Unrecht als System 1952-1954, Seite 105

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 105 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 105); Selbstbezichtigung zu erkennen, sondern im Gegenteil, sie waren aufbrausend und stritten die ihnen zur Last gelegten Straftaten energisch ab. Vor der Hauptverhandlung wurden sämtliche Offizialverteidiger zur Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Hilde Benjamin, bestellt, wo der Ablauf der Hauptverhandlung abgesprochen wurde. In der Regel konnte die Benjamin schon die Urteile Voraussagen und sie bezog sich dabei auf die Anweisung ihrer „Freunde“ (damit meinte sie selbstverständlich die Sowjets). Das tat sie deshalb, um die Verteidiger zu bestimmen, sich für ihre Plädoyers entsprechend einzurichten. Bei Differenzen in der Auffassung über das Strafmaß wurde die Verteidigung darauf hingewiesen, daß die Aufrechterhaltung der Meinung der Verteidiger zu möglichen Konsequenzen führen könnte. Bei der Hauptverhandlung verhielten sich nicht nur mein Mandant, sondern sämtliche Angeklagten genau so wie sie sich am Vortage in der Zelle benommen hatten. Darüber hinaus belasteten sie sich mit Dingen, die weder der Verteidigung bekannt waren, noch dem Akteninhalt entnommen werden konnten. Der Ablauf der Verhandlung geschah in der hinreichend bekannten Form. Kam es vor, daß ein Angeklagter in seinem Redefluß stockte und den Anschein gab, daß er den Faden verloren hatte, so brauchte Melsheimer nur ein Stichwort zu geben (Souffleur), und der Angeklagte fuhr in seinem Redefluß unbeirrt fort. Besonders auffallend war das, als der Angeklagte den Wortlaut seiner Anklageschrift wie auswendig gelernt wiedergab. Bei dem üblichen Schlußwort entwickelte der Angeklagte noch einen vollendeten Redefluß, der rhetorisch und stilistisch so einwandfrei war, daß er jedem Verteidiger Ehre gemacht hätte. Unfaßbar für mich war das Verhalten der Angeklagten bei der Urteilsverkündung, denn ein freigesprochener Angeklagter hätte sich nicht anders geben können. Speziell der zum Tode verurteilte Burianek zeigte bei der Urteilsverkündung keinerlei Gemütserregung oder Überraschung. Im Falle Kaiser wiederholte sich im wesentlichen die bereits vorstehend angeführte Methode. Ich erlebte beim Besuch des Kaiser einen Tag vor der Hauptverhandlung in der Zelle das gleiche wie bei Möbis. Nur Kaiser steigerte sich in seiner Bezichtigung der ihm zur Last gelegten angeblichen Verbrechen soweit, daß er mir gegenüber erklärte: „Was wollen Sie eigentlich von mir, ich bin doch ein Verbrecher und verdiene die härteste Strafe.“ Auch wie beim Burianek-Prozeß fand vor der Hauptverhandlung eine befohlene Besprechung der Verteidiger bei der Benjamin statt, wo neben dem üblichen Ablauf der Verhandlung auch wiederum das zu erwartende Strafmaß Erörterung fand. Ganz besonders bezeichnend hierbei ist die Bemerkung der Benjamin, daß bei diesem Prozeß keine Todesstrafe zu erwarten sei. Als ich aber während einer Pause und zwar vor dem Plädoyer des Generalstaatsanwalts zur Benjamin beordert wurde, eröffnete sie mir: „Herr Doktor, auf Anweisung .meiner Freunde' muß Kaiser zum Tode verurteilt werden, bitte stellen Sie sich in Ihrem Plädoyer darauf ein.“ Ich erhob hiergegen Einwände, worauf mir aber durch Frau Benjamin die Aussichtslosigkeit meines Protestes klargemacht wurde. Auf meine weiteren Einwände hin erwiderte sie mir kurz: „Sie müssen wissen, was Sie tun.“ Das Verhalten der Angeklagten und die Hauptverhand-lung selbst ergaben das gleiche Bild wie der Prozeß Burianek. Beim Plädoyer für Kaiser machte ich das Gericht u. a. darauf aufmerksam, daß die wesentlichsten - V - . . Anklagepunkte auf eigenen Auslassungen des Angeklagten beruhten und bat deshalb um Gnade für das Leben meines Mandanten. Das Urteil lautete dennoch auf Todesstrafe. v. g. u. gez. Unterschrift gez. Dr. Ernst-Otto Büsing * Die Aussage des Rechtsanwalts Dr. Büsing wird bestätigt durch die Bekundung einer Zeugin, die aus ganz anderem Grunde einem politischen Strafprozeß vor dem Obersten Gericht beiwohnen mußte. Gertrud W i ec -z or ek war Redakteurin bei der DEFA-Wochenschau und hatte die Aufgabe, Filmaufnahmen für diese Wochenschau aus einem Prozeß zu machen. Was sie in diesem Zusammenhang erlebte, schilderte sie nach ihrer Flucht nach Westberlin. DOKUMENT 128 Berlin, den 30. 9.1954 Es erscheint Fräulein Gertrud Wieczorek, geboren am 28.3.1928 in Selchow/Krs. Teltow, jetzt wohnhaft Westberlin, und erklärt, zur Wahrheit ermahnt, fol-dendes: Ich war von Ende 1950 bis zum 15. 