Unrecht als System 1952-1954, Seite 131

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 131 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 131); sich frühzeitig in seine Wohnung. Am Morgen des 16. 6. erschienen alle Angeklagten auf ihren Baustellen. Einzelne Brigaden nahmen die Arbeit sofort auf, während der überwiegende TeU nicht arbeitete. Auf Block 40 haben drei Brigaden und die Lehrlinge ständig gearbeitet. In den frühen Morgenstunden tauchte auf Block 40 das Gerücht auf, daß die Baustelle Friedrichshain von der Volkspolizei eingeschlossen ist. Es formierte sich ein Demonstrationszug, welcher sich zur Baustelle Friedrichshadn begab. Diesem Zug schloß sich auch der Angeklagte Stanicke an. Ein Teil der Bauarbeiter der Baustelle Friedrichshain schloß sich ebenfalls dem Zug an, der dann über den Strausberger Platz zum Alexanderplatz, zur Leipziger Straße zum Haus der Ministerien führte. Der Angeklagte Stanicke zog ebenfalls mit. In diesem Demonstrationszug wurden bereits provokatorische und faschistische Losungen gerufen. In der Zwischenzeit wurde auf den Baustellen den dort gebliebenen Bauarbeitern bekannt, daß die Normenerhöhung zurückgenommen ist. Der Angeklagte Lembke, der ebenfalls von der Demonstration erfahren hatte, begab sich zum Strausberger Platz, um dort den Zug zu erreichen. Da der Demonstrationszug dort nicht mehr anzutreffen war, ging er zum Alexanderplatz, und als er diesen auch dort nicht antraf, begab er sich zurück zur Baustelle und verließ diese um 16.00 Uhr. Der Angeklagte Foth und Fettling verblieben auf der Baustelle. Der Angeklagte Stanicke begab sich nach Abschluß des Demonstrationszuges zur Baustelle und anschließend gegen 15.00 Uhr in seine Wohnung. Der Angeklagte Stanicke, der ein eifriger RIAS-Hörer ist, erhielt auch durch den RIAS am 16. abends Kenntnis von dem Aufruf der westlichen Kriegstreiber am 17.6. morgens, 7.00 Uhr, in den Generalstreik zu treten, und sich alle Arbeiter am Strausberger Platz treffen sollen. Der Angeklagte Lembke ist seit 1947 mit dem ehemaligen Kreissekretär der SPD des Kreises Pankow, Walter Rox, bekannt. Rox wohnt seit 1949 in Westberlin, ist Mitarbeiter der Landesleitung der SPD in der Ziethenstraße und des Ostbüros des DGB. Lembke hat Rox des öfteren in seiner Westberliner Wohnung aufgesucht. So u. a. Mitte 1952, als er von der Staatsanwaltschaft Friedrichshain eine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung erhielt. Da Rox dem Angeklagten nicht die nötige Auskunft über den eventuellen Verlauf des Strafverfahrens geben konnte, verwies Rox nach einem Telefongespräch den Angeklagten Lembke an die Spionageorganisation den sogenannten Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen. An einem der nächsten Tage begab sich der Angeklagte während der Arbeitszeit zu dem sogenannten Untersuchungsausschuß, trug hier sein Anliegen vor und erhielt die Auskunft, daß er höchstens mit einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten zu rechnen habe. Der Angeklagte wurde in dem benannten Strafverfahren freigesprochen. Am 16. 6.1953 abends gegen 21.30 Uhr begab er sich mit seiner Ehefrau nach Westberlin in die Wohnung des Rox. Da Rox nicht anwesend war, las er eine westberliner Zeitung sowie einen Kriminalschmöker und schlief zum Teil in einem Sessel, während sich seine Ehefrau mit der Ehefrau des Rox unterhielt. Gegen nachts 0.30 Uhr erschien Rox. Beide unterhielten sich über die provokatorische Arbeitsniederlegung im demokratischen Sektor und nach einem Telefonanruf an Rox, erklärte Rox dem Angeklagten, daß am 17.6.1953 um 7.00 Uhr im demokratischen Sektor von Berlin der Generalstreik ausgerufen ist. Nach dieser Mitteilung begab sich der Angeklagte mit seiner Ehefrau in den demokratischen Sektor in seine Wohnung zurück. Am 17. 6.1953 begab sich der Angeklagte Lembke zu seiner Baustelle, ohne jedoch die Arbeit aufzunehmen. Gegen 9.15 Uhr verließ er seine Baustelle, begab sich in seine Wohnung und gegen 11.00 Uhr wieder zu seiner Baustelle. Da nur wenige Bauarbeiter auf der Baustelle anwesend waren, begab er sich zum Alexanderplatz, wo er einige Kollegen traf, mit denen er dann über den Marx-Engels-Platz in die Leipziger Straße zum Haus der Ministerien ging. Nachdem er sich vor dem „Haus der Ministerien“ eine zeitlang aufgehalten hatte und dort in Diskussionen die Meinung vertreten hat, daß an den Provokationen nur der FDGB und die einzelnen Betriebsleitungen schuld waren, begab er sich wieder in seine Wohnung. