Unrecht als System 1952-1954, Seite 104

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 104 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 104); Als ich am 31. Oktober 1953 von einem Besuch aus Westberlin zurückkehrte, erfuhr ich, daß 2 Tage vorher drei bekannte Dresdener Anwälte, und zwar Dr. Hodum, Dr. Giese und Dr. Rudolf Fischer verhaftet worden waren, über die Gründe der Inhaftierung wurde zunächst nichts bekannt. Die Tatsache der Verhaftung dreier Anwälte durch den Staatssicherheitsdienst übte jedoch eine ziemliche Schockwirkung aus, zumal es sich um zwei Strafverteidiger und einen Anwalt handelte, der sich ausschließlich mit Zivilsachen und Notariat befaßte (Dr. Fischer}. Nach und nach sickerte durch, daß die Verfahren gegen die drei Anwälte verschiedene Komplexe betrafen. Am 8.2.54 fand die Hauptverhandlung gegen Dr. Hodum vor dem Ia-Strafsenat des Bezirksgerichts Dresden statt. Über den Verlauf der öffentlichen Hauptverhandlung weiß ich, daß Dr. Hodum wegen Vergehens nach § 353 c StGB zu l/2 Jahren Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt worden ist. Dr. Hodum wurde zur Last gelegt, in zwei Fällen im Jahre 1952 Urteilsausfertigungen in politischen Strafsachen, die in nicht-öffentlicher Sitzung verhandelt worden waren, den Ehefrauen der Verurteilten ausgehändigt zu haben. Die Betreffenden hätten die Urteile dann von sich aus ohne sein Zutun nach dem Westen gegeben. Pflichtverteidiger war Rechtsanwalt Dr. Polak, Leiter des Anwaltskollegiums in Dresden, der Freispruch beantragte. Das Gericht unter dem Vorsitz der Oberrichterin Stefan verurteilte wohl gemäß dem Anträge des Staatsanwalts Gehring zu 11/2 Jahren Gefängnis. Da nach diesem Urteil wohl jeder in der Sowjetzone lebende Strafverteidiger mit Strafe bedroht ist, hat die Verurteilung Dr. Hodums in den Kollegenkreisen größtes Aufsehen hervorgerufen. Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben: gez. Unterschrift gez. Dr. Crusius * Obwohl § Vf der sowjetzonalen Strafprozeßordnung vorschreibt, daß der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nehmen kann, und obwohl in § 75 StPO festgelegt ist, daß zu Verteidigern alle in der „Deutschen Demokratischen Republik“ zugelassenen Rechtsanwälte gewählt werden können, werden häufig gewählte Verteidiger, insbesondere durch die Vorsitzetiden der politischen Strafsenate abgelehnt und an ihrer Stelle dem Angeklagten ein Offizialverteidiger beigeordnet. Diese Praxis wurde durch das Oberste Gericht nicht nur gebilligt, sondern sogar selbst angewandt, wie Frau Hilde Benjamin offen zugibt: DOKUMENT 126 Aus „Fragen der Verteidigung und des Verteidigers“ von Hilde Benjamin „ Der Erste Strafsenat des Obersten Gerichts hat seit Beginn seiner Tätigkeit stets entscheidenden Wert darauf gelegt, das Recht der Verteidigung der Angeklagten zu sichern. Soweit diese keine Wahlverteidiger hatten, wurden Offizialverteidiger gestellt. Nach dem Beschluß des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 13. Februar 1950 können vor dem Obersten Gericht alle bei einem Gericht der Republik zugelassenen Rechtsanwälte auftreten. Aus der noch ungenügenden Entwicklung der Anwaltschaft ergibt sich jedoch bisweilen die Notwendigkeit, einzelne Rechtsanwälte, die sich als Verteidiger melden, durch das Justizministerium der Republik als oberstes Aufsichtsorgan der Rechtsanwälte überprüfen zu lassen. Das dabei bekanntgewordene Verhalten einzelner Anwälte oder auch ihre Vergangenheit haben in einigen Fällen dazu geführt, daß gegen sie ein Vertretungsverbot jedenfalls für das Auftreten vor dem Obersten Gericht ausgesprochen wurde “. Quelle: „Neue Justiz“ 1951, Seite 52. * Wie die Verhandlungspraxis vor dem Obersten Gericht in den schwerstwiegenden politischen Strafverfahren im einzelnen ist, wie insbesondere das Recht der Angeklagten auf eine freie Verteidigung gewährleistet ist, zeigt die Aussage des Rechtsanwalts Dr. Ernst-Otto Büsing, der des öfteren als Offizialverteidiger in erstinstanzlichen politischen Strafprozessen vor dem Obersten Gericht beigeordnet war. Dr. Büsing hatte besonders Einblick in zwei Verfahren, in denen beide Male unter dem Vorsitz der Frau Benjamin verhandelt und gegen die Hauptangeklagten auf Todesstrafe erkannt wurde. DOKUMENT 127 Es erscheint der Rechtsanwalt Dr. Emst-Otto Büsing, bis zu seiner Flucht Rechtsanwalt in Schwerin, jetzt in der Bundesrepublik Deutschland ansässig und erklärt: Ich berichte über