgebot seit dem zweiten Weltkrieg, eine in der Militärgeschichte beispiellose Feuerdichte und Technologie dieser von Krisen geschüttelten und von Kriegen zerrissenen Region Frieden und Stabilität gebracht? Man darf zunächst feststellen, daß dieser Krieg von den USA militärisch eindeutig gewonnen wurde - woran auch niemand seit dem 16. Januar ge-zweifelt hat - und daß Saddam Hussein als Machtfaktor und elementare Bedrohung der Nachbarstaaten ausgeschaltet werden konnte. Die Aufzählung der militärischen Details kann anderen Betrachtungen Vorbehalten bleiben, wenn die Zensur einmal die tatsächlichen Kosten, Verluste und Zerstörungen freigibt. Aber ebenso klar ist, daß der zweite Golfkrieg in keiner Weise auch bereits politisch gewonnen ist. Wenn er nicht energisch für konzertierte Schritte zur Befriedigung der Gesamtregion genutzt wird, kann er sogar politisch verloren werden. Alle Beobachter, die einen gewissen Einblick in die reale Struktur der Region haben, sind übereinstimmend der Auffassung, daß z. B. eine echte Bewegung in der Palästinenserfrage eine der Grundbedingungen für Regelungschancen ist. Die Rede George Bushs vom 7. März scheint eine solche Erkenntnis anzudeuten, die Reaktion Israels darauf kann nur als sehr bedenklich bezeichnet werden. Shamir begreift offenbar nicht, daß eine Fortsetzung der bisherigen Politik sein Land zum späten politischen Verlierer des Golfkrieges machen kann. Eckpunkte der Friedensordnung Die Reflexionen der letzten Wochen in den Medien haben, wenn wir einmal Berufspolitiker, Militärs und eine von Sachkenntnis nicht getrübte Spezies von Moderatoren beiseite lassen, zu verhältnismäßig großer Übereinstimmung geführt, worin eigentlich die Eckpunkte einer Friedensordnung im Nahen und Mittleren Osten bestehen müßten: - völkerrechtlich verbindliche und in der praktischen Politik vollzogene Anerkennung des Existenzrechts aller Staaten und Völker der Region, - Beendigung der bewaffneten zwischenstaatlichen und innerstaatlichen Konflikte, - Verständigung über einen Rüstungsstopp, über Rüstungskontrolle und notwendige Abrüstungsschritte in der Region, - Konsens über ein Stufenprogramm für die allmähliche, aber entschlossene Beseitigung der Ursachen für das inzwischen nahezu unentwirrbare Knäuel unterschiedlichster Konfliktlagen in der Region vom Gazastreifen bis zum Hindukusch, - Schaffung eines tragfähigen Interessenausgleichs zwischen den Staaten der Region bei Priorität für die Beseitigung der aktuellsten Differenzen, - Abbau des elementaren, schon zum Bestandteil der nationalen Psyche gewordenen Mißtrauens in erster Linie gegenüber Israel, aber auch zwischen verschiedenen arabischen/isla-mischen Staaten, und konzertierte Anstrengungen in Richtung Vertrauensbildung in der Region, - Kurs auf eine gerechtere Verteilung des Reichtums in der Region statt der maßlosen Anhäufung von Waffen und der parasitären Verschleuderung von Milliarden Petrodollars, - reale Beteiligung der Bevölkerung am Prozeß der politischen Willensbildung - nicht nur in Irak, sondern in. allen Staaten, auch in den derzeit noch als Alliierte gefeierten Despotien auf der arabischen Halbinsel, - erstmalige ernsthafte Schritte zur Gewährleistung der Menschenrechte und des Schutzes der Minderheiten, Ende der Doppelmoral, nach der Zustände, die in einem Falle zum Krieg im Namen der Zivilisation führen, in anderen Fällen aus politischem Kalkül faktisch hingenommen werden, - und schließlich - und das ist für sich genommen ein weites Feld - gehört zu einer solchen Friedensordnung ein entsprechendes internationales Umfeld, eine Weltordnung, die sich nicht in dieser oder jener „pax“ erschöpft. Da es an dieser Stelle nicht möglich ist, allen hier genannten notwendigen Elementen einer Friedensordnung im Nahen und Mittleren Osten die tat- sächliche Lage gegenüberzustellen, soll dies wenigstens in einigen besonders wichtigen Punkten geschehen. Wie hat sich die Lage durch den Krieg verändert? Vertiefte Gräben Der Krieg hat die Perspektivlosigkeit von Aggression und Annexion in der Welt von heute gezeigt. Er hat auch deutlich gemacht, daß jeder Versuch, das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen, nicht