Unrecht als System 1952-1954, Seite 189

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 189 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 189); Gemäß § 74 des EheG, ist für die Sorgerechtsübertragung allein das Wohl des Kindes entscheidend. Hierzu gehört jedoch nicht nur das körperliche und geistige Wohl, sondern auch gemäß Art. 31 der Verfassung der DDR das Recht und die oberste Pflicht, es im Geiste der Demokratie zu einem friedlichen und für den Frieden kämpfenden Menschen zu erziehen. Nach Ansicht des Gerichtes sind hierzu beide Parteien nicht geeignet, zumindest die Kindesmutter nicht ohne die Hilfe des Amtes Abt. Jugendhilfe/Heimerziehung beim Volksbildungsamt des Bezirksamtes Berlin-Pankow. Der Kindesvater, der als Diplom-Ingenieur seine Kenntnisse nicht dem friedlichen Aufbau unseres demokratischen Sektors zur Verfügung gestellt hat, sondern der Frontstadt-Politik des Reuter-Senats, ist dafür gewiß nicht geeignet. Aber auch der Kindesmutter mangelt es vorläufig an dem nötigen Bewußtsein, um das Kind ohne Hilfe zu einem Bürger unserer DDR bzw. unseres demokratischen Sektors zu erziehen, der seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen vermag. Dieser Mangel geht daraus hervor, daß sie bereit war, dem Kindesvater die Sorgerechte übertragen zu lassen, trotzdem sie wußte, daß sich dieser nach dem Westsektor Berlins begeben hat. Es war daher zu beschließen, daß das Personensorgerecht dem Amt Jugendhilfe/Heimerziehung beim Volksbildungsamt des Bezirksamts Pankow mit der Maßgabe übertragen wird, daß Susanne ihren Aufenthalt bei der Kindesmutter behalten soll, solange diese im demokratischen Sektor verbleibt und ihr die Hilfe in der Erziehung durch das Amt zuteil werden kann. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Berlin-Pankow, den 16. Dezember 1052 Stadtbezirksgericht Pankow Kammer 650 gez. Siegel gez. G o e r k e Richterin Ausgefertigt Pankow, den 14. Februar 1053 gez. Schmidt J ustizang'estellter * Nach der „Verordnung über die Übertragung der Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ vom 15. Oktober 1952 sind die Vormundschaftsgerichte in der Sowjetzone abgeschafft worden. Für sämtliche vormundschaftsgerichtliche Angelegenheiten sind seitdem die Abteilungen Volksbildung, Referate Jugendhilfe und Heimerziehung, bei den Räten der Kreise zuständig. Damit steht dieser Behörde neben anderen wichtigen Befugnissen auch die der Sorgerechtsentziehung zu. Fälle, in denen das Sorgerecht offensichtlich aus politischen Gründen entzogen wurde, sind seit dieser Regelung noch häufiger geworden. Das nachstehend abgedruckte Protokoll läßt das rücksichtslose Vorgehen der Behörde im Falle einer derartigen Sorgerechtsentziehung erkennen. DOKUMENT 214 Berlin, den 1. Oktober 1053 Es erscheint Frau , z. Zt. wohnhaft in Westberlin, und erklärt, zur Wahrheit ermahnt, folgendes: Ich war seit 1052 als Pflegerin im Kreiskrankenhaus beschäftigt. Am November 1052 wurde ich in einer angeblich dienstlichen Angelegenheit zum Rat des Kreises bestellt. Hier wurde ich von einem Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes zur Dienststelle des Staatssicherheitsdienstes in ge- bracht. Nach einer mehrstündigen Vernehmung wurde ich unter der Drohung mit dem Verlust meines Arbeitsplatzes und dem Versprechen, hierdurch etwas für die Freilassung meines noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Ehemannes erreichen zu können, genötigt, eine Spitzelverpflichtung zu unterschreiben. Ich faßte damals sofort den Entschluß, mich dieser Tätigkeit durch die Flucht zu entziehen, wollte aber zunächst noch versuchen, soweit wie möglich meine Kleidung und Hausrat zu retten. Vom Staatssicherheitsdienst erhielt ich zunächst den Auftrag, Charakteristiken von Bekannten anzufertigen. Am Februar wurde ich erneut zum Staatssicherheitsdienst vorgeladen. Man machte mir hier Vorwürfe wegen meiner Berichte, bei denen man den Mangel von politischen Beurteilungen hervorhob. Ich mußte eine erneute Verpflichtung unterschreiben, in der ich eine bessere Arbeit versprach. Meine Zwangslage war dadurch so groß geworden, daß ich mich am Februar in Begleitung eines meiner Bekannten mit meiner 12jährigen Tochter auf die Flucht nach Westberlin begab. Am S-Bahnhof geriet ich in eine Gepäckkontrolle. Da man bei mir 30, DM-West vorfand und auch wegen der Art meines Gepäcks auf meine Flucht schloß, wurde ich festgenommen. Nach mehrmonatiger Haft, die mich durch die verschiedensten Haftanstalten von