Unrecht als System 1958-1961, Seite 91

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 91 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 91); tage, die die OZ am 20. Dezember veröffentlichte, legten viele Menschen ihren Standpunkt zu Fragen der sozialistischen Rechtsprechung und zu Problemen der Menschlichkeit dar. Die Redaktion dankt den vielen Lesern, die leider nicht alle zu Wort kommen können, für ihre Bemühungen, bei der Klärung solcher wichtigen Probleme mitzuhelfen. Gestern erhielten wir eine Stellungnahme des Rechtsanwaltes, Herrn H. J. Vormelker, der bei diesem Prozeß die Verteidigung des Angeklagten übernommen hatte. Nachstehend veröffentlichen wir seine Stellungnahme im Wortlaut. „Ihre Reportage über die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen K. H. am 4. Dezember 1961 vor dem Kreisgericht Rostock-Stadt sowie die zu dieser Reportage veröffentlichten Leserbriefe veranlassen mich, hierzu wie folgt Stellung zu nehmen: In der Diskussion in der ,Ostsee-Zeitung' hat meine politische Haltung eine Rolle gespielt. Ich möchte dazu erklären, daß ich mich voll und ganz als Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates fühle und aus vollem Herzen am Aufbau des Sozialismus mitarbeite. Ich habe hier in der Deutschen Demokratischen Republik meine Heimat und meine Existenz gefunden; das gilt nicht nur für meine Familie und meinen Beruf, sondern nicht zuletzt für meine politische Auffassung. Ich möchte dazu feststellen, daß die Entwicklung zu dieser Erkenntnis nicht widerspruchslos bei mir vonstatten ging. Ich verhehle auch nicht, daß es heute gerade in meiner Arbeit als Anwalt Probleme gibt, mit denen ich allein nur sehr schwer fertig werde. Diese Diskussion in der ,Ostsee-Zeitung' hat mir dabei geholfen, eine richtige Orientierung zu finden. Ich möchte daher diese Kritik als richtig anerkennen. Im einzelnen möchte ich noch folgendes bemerken: Es ist durchaus richtig, wie auch von verschiedenen Lesern geschrieben worden ist, daß die Stellung des Strafverteidigers in unserer neuen Rechtsordnung nicht nur die Aufgabe mit sich bringt, lediglich für den Angeklagten einzutreten, sondern der Verteidiger hat im Strafprozeß darüber hinaus die wesentlich größere Aufgabe, zusammen mit dem Gericht und der Anklagevertretung an der richtigen und umfassenden Erforschung bzw. Aufklärung des Tatbestandes mitzuwirken. Dabei ist es für alle Prozeßbeteiligten eine selbstverständliche Pflicht, dies im Rahmen der bestehenden Gesetze zu tun. Darüber hinaus soll auch der Verteidiger zusammen mit dem Gericht und dem Staatsanwalt erzieherisch auf den Angeklagten einwirken. Aus der besonderen Stellung, die der Verteidiger zu dem Angeklagten während eines Strafverfahrens hat, ergeben sich vielerlei Probleme für einen Anwalt, die oft nicht nur juristischen Ursprungs, sondern vielfach auch menschlicher Art sind. In dem von Ihnen geschilderten Prozeß waren für den von mir vertretenen Angeklagten eine ganze Reihe von Konflikten gegeben. Es war meine Aufgabe als Verteidiger, zur Straftat des Angeklagten H. in zweierlei Hinsicht Stellung zu nehmen. Ich mußte einmal gegenüber dem Gericht und der Anklagevertretung ebenfalls für die Anwendung des Gesetzes plädieren. Das habe ich getan, indem ich gleichfalls beantragt habe, den Angeklagten wegen eines versuchten Paßvergehens zu bestrafen. Meine andere Aufgabe bestand darin, zu der Höhe des vom Staatsanwalt beantragten Strafmaßes Stellung zu nehmen. Ich habe hierzu zunächst beantragt, den Angeklagten milder zu bestrafen, als es von der Staatsanwaltschaft verlangt worden ist und habe dies unter Hinweis auf die mannigfachen menschlichen Verwicklungen, in die der Angeklagte durch die Tatsache, daß seine ge- schiedene Frau mit den Kindern republikflüchtig geworden war, geraten war, getan. In diesem Zusammenhang ist der von Ihnen kritisierte Satz Es gäbe Momente, wo der Mensch das Bedürfnis habe, nicht nur Staatsbürger, sondern nur Mensch zu sein, gefallen. Die hierzu in der Diskussion geäußerte Kritik ist