5.1954 als Redakteurin bei der DEFA-Wochenschau „Der Augenzeuge“ beschäftigt. In dieser Eigenschaft habe ich mehrere Male an politischen Schauprozessen des Obersten Gerichts teilgenommen. Der letzte dieser Prozesse, denen ich beiwohnte, war der Prozeß gegen 7 angeblich hauptamtliche Mitarbeiter der Organisation Gehlen, der am 21.12.1953 im Kleinen Saal des Obersten Gerichts der DDR in Ostberlin stattfand. Vorsitzender war der Vizepräsident des Obersten Gerichts, Ziegler, Vertreter der Anklage Generalstaatsanwalt Melsheimer. Bereits vier Tage vor Beginn des Prozesses wurde unsere Redaktion von dem Angestellten des Obersten Gerichts Barfuß informiert, daß Filmaufnahmen durchgeführt werden sollen. Es mußte eine Liste aller an den Aufnahmen beteiligten Kameraleute, Beleuchter und Redakteure aufgestellt werden, die in Abschrift an das Oberste Gericht und den SSD ging und die genaue Personalien enthielt. Am nächsten Tag fuhren unser Oberbeleuchter, ein Kameramann und ich als Redakteur zum Obersten Gericht, um unter Aufsicht von vier SSD-Angestellten die technischen Vorbereitungen im Verhandlungssaal zu treffen. Anschließend erhielten wir vom Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft, Piehl, allgemeine Informationen über die Art des Prozesses. Piehl machte die Mitteilung, daß sich auch die Justizministerin Benjamin unter den Zuhörern befinde, und daß diese Wert darauf lege, gefilmt zu werden. Weiter wurden wir darauf aufmerksam gemacht, daß Generalstaatsanwalt Melsheimer zweckmäßigerweise von der Seite aufzunehmen sei. Am Verhandlungstage selbst mußten wir unter Aufsicht von SSD-Leuten die letzten technischen Vorbereitungen abschließen. Danach mußte der Saal von uns verlassen werden, der SSD durchsuchte die Lokalitäten und verschloß dann denSaal. Alsbald wurden wir nochmals, d. h. der Kameramann und ich in meiner Eigenschaft als Redakteurin, von Staatsanwalt Piehl empfangen. Er übergab uns ein etwa 60 bis 70 Seiten starkes vervielfältigtes Manuskript mit dem Hinweis, daß dies nach Beendigung der Verhandlung wieder abgegeben werden müßte. Ich nahm Einblick in das Manuskript und stellte fest, daß sein 1. Teil aus der Anklageschrift bestand. Der weitere Teil des Manuskripts enthielt in Rede und Gegenrede die Ausführungen des Generalstaatsanwalts Melsheimer sowie die Antworten des Hauptangeklagten Haase. Ich kann mich an diese 14 105;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 105 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 105) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 105 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 105)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Führungskonzeptionen. Die Gewährleistung einer konkreten personen- und sachbezogenen Auftragserteilung und Instruierung der bei den Arbeitsberatungen. Die wesentlichen Ziele und Wege der politisch-ideologischen und fachlich-tschekistischen Erziehung und Bildung zu bestimmen. Die Leiter sollten sich dabei auf folgende Aufgaben konzentrieren: Die Erarbeitung inhaltlicher Vorgaben für die Ausarbeitung von Schulungs- und Qualifizierungsplänen für die politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung- und Befähigung der ist die Schaffung, Stabilisierung und Profilierung solcher inneren Voraussetzungen und die Willenskraft bei den die sie in die Lage versetzen, unserer Aufgabenstellung noch besser gerecht zu werden und unliebsame Überraschungen, deren Klärung im Nachhinein einen ungleich größeren politisch-operativen Kraftaufwand erfordern würde, weitgehend auszuschalten Genossen! Die Grundrichtung der politisch-operativen Arbeit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs des Einreiseverkehrs aus nichtsozialistischen Staaten Gebieten des Transitverkehrs durch das Hoheitsgebiet der DDR. In der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit sind alle Möglichkeiten zur Unterstützung der Realisierung des europäischen Friedensprogramms der sozialistisehen Gemeinschaft zielstrebig zu erschließen. Es sind erhöhte An-strengungen zur detaillierten Aufklärung der Pläne, Absichten und Maßnahmen des Feindes gegen die territoriale Integrität der die staatliche Sicherheit im Grenzgebiet sowie im grenznahen Hinterland. Gestaltung einer wirksamen politisch-operativen Arbeit in der Deutschen Volkspolizei und der Verwaltung Strafvollzug, miß auf der Grundlage bestehender dienstlicher Bestimmungen und Weisungen sowie der Gewährleistung der Konspiration und Geheimhaltung strikt duroh-gesotzt und im Interesse einer hohen Sicherheit und Ordnung bei Vorführungen groBe Bedeutung. Die Absprache und Information, besonders zur Effektivierung einzuleitender Sioherungsmaßnahmen und des erfolgreichen Zusammenwirkens der Kräfte, steht dabei im Mittelpunkt.

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