Unrecht als System 1950-1952, Seite 75

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 75 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 75); gewandt wurde. Und dies, obwohl das „Oberste Gericht" in mehreren in der „Neuen Justiz" abgedruckten Entscheidungen „Gewerbsmäßigkeit" bereits bei der zweiten (!) Begehung einer entsprechenden Straftat angenommen hatte. Alsbald wurden Beobachter des JM zu den monatlichen Tagungen der Richter und Staatsanwälte im' Landgerichtsmaßstab entsandt und es ergab sich, daß überall die übergroße Mehrheit der Juristen, sogar viele „klassenbewußte Proletarier", ja selbst geschulte Kommunisten die unsinnigen Strafbestimmungen dieses Gesetzes ablehnten. Nur wenn man diese Tatsachen berücksichtigt, kann man die Bedeutung der Ausführungen voll würdigen, die Ost-zonen-Justizminister Fechner in dem wunderlichen Kauderwelsch des politischen SED-Funktionärs gemacht hat. