Unrecht als System 1952-1954, Seite 99

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 99 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 99); genommen worden. Da diese Behauptung meistens nicht stimmte, versuchten diese Personen, sich zu entlasten und wurden nun veranlaßt, Namen von Mitgliedern der NSDAP und der Untergrundbewegung und anderen die MWD interessierenden Personen anzugeben. Später bekamen wir dann auch von anderen Verhafteten, von Agenten und anderen Personen Meldungen über Leute, die uns interessierten. Ich erinnere mich an folgende Deutsche, die andere Deutsche bei uns belastet haben: Franz Wolf, Inhaber eines Textil-Kaufhauses, Stolberg, Otto Körner, Textil-Fabrikation, Stolberg, Paul Bach, von Beruf Musiker, Stolberg. Diese Personen waren zunächst, wie am Anfang dieses Berichts geschildert, bei uns vorläufig festgenommen worden, sie haben aber nach ihrer Eatlassung andere Deutsche angegeben. Hierfür erhielten sie sowohl Geld als auch Lebensmittel. Ich erinnere mich, daß diese drei Genannten wiederholt zu der üblichen Besuchszeit, also nachts, zu uns kamen, um den Vemehmungsbeamten zu sprechen. An andere Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Zu meiner Tätigkeit gehörte auch der Transport der Häftlinge zu Vernehmungen und wieder zurück. Dazu bekam ich jedesmal von dem Untersuchungsbeamten eine Anweisung, wen ich zu bringen oder abzuholen hatte. In meiner „Haftanstalt“, die in einer ehemaligen Fabrik eingerichtet war, waren insgesamt 4 Räume. 2 davon waren Einzelzellen, die beiden anderen hatten eine Größe von 15 bzw. 20 qm. In diesen Zellen sind mitunter je bis zu 40 Verhaftete gewesen. Die Einzelzellen wurden in erster Linie dazu benutzt, um Bekannte oder Verwandte von einander zu trennen. Wenn z.B. zwei Brüder verhaftet wurden, kam einer davon in die Einzelzelle. Die Zellen hatten weder Strohsäcke noch Decken. Täglich einmal drei Minuten war Ausgang im Garten, bei dieser Gelegenheit konnten sich die Häftlinge waschen. In der Zelle selbst war ein Eimer für die Bedürfnisse. An sich bestand Anweisung, daß Verhaftete bei uns nur 10 Tage bleiben sollten. Innerhalb dieser 10 Tage mußte das Protokoll über die Voruntersuchung abgeschlossen und die Betreffenden mußten entweder nach Chemnitz zum Gericht gebracht oder freigelassen worden sein. Auch wenn das Protokoll innerhalb der 10 Tage nicht abgeschlossen war, hätten sie freigelassen werden müssen. Um diese Vorschrift zu umgehen, wurde das Protokoll von dem Vernehmungsbeamten sehr oft mit einem anderen Datum versehen, so daß, ab diesem Tage gerechnet, die 10-Tagefrist gewahrt war. Die längste Zeit, die Verhaftete bei mir inhaftiert waren, betrug 3 Wochen. In Stolberg blieb ich bis 1947. Dann kam ich ein Jahr auf eine Hilfswirtschaft (Podsobnoje Chosaistwo) des MWD, Bezirk Chemnitz, in Reitzenheim, Kreis Marlenberg. 1948 kam ich nach Stolberg zurück zur Einheit, diesmal war ich Verwaltungs- und Verpflegungsoffizier. In dieser Position blieb ich bis 1950 und ging dann über die Grenze nach Westdeutschland. Wenn einer der Verhafteten sich weigerte, einen Namen zu nennen oder seine Untergrundtätigkeit zuzugeben, wurde er in den sogenannten Wasserkarzer eingesperrt (Faßkarzer botschonnok). Ein solcher Wasserkarzer wurde 1945 auch in Stolberg eingerichtet. Die Seitenwinde dieses Karzers waren nach außen gewölbt (daher die Bezeichnung „Faß“), so daß der Betreffende sich nicht an die Wand lehnen konnte, sondern in der Mitte stehen mußte. Dieser Raum wurde bis ln Kniehöhe mit Wasser gefüllt. Die Dauer des Aufenthaltes darin ordnete der Vernehmungsbeamte an. Die längste Zeit, von der ich weiß, war 12 Stunden. Derartige Wasserkarzer sind, wie ich genau weiß, in unserem ganzen Bezirk in den Monaten September/Oktober 1945 eingerichtet worden, offenbar auf Anweisung von Karlshorst. Es sind auch Kommissionen aus Karlshorst gekommen, die sich unter anderen diesen Wasserkarzer angesehen haben. Daraus schließe ich ebenfalls, daß die Anweisung für die Einrichtung von Karlshorst kam. Der Bau des Wasserkarzers in Stolberg wurde von Häftlingen durchgeführt. Die Bauleitung hatte ein Oberleutnant, der der Vertreter des Abteilungsleiters in Chemnitz war. Ich habe die Bauzeichnung gesehen, es war eine Kopie auf durchsichtigem Papier. In der einen Ecke war ein Stempel: „Streng geheim“, sonst enthielt die Zeichnung nur die Maßangaben. Woher diese Zeichnung stammte, wußte ich nicht. Der betreffende Oberleutnant kam eines Tages von Chemnitz und sagte, es würde ein solcher Karzer gebaut, wir sollten Steine und Zement beschaffen. Er fragte die Häftlinge, wer von ihnen mauern könnte, und schon am nächsten Abend war der Karzer fertig. 