berechtigt. Sie hat mich auf einen wesentlichen Mangel meines Plädoyers hingewiesen. Es hat dieser Satz leider zu vielen Mißverständnissen Anlaß gegeben, die selbstverständlich dann, wenn ich eindeutiger Steilung genommen hätte, hätten vermieden werden können. Es hätte insbesondere mit mehr Nachdruck darauf hingewiesen werden müssen, daß diese menschlichen Verwicklungen nicht durch die Politik der Deutschen Demokratischen Republik, sondern durch die Politik der NATO und des westdeutschen Militarismus entstanden sind. Ich habe durchaus nicht die Absicht gehabt, die Tat des Angeklagten zu rechtfertigen oder sie zu bagatellisieren. Es lag mir auch völlig fern, mich mit meinen Ausführungen hinter die imperialistische Unmenschlichkeit zu stellen. Ich bedaure, daß mein Plädoyer von verschiedenen Seiten so aufgefaßt worden ist. Vormelker, Rechtsanwalt Nachdem die „Konzeption für die Aufgaben der Rechtsanwaltschaft bei der Durchführung des Siebenjahres-plans“ (Dokument 149 dieser Sammlung) herausgegeben und den Anwälten bekanntgegeben worden war, nahm die Flucht von Rechtsanwälten aus der SBZ erheblich zu. Übereinstimmend geht aus Unterlagen und Berichten dieser Flüchtlinge hervor, daß jede echte Verteidigung in der SBZ systematisch verhindert wird. DOKUMENT 155 Rechtsanwalt N. N. 21. April 1960 An den Herrn Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik Berlin N 4 Scharnhorststraße Betr.: Strafverfahren gegen den Jugendlichen X Ich vertrete den o. a. Jugendlichen im Aufträge seines VatersDer Jugendliche befindet sich seit 16. 1. 1960 in Untersuchungshaft, ohne daß es mir bisher möglich gewesen ist, den Jugendlichen auch nur einmal kurz zu sprechen. Was die lange Untersuchungshaft desselben angeht, so gestatte ich mir auf § 27 JGG zu verweisen. Mir ist die Vorenthaltung einer Sprechgenehmigung nicht ganz erklärlich, nachdem nämlich der gesamte Vorgang bereits in einer öffentlichen Verhandlung vor dem Kreisgericht A. durchverhandelt worden ist. In diesem Verfahren wurde der Vater wegen eines Vergehens nach § 139 b StGB zur Verantwortung gezogen. Das mir vorliegende Urteil, das auf Grund einer öffentlichen Verhandlung ergangen ist, läßt klar erkennen, was man dem Jugendlichen zur Last legt. Unter der Überschrift „Darf das sein?“ wurde in der Betriebszeitschrift des VEB S. bereits am 26. 2. 60, allerdings mit teilweise falscher Darstellung, der den Gegenstand der Untersuchung bildende Sachverhalt zum Teil veröffentlicht. Es ist deshalb nicht verständlich, warum man mir die Sprechgenehmigung versagt, nachdem bereits zumindest die Redakteure der Zeitung und zum anderen die bei dem Kreisgericht A. anwesend gewesenen Zuhörer den Sachverhalt erfahren haben. Auf mich als Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte muß die Versagung der Sprechgenehmigung besonders peinlich wirken, wie auch der Vater des Beschuldigten 8* 91;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 91 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 91) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 91 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 91)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben in Vorbereitung der Werbung als Höhepunkt im Gewinnungsprozeß insbesondere zu sichern, daß die Werbung auf der Grundlage der Strafprozeßordnung, des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die tschekistischen Fähigkeiten der Mitarbeiter und Leiter. In Abhängigkeit vom konkret zu bestimmenden Ziel ist es zeitlich und hinsichtlich des Einsatzes spezifischer Kräfte, Mittel und Methoden zur politisch-operativen Absicherung der Die Festigung des Vertrauensverhältnisses und der Bindung der inoffiziellen Kontajktpersonen an das; Ministerium für Staatssicherheit Einige Probleme der Qualifizierung der Auftragserteilung und Instruierung sowie beim Ansprechen persönlfcHeiÄ Probleme, das Festlegen und Einleiten sich daraus ergebender MaßnälmeS zur weiteren Erziehung. Befähigung und Überprüfung der . Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X