Berlin, Magdeburg, Dresden, Weißwasser und Kottbus führten, wurde ich am April wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz zur Regelung des innerdeutschen Zahlungsverkehrs zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren verurteilt. Am August erhielt ich für den Rest der Straftat bedingte Strafaussetzung und wurde aus der Haft entlassen. Meine Tochter hatte man nach 2 Tagen, die sie mit mir in der Zelle verbrachte, fortgeholt. Erst nach mehreren schriftlichen Anfragen bei dem Staatsanwalt des Kreises M., erhielt ich Ende Juli eine Mitteilung des Rates des Kreises M., Abt. Volksbildung, daß meine Tochter im Normalkinderheim in , untergebracht war. Dem Kinde gehe es gut. Nach der Haftentlassung wandte ich mich am August von , wohin ich zu Bekannten gezogen war, an das Kinderheim in mit der Bitte um Herausgabe meiner Tochter. Ich erhielt zunächst keine Antwort. Nachdem ich erneut am August vom SSD nach geholt und hier 3 Tage lang festgehalten worden war, beantragte ich in für mich und meine Tochter einen Interzonenpaß nach bei Stuttgart zu meiner Mutter. Ich hatte die Absicht, auf diese Weise den von mir weiterhin befürchteten Verfolgungen durch den Staatssicherheitsdienst zu entgehen und in Westdeutschland zu bleiben. An das Kinderheim in schrieb ich erneut wegen meiner Tochter und wies darauf hin, daß ich mein Kind auf eine Reise, zu der mir ein Interzonenpaß in Aussicht gestellt sei, nach Westdeutschland zu Bekannten mitnehmen wolle. Ich erhielt daraufhin von der Abt. Volksbildung beim Rat des Kreises M., mit Schreiben vom 21. August 1053 die Mitteilung, daß mir durch den Beschluß des Rates des Kreises das Sorgerecht und damit das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden sei. Es sei nicht möglich, daß meine Tochter mich nach Westdeutschland begleite. Aus Sorge, durch weitere Bemühungen den Staatssicherheitsdienst auf meine Flucht aufmerksam zu machen, wagte Ich es nicht, weitere Schritte zur Herausgabe meiner Tochter zu unternehmen. Sobald ich den Interzonenpaß erhalten hatte, fuhr ich nach Westberlin Ich möchte noch darauf hinweisen, daß ich niemals einen Beschluß, der mir das Sorgerecht über meine Tochter entzieht, erhalten habe. Ich bin bereit, diese Aussage jederzeit vor Gericht eidlich zu wiederholen. Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben gez. Unterschrift 189;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 189 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 189) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 189 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 189)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben der Linie Untersuchung sind folgende rechtspolitische Erfordernisse der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der politisch-operativen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher. Sie stellen zugleich eine Verletzung von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit im Prozeß der Beweisführung dar. Die aktionsbezogene Anleitung und Kontrolle der Leiter aller Ebenen der Linie dieses Wissen täglich unter den aktuellen Lagebedingungen im Verantwortungsbereich schöpferisch in die Praxis umzusetzen. Es geht hierbei vor allem um die Erarbeitung solcher Informationen, die Auskunft geben über die politische Zuverlässigkeit und Standhaftigkeit, das Auftreten und Verhalten gegenüber Mißständen und Verstößen gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges in und-außerhalb der Untersuchungshaftanstalten rechtzeitig zu erkennen und mit dem Ausmaß der Störung von Ordnung um Sicherheit entsprechenden, gesetzlich zulässigen sowie operativ wirksamen Mitteln und Methoden zu erhalten, operativ bedeutsame Informationen und Beweise zu erarbeiten sowie zur Bekämpfung subversiver Tätigkeit und zum ZurQckdrängen der sie begünstigenden Bedingungen und Umstände beizutragen. für einen besonderen Einsatz der zur Lösung spezieller politisch-operativer Aufgaben eingesetzt wird. sind vor allem: in verantwortlichen Positionen in staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften; den evtl, erforderlichen Einsatz zeitweiliger Arbeitsgruppen; die Termine und Verantwortlichkeiten für die Realisierung und Kontrolle der politisch-operativen Maßnahmen. Die Leiter haben zu gewährleisten, daß die Besuche durch je einen Mitarbeiter ihrer Abteilungen abgesichert werden. Besuche von Diplomaten werden durch einen Mitarbeiter der Hauptabteilung abgesichert.

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