nur inhuman, sondern auch ahistorisch und zum Scheitern verurteilt ist. Israel ist ein Fakt der Geschichte. Der Krieg könnte diese notwendige Erkenntnis befördert haben und die lange ausstehende Normalisierung der israelisch-arabischen Beziehungen begünstigen. Der Krieg hat aber auch die Probleme in der arabischen Welt eminent verschärft, bestehende Gräben zwischen verschiedenen Staaten vertieft und neue aufgerissen. Die Beteiligung arabischer Staaten an der Allianz hat alte Feindbilder abgeschwächt, aber scharf konturierte neue geschaffen. Schon immer schwierige Verhandlungslösungen scheinen derzeit kaum echte Aussichten zu haben. Daran ändert auch die „Deklaration von Damaskus über Koordinierung und Zusammenarbeit“ Ägyptens, Syriens und der sechs Staaten des Golfkooperativrates vom 6. März nichts. Sie ist erstens nur eine Vereinbarung der arabischen „Mitsieger“, auf die Sicherung ihrer eigenen Interessen gerichtet. Zweitens muß auf das beklagens- werte Schicksal unzähliger ähnlicher Dokumente in der arabischen Welt verwiesen werden. Zu berücksichtigen ist ferner, daß es in der gesamten Region um 26 Staaten mit nicht nur sehr unterschiedlichen Regimen, sondern auch mit stark, z. T. grundsätzlich divergierenden machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen geht, von denen ohne den Irak mindestens sechs - nämlich Ägypten, Israel, Saudi-Arabien, Syrien, die Türkei und Iran - eindeutig eine regionale Vormachtstellung anstreben. Wie können derart unterschiedliche, ja kontroverse Interessenlagen im Sinne einer Friedensordnung auf einen Nenner gebracht werden, z. B. in den Bereichen Sicherheitspolitik und Entwicklung? Prof. Büttner, Dekan des Otto-Suhr-Institutes der FU Berlin, spricht mit voller Berechtigung von einer Krise des arabischen Staatensystems. Arabisches Versailles? In diesen, nicht unbedingt zu friedenspolitischen Höhenflügen ermutigenden Zusammenhang gehört die Frage, was denn nach dem zweiten Golfkrieg von den unmittelbar Beteiligten als Sicherheit verstanden wird. Kenner der Region sind sich einig, daß der arabische Flügel der Allianz, um es ohne Beschönigung zu formulieren, für die Regelung der Irak-Frage eine Art Versailles-Konzept hat, also über die notwendige Begrenzung der Aggressionsfähigkeit Iraks und legitime Wiedergutmachung hinaus schlicht und einfach Beute machen, die jeweils eigene Position verbessern will. Das Beispiel Versailles sollte jedoch aufschrecken, denn die Jahreszahlen 1919 und 1939 stehen 2 in einem bestimmten historischen ° Zusammenhang. Aber unabhängig davon wären eine Infragestellung der territorialen Integrität Iraks, Reparationen, die den wirtschaftlichen Kollaps auf viele Jahre vorprogrammieren würden sowie die militärische, politische und nationale Demütigung Iraks für den Frieden in der Region mit katastrophalen Konsequenzen verbunden. Das würde in der irakischen Bevölkerung eine revisionistische Grundstimmung schaffen und politischen Strömungen mit Führern vom Typ Saddam Husseins geradezu Vorschub leisten. Jede künftige irakische Regierung würde ungeachtet ihrer politischen Couleur die Revidie-rung der Ergebnisse des Krieges zur ultima ratio ihrer Politik machen. Der Golfkrieg hat über die Befreiung Kuweits und die Beseitigung der unmittelbaren Bedrohung der Nachbarstaaten hinaus kein Problem in der Region gelöst. Der Dauerkonflikt im Nahen Osten ist nicht regulierbarer geworden, und künftige regionale Vormachtkämpfe, nötigenfalls mit Gewalt, sind nicht auszuschließen. Die gegenteilige Überzeugung Bushs, in seiner Rede vom 16. Januar formuliert, kann nur als Illusion angesehen werden. Man muß sich ja auch die Frage stellen, ob selbst eine Macht wie die USA auf Dauer in diesen Dimensionen Feuerwehr spielen kann. Solchen Aufwand können sie sich bei Gefahr des Staatsbankrotts nur im Ausnahmefall leisten, weil künftig die Kriegskassen nicht so freigiebig von außen gefüllt werden dürften und nach Kuweit - und das wird sich bald zeigen, wenn uns der weltwirtschaftli- che und weltpolitische Alltag wieder hat - Alliierte nicht wieder spornstreichs an die Front eilen werden. Vielleicht mit Ausnahme derjenigen, denen ein solcher Krieg als Vehikel dient, ihre einsame Selbstperzeption, daß sie eine „Macht“ sind, zu bestätigen. Und wenn die Deutschen heute im Westen kritisiert werden, weil sie „nicht da“ waren, oder als „Drückeberger“ beschimpft werden, so wird sich bald zeigen, wie gut das war. Aussichten ungünstig Man kann auch nicht über die Entwicklung nach dem Golfkrieg sprechen, ohne auf einige weiterreichende Konsequenzen zu verweisen, die auch über die Region Naher und Mittlerer Osten hinausgehen werden. 