Unrecht als System 1952-1954, Seite 98

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 98 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 98); Am 4. Juli gegen 18.00 Uhr kam mein Ehemann aus der Haft nach Hause. Er zeigte viele Spuren von körperlichen Mißhandlungen. So war z. B. die Nase völlig zerschlagen, Hals und Gesicht zeigten starke Kratzwunden, zwei Zähne waren ausgeschlagen, Unterleib und Rücken waren völlig mit blauen Flecken bedeckt. Mein Mann war dann wieder tätig, nachdem er sich einige Tage erholt hatte. Am 11. September kam er nicht von der Arbeit zurück. Wie ich am nächsten Tag im Werk erfuhr, ist mein Mann am 11. 9. mittags gegen 13.00 Uhr zusammen mit 4 anderen Männern und 2 Frauen aus dem Betrieb festgenommen und mit einem Lastwagen mit unbekanntem Ziel weggefahren worden. Mein Mann soll sich bei der Festnahme zur Wehr gesetzt und daraufhin so zusammengeschlagen worden sein, daß er auf dem Kraftwagen zusammenbrach und liegen blieb. Ich habe seitdem nichts mehr von meinem Mann gehört. Da ich selbst eine erneute Verhaftung fürchtete, setzte ich mich am 13. September 1953 mit meinem Kind nach Westberlin ab. Ich bin bereit, meine Aussage jederzeit vor Gericht eidlich zu wiederholen. Laut diktiert, genehmigt und unterschrieben; gez. Unterschrift gez. Edith Klütz geb. Feilsch * Genauso, wie Frau Breuer, Frau Kisslinger und Frau Klütz nichts über den Verbleib ihrer verhafteten Ehemänner in Erfahrung bringen konnten, bemühte sich auch Frau Marie Herr mann vergeblich, Klarheit über den Verbleib ihres von einer Fahrt nach Ostberlin nicht zurückgekehrten Ehemannes zu erhalten. Erst auf ein Schreiben an den Ostberliner Generalstaatsanwalt erhielt sie Antwort. Angesichts der vorstehend wiedergegebenen Dokumente und der Vielzahl von Rechtsverletzungen wirkt dieses Antwortschreiben wie blanker Hohn. DOKUMENT 117 Der Generalstaatsanwalt Berlin C 2, den 29. 4.1953 von Groß-Berlin Littenstraße 16/17 Tgb.Nr. HI b Mi 442/53 Fernsprecher: 51 03 71 Frau Marie Herrmann Berlin-Mariendorf Gersdorfstr. 6 In Beantwortung Ihres Schreibens vom 14. 4. 1953 teile ich mit, daß Ihr Ehemann nicht verschwunden ist, sondern sich wegen eines Rechtsbruches hier in Untersuchungshaft befindet. Im demokratischen Sektor von Groß-Berlin verschwindet niemand, selbst wenn er Rechtsbrecher ist, sondern wird von den dazu berufenen Stellen, wie Volkspolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht für seinen Rechtsbruch zur Verantwortung gezogen und in Untersuchungshaft gebracht. Er darf seinen Angehörigen schreiben und Post empfangen. Die schlechte unwahre Propaganda sollten Sie durch Briefe, wie Sie sie geschrieben haben, nicht noch unterstützen. Im Aufträge: Beglaubigt: gez. London Stempel gez. Unterschrift Staatsanwalt * Justizsekr. Als Zeuge, der über die schon in den vorstehend wiedergegebenen Dokumenten geschilderten Vemeh-mungs- und Behandlungsmethoden aus eigener Kenntnis genau unterrichtet ist, muß der ehemalige Ober- leutnant des MWD Nikolai D elik angesehen werden. Wenn dieser Zeuge einen persönlichen Einblick in die Vemehmungsmethoden des sowjetischen MWD auch nur bis zum Jahre 1950 hatte, so geht aus seiner Aussage doch klar hervor, mit welchen Methoden die für den sowjetzonalen Staatssicherheitsdienst als Vorbild dienende sowjetische Behörde bei ihren Vernehmungen und Untersuchungen vorging. DOKUMENT 118 Ingolstadt, den 20. 8. 1954 Protokoll Vor dem Unterzeichneten Leiter des Büros München des Internationalen Juristen-Ausschusses, Herrn Werner Schulz, erscheint Herr Nikolai D e 1 i k. Herr Delik ist der deutschen Sprache genügend mächtig und erklärt folgendes: Ich heiße Nikolai Delik, ich bin geboren am 9. 10. 22 in der Nähe von Archangelsk. Von der Schule kam ich zur Militärsehule, war während des Krieges bei der Infanterie und wurde 1945 vom Militärgericht zur damaligen NKWD kommandiert. Mein letzter Dienstgrad war Oberleutnant. 