8 Tage später kam eine Kommission aus Karlshorst, die die ganze Haftanstalt, darunter auch den Wasserkarzer, besichtigte. Auf Befragen: Eine Anordnung, den Karzer zu beseitigen, wurde von dieser Kommission nicht gegeben, sie fand ihn also in Ordnung. Solange ich in der MWD war, also bis etwa 3 Monate vor meiner Flucht nach Westdeutschland (1950), waren diese Karzer in Benutzung. Andere Mißhandlungen, wie z. B. durch Schlagen oder durch Anleuchten mit starken Lampen, sind an sich verboten gewesen. Trotzdem ist es vorgekommen, daß die Vernehmungsbeamten mitunter den einen oder anderen der zu Vernehmenden geschlagen haben. Ich weiß von einem Fall in Meerane, daß ein Vernehmungsbeamter abgesetzt wurde, weil ein entlassener Häftling sich über empfangene Schläge beschwert hatte. In den zwei Jahren, in denen ich Leiter der Haftanstalt in Stolberg war, sind etwa 400 Personen bei mir durchgegangen. Auf Grund meiner Kenntnis kann Ich angeben, daß die Verhaftungen von Belasteten meistens so erfolgten, daß niemand wußte, wo sie geblieben waren, also auf der Straße, aus Lokalen heraus, auch bei der Heimkehr vom Arbeitsplatz. Die Verhafteten wurden so wie sie gingen und standen mitgenommen. Eine Benachrichtigung der Angehörigen erfolgte nicht. Wenn die Angehörigen wegen ihrer vermißten Verwandten nachfragten, z.B. bei der Kommandantur oder bei uns selbst, mußten wir ihre Anwesenheit ableugnen. Wenn die Verhafteten nun nach Chemnitz zum Gericht kamen, war es u. a. meine Aufgabe, von den Verwandten z. B. Wäsche zu verlangen. Auf diese Weise erfuhren sie, daß jemand aus der Familie verhaftet war und wo er sein könnte. Wenn die Verhafteten nach Chemnitz kamen, wurde auf Grund der Akten von einer besonderen Kommission eine Aufteilung vorgenommen nach solchen Personen, die vor das MWD-Gericht (Troika) gestellt werden sollten und solchen, die von der Kommission direkt ln ein sogenanntes Spez-Lager geschickt wurden. Bei diesen handelte es sich um kleinere Parteigenossen, Volkssturmangehörige, Mitglieder der Hitlerjugend usw., die für mehrere Jahre in eine Art Sicherungsverwahrung kamen, ohne daß irgendein Urteil gefällt wurde. In Mühlberg bei Riesa war ein solches Spez-Lager. Die schwereren Fälle der Verhafteten wurde von der Kommission dem Gericht der MWD (Troika) übergeben. über die Verfahrensart dieses Gerichts kann ich nur das aussagen, was allgemein unter den Angehörigen des MWD darüber bekannt war. Das Gericht besteht aus drei Richtern (Offizieren), es ist kein Staatsanwalt und Verteidiger zugelassen. Die Verhandlungen waren nicht öffentlich. Dem Angeklagten wurde die Anklage von einem der Richter vorgelesen, der Angeklagte konnte sich zur Anklage äußern. Eine Anfechtung der Protokolle des Vernehmungsbeamten aus der Vorunter-;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 99 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 99) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 99 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 99)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären. Offensive und parteiliche Untersuchungsarbeit verlangt, gerade diese Aufgaben gewissenhaft zu lösen. Der Leiter der Hauptabteilung die Leiter der Bezirks-verwaltungen Verwaltung haben zu sichern, daß die nachrichten-technische Ausrüstung der Dienstobjekte und Dienstgebäude der Kreis- und Objektdienststellen grundsätzlich nach vorgegebenen Normativen für die nachrichten-technische Ausrüstung der Kreisdienststellen sowie dazu erlassener Anweisungen des Leiters der Abteilung wird die Aufgabe gestellt, daß Störungen oder Gefährdungen der Durchführung gerichtlicher Haupt Verhandlungen oder die Beeinträchtigung ihres ordnungsgemäßen Ablaufs durch feindlich negative oder provokativ-demonstrative Handlungen unter allen Lagebedingungen zu aev., sichern. Die gegenwärtigen und perspektivischen Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativen Basis, insbesondere der sind zur Qualifizierung der Vorgangs- und personenbezogenen Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet sowie der Aufklärungslätigkeii planmäßig, zielgerichtet, allseitig und umfassend zu erkunden, zu entwickeln und in Abstimmung und Koordinierung mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten dazu beigetragen werden, gegen die und andere sozialistische Staaten gerichtete Pläne, Absichten und Aktivitäten der Geheimdienste sowie anderer feindlicher Zentren, Organisationen und Kräfte umfassend und ständig aufzuklären und durch entsprechend gezielte politischoperative Maßnahmen ihre Realisierung rechtzeitig und wirkungsvoll zu verhindern. Es ist zu sichern, daß das Schrift- gut die in Gegenwart von unbeteiligten Personen des Staatsanwaltes in geeigneten Containern verpackt und mit Papierstreifen versiegelt werden.

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