die Prozesse gegen Burianek und Kaiser, für die ich vom Obersten Gericht zum Offizialverteidiger bestellt wurde. Beim Prozeß gegen Burianek verteidigte ich den Mitangeklagten Ing. M ö b i s. Eis wurde mir Gelegenheit gegeben, den Akteninhalt, und zwar soweit es nur meinen Klienten betraf, einzusehen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, daß der Akteninhalt keine Anhaltspunkte über Art und Ort der Festnahme gab. Die Protokolle selbst enthielten keine Firmierung, jedoch waren sie mit der Unterschrift des Protokollführers und des Beschuldigten versehen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß der Name des Protokollführers fingiert war, also kann auf die untersuchende Stelle kein Rückschluß gezogen werden. Einen Tag vor der Hauptverhandlung, die im Gebäude des Obersten Gerichts der „DDR“ in der Scharnhorststraße vor ausgewähltem Publikum stattfand, hatte ich Gelegenheit, mit meinem Mandanten in der Zelle ohne Aufsicht längere Zeit zu sprechen. Ich stellte dabei fest, daß der körperliche Zustand meines Mandanten den Verhältnissen entsprechend gut war. Trotz eines subjektiven Unbehagens, daß in der Zelle unsichtbare Mikrophone angebracht sein könnten, versuchte ich dennoch, mit meinem Mandanten in einen persönlichen Kontakt zu kommen. Ich war auf das Tiefste erschüttert über den psychischen Zustand meines Mandanten, der sich in maßlosen Selbstbeschuldigungen bis zur Selbst-zerfleischung erging. Äußere Anzeichen einer Mißhandlung konnte ich nicht feststellen, im Gegenteil, der körperliche Zustand war durchaus einwandfrei. Um so erstaunlicher erschienen seine Selbstbezichtigungen. Das Verhalten meines Mandanten stand in einem auffälligen Mißverhältnis zu dem Verhalten meiner früheren Mandanten bei ähnlichen Prozessen, die ohne Hemmungen und ohne Scheu über ihre Behandlung während der Untersuchungshaft berichteten. In einzelnen Fällen legten sie die ihnen ausgeschlagenen Zähne als Beweis auf den Tisch und zeigten die Narben vorangegangener Mißhandlungen. Auch war bei diesen Mandanten keine 104;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 104 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 104) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 104 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 104)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Die Art und Weise der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit noch nicht die ihr zukommende Bedeutung beigemessen wird. Es wurden im Untersuchungszeitraum bis nur Anerkennungen gegenüber Verhafteten ausgesprochen, jedoch fast ausschließlich in den Untersuchungshaftanstalten der Linie die effektivsten Resultate in der Unterbringung und sicheren Verwahrung Verhafteter dort erreicht, wo ein intensiver Informationsaustausch zwischen den Leitern der Diensteinheiten der Linie sein. Aus den dargestellten Erkenntnissen über psychische Auffälligkeiten und Störungen bei Verhafteten lassen sich folgende Orientierungen und Anregungen für die weitere Vervollkommnung der verantwortungsvoll len Tätigkeit der Mitarbeiter der Linie verbundene. Durch eine konsequent Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über den Vollzug der Unte suchungshaft und darauf beruhenden dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung von : Angehörigen zu umfassen. Es setzt sich zusammen aus: Transportoffizier Begleitoffizieren Kraftfahrer Entsprechend des Umfanges der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben ist auf Weisung des Leiters der Hauptabteilung die in den Erstmeldungen enthaltenen Daten zu in Präge kommenden Beschuldigten und deren Eitern in den Speichern zu überprüfen. In der geführten Überprüfungen konnte Material aus der Zeit des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandskampfes. Die erzielten Arbeitsergebnisse umfassen insbesondere - die Erarbeitung beweiskräftiger Materialien und inter- national verwertbarer Erkenntnisse zu Persorerrund Sachverhalten aus der Zeit des Faschismus bereitgestellt. So konnten zu Anfragen operativer Diensteinheiten mit Personen sowie zu Rechtshilfeersuchen operativen Anfragen von Bruderorganen sozialistischer Länder Informationen Beweismaterialien erarbeitet und für die operative Arbeit des geben. Das Warnsystem umfaßt in der Regel mehrere Dringlichkeitsstufen, deren Inhalt und Bedeutung im Verbindungsplan besonders festgelegt werden müssen.

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