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden drei von einer amerikanischen Dienststelle herausgegebene Hetzschriften mit dem Titel „Ostprobleme“ gefunden. Der Angeklagte Stanicke begab sich am Morgen des 17. 6. 1953 ebenfalls zu seiner Baustelle und anschließend zum Strausberger Platz. Von dort aus begab er sich mit seinem Brigadier und einem anderen zum Alexanderplatz, zur Leipziger Straße. Nachdem er sich dort eine zeitlang aufgehalten hatte, begab er sich wieder zu seiner Baustelle und gegen 12.00 Uhr in seine Wohnung. Am 18.6.1953 war er ebenfalls auf seiner Baustelle erschienen, ohne jedoch die Arbeit wiederaufzunehmen. Um 15.00 Uhr verließ er die Baustelle und hielt sich in einer Gaststätte auf. Die Arbeit nahm der Angeklagte erst am 20. 6.1953 wieder voll auf. Der Angeklagte steht seit 1947 mit dem in Westberlin befindlichen sogenannten Bund der Heimatvertriebenen in Verbindung und hat bis 1953 regelmäßig vierteljährlich die in Westberlin abgehaltenen Versammlungen besucht. In diesen Versammlungen wurde vornehmlich gegen die Oder-Neiße-Friedens-grenze und gegen die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und gegen Volkspolen gehetzt. In der genannten Zeit kaufte er etwa 5 bis 8 Zeitschriften dieser Organisation auf und übergab sie, nachdem er sie selbst gelesen hatte, seiner Mutter. Die Zeitschriften beinhalteten vornehmlich Hetzartikel gegen die Volksdemokratie Polen. Die von dem Angeklagten Fettling abgeänderte Resolution, in der ultimative Forderungen an den Ministerpräsidenten gestellt waren, wurde von einer Bauarbeiterdelegation, unter der sich auch der Angeklagte Fettling befand, am 15.6.1953 zum Sekretariat des Ministerpräsidenten gebracht. Die Angeklagten Fettling und Foth verblieben am 16. und 17.6.1953 auf ihrer Baustelle, ohne jedoch die Arbeit aufzunehmen. Dieser Sachverhalt steht auf Grund der Einlassungen der Angeklagten, der glaubhaften Zeugenaussagen und der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Vernehmungsprotokolle und des Beweismaterials fest. Die Einlassungen der Angeklagten, daß sie mit der Organisierung der Arbeitsniederlegungen auf den Baustellen nichts zu tun haben, und die dementsprechenden Ausführungen der Verteidigung, sind schon durch den eindeutig festgestellten Sachverhalt widerlegt. Es steht fest, daß Foth bereits am 12.6.1953 nicht nur seine Brigade, sondern auch andere Brigaden zur Arbeitsniederlegung aufgefordert hat. Weiterhin hat er auf der Dampferfahrt einen Kollegen, der gegen die Arbeitsniederlegung Stellung nahm, als Spitzel bezeichnet. Er war mit an der Abfassung der ersten von Fettling geschriebenen Resolution mit rein provokatorischem Inhalt beteiligt. Foth hat von Fettling gefordert, daß eine bestimmte Gruppe von Bauarbeitern, und zwar die, die zur Arbeitsniederlegung bereit waren, auf einem Dampfer zusammengefaßt wurden. Fettling ist dieser Aufforderung nachgekommen. Es steht auch fest, daß auf der besagten Dampferfahrt Bauarbeiter anderer Baustellen beteiligt waren, und daß dort über die Arbeitsniederlegung gesprochen wurde. Das ist dadurch einwandfrei erwiesen, daß am 15. morgens der BGL-Vorsitzende des Block 40 2 Tele-fonanmfe erhielt, in denen gefragt wurde, ob es bei 17* 131;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 131 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 131) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 131 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 131)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen durch die Zusammenarbeit zwischen operativen Diensteinheiten und Untersuchungsabteilungen als ein Hauptweg der weiteren Vervoll-kommnunq der Einleitunospraxis von Ermittlungsverfahren. Die bisherigen Darlegungen machen deutlich, daS die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht: ihre effektive Nutzung in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsverfahrens. Sie wird nicht nur getroffen, wenn sich im Ergebnis der durchgeführten Prüfungsmaßnahmen der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermittlunqsverfahrens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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