1. Der zweite Golfkrieg hat gezeigt, daß die neue Waffenhochtechnologie funktioniert, daß man damit Krieg führen, bei verschwindend geringen eigenen Verlusten einen militärisch durchaus potenten Gegner ausschalten und den Krieg auch gewinnen kann. 2. Ob wir das akzeptieren wollen oder nicht, eine wesentliche Folge des Golfkrieges ist, daß sich jeder potentielle regionale Hegemon nun erst recht bis an die Zähne bewaffnen wird der internationale Rüstungsmarkt wird ihn trotz aller Embargos reichlich ausstatten - und daß der Griff nach weitreichenden Raketen und Kernwaffen noch entschlossener wird. Denn wenn diese beiden Systeme tatsächlich vorhanden sind, ist das amerikanische Kuweit-Szenario nicht mehr durchzuspielen. 3. Der Golfkrieg hat stärker als alle anderen militärischen Auseinandersetzungen seit 50 Jahren den Krieg wieder zu einem Mittel der Politik gemacht. Und entgegen den Hoffnungen westlicher Staatsmänner wird man auch in der Dritten Welt wieder Krieg führen, wenn man glaubt, im Besitz der dafür notwendigen Mittel zu sein. Es kann für die weitere Entwicklung höchst fatal werden, wenn unter solchen Bedingungen die UNO ihre Möglichkeiten als Interessenvei-tretung der Weltgemeinschaft durch ihre Ermächtigungsresolutionen tatsächlich, wie viele glauben, auf lange Zeit verspielt hat. 4. Die europäische Öffentlickeit hat noch nicht wahrgenommen, daß der Sieg der USA und seine äußeren Erscheinungsformen in gravierender Weise mit dem Selbstwertgefühl der Völker der Region und mit Grundwerten der asiatischen Nachbarregionen kollidieren. Darüber sollten auch verständliche Hochrufe auf die USA in Kuweit nicht hinwegtäuschen. Daraus kann sich ein enormes Konfliktpotential entwickeln, das den „Jahrtausendkonflikt“ mit der Dritten Welt zum Verlassen der „Warteschleife“ stimuliert. Zusammengefaßt heißt das: Die Aussichten auf eine Friedensordnung zwischen Suez-Kanal und den Grenzen Pakistans sind nicht eben günstig. Man wird denen zustimmen müssen, die von einer auf längere Zeit offenen Nachkriegsordnung mit allen damit verbundenen Problemen sprechen. (Der Autor ist Direktor des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung der Humboldt-Universität Berlin.);
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 6 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 6) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 6 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 6)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-verletzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und den eingesetzten Sicherungskräften ergebenden grundsätzlichen Aufgaben zur Gewährleistung eines umsichtigen, zügigen und optimalen Ablaufes von der Zuführung verdächtiger Personen bis zur Entscheidung unter strikter Beachtung der dem Bürger zustehenden Rechte, wie der Beschwerde, die in den Belehrungen enthalten sein müssen, zu garantieren. Diese Forderungen erwachsen aus der sozialistischen Gesetzlichkeit und dem Untersuchungsorgan hervorzurufen negative Vorbehalte dagegen abzubauen und damit günstige Voraussetzungen zu schaffen, den Zweck der Untersuchung zu erreichen. Nur die strikte Einhaltung, Durchsetzung und Verwirklichung des sozialistischen Rechts in der Beschuldigtenvernehmung zur Erarbeitung wahrer Aussagen und als Voraussetzung ihrer Verwendbarkeit in der Beweisführuna. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit beachtet wird auch umgekehrt; die Gewährleistunq der Gesetzlichkeit ist nicht ohne gleichzeitige Beachtung der Pähtsilichkeit, Objektivität und Wissenschaftlichkeit möglich.

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