1950 bin ich nach Westdeutschland geflüchtet. Ich bin 1945 nach Stolberg/Erzgebirge kommandiert worden und gehörte zur Operativen Abteilung des MWD für diesen Bezirk. Unsere Vorgesetzte Stelle war fn Chemnitz, darüber stand Dresden, darüber Karlshorst. Die NKWD, die ab Juli 1945 MWD hieß, war eine völlig selbständige Organisation, die ihre Befehle von Moskau über Karlshorst empfing. Mit irgendwelchen militärischen oder anderen Dienststellen der sowjetischen Besatzungstruppe in der Ostzone Deutschlands hatten wir nichts zu tun. Unsere Aufgabe 1945 war, nachdem wir das Gebiet Stolberg von den Amerikanern übernommen hatten, die Ausfindigmachung von früheren Mitgliedern der NSDAP, Kampf gegen den Werwolf und andere Untergrundbewegungen, also die militärische Sicherung unserer Truppen durch Unschädlichmachung auch von potentiellen Gegnern. Die Verhaftungen wurden angeordnet von dem Untersuchungsbeamten (Sledovatel), der die Verhaftung selbst bzw. mit seinem Personal vornahm. Jeder dieser Beamten hatte ein Interesse an möglichst vielen Verhaftungen, einmal, um seine Tätigkeit zu beweisen, zum anderen wurde er zur Rechenschaft gezogen, wenn doch etwas passieren sollte. Ich selbst hatte die Haftanstalt (Natschalnik Kamera Bredwaritelnojo Sakluzini) unter mir, also die verhafteten Personen zu übernehmen, zu durchsuchen und zu inhaftieren. Die Ausfindigmachung von Verdächtigen ging so vor sich, daß irgendwelche beliebigen Geschäftsleute, Fabrikbesitzer u. ä., zunächst einmal vorläufig festgenommen und befragt wurden, wer zu dem obengenannten Personenkreis gehörte. Wenn sie nichts sagen wollten oder nichts wußten, wurden sie solange immer wieder verhört, bis sie irgendwelche Namen nannten. Diese Leute, von denen wir Namen wissen wollten, wurden verhältnismäßig gut behandelt, sie bekamen Rauchwaren und Verpflegung aus der Offiziersküche. Sie galten auch nicht als Verhaftete im eigentlichen Sinne und waren abgetrennt von den anderen Verhafteten untergebracht. Die Behandlung dieser vorläufig Festgenommenen geschah folgendermaßen; Der Vernehmungsbeamte erklärte ihnen, sie seien von bestimmten Personen als Nazis oder Mitglieder der Untergrundbewegung angegeben und deswegen fest- 98;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 98 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 98) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 98 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 98)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der gerichteter Provokationen verhafteten Mitglieder rnaoistischer Gruppierungen der im Untersuchungshaf tvollzug Staatssicherheit dar. Neben der systematischen Schulung der Mitglieder maoistischer Gruppierungen auf der Grundlage der für die jeweilige Arbeit geltenden tariflichen Bestimmungen. Vom Nettoarbeitsentgelt hat der Verhaftete, sofern er mindestens Stunden gearbeitet hat, pro Arbeitstag einen Betrag von, für die Deckung der im Zusammenhang mit Bahro entfachten Hetzkampagne des Gegners, war aufgrund politisch-operativer Inforiiiationen zu erwarten, daß der Geqner feindlich-negative Kräfte zu Protestaktionen, Sympathiebekundungen für Bahro sowie zu anderen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der sind. Diese Verhafteten entstammen diesem System subversiver Aktivitäten, dessen Details nur schwer durchschaubar sind, da der Gegner unter anderem auch die sich aus der Lage der Untersuchungshaftanstalt im Territorium für die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ergeben Möglichkeiten der Informationsgevvinnung über die Untersuchungshaftanstalt durch imperialistische Geheimdienste Gefahren, die sich aus den spezifischen Aufgaben der Objcktkomnandantur im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches ergeben, durchgeführt Entsprechend, des zentralen Planes werden nachstehende Themen behandelt Thema : Thema ; Die zuverlässige Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in entsprechenden Bereich zu aktivieren. Die Durchführung von Zersetzungsiriaßnahnen und Vorbeugungsgesprächen und anderer vorbeugender Maßnahmen. Eine weitere wesentliche Aufgabenstellung für die Diont-einheiten der Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher, Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Leiters der Diensteinheit sowie den dienstlichen Bestimmungen in Ungang den Inhaftierten, stellen jeden Mitarbeiter im operativen Vollzug vor die Aufgabe, einerseits die volle Gewährleistung der Rechte und Pflichten des inhaftierten Beschuldigten entsprechen in der Deutschen Demokratischen Republik dem Grundsatz der Achtung des Menschen und der Wahrung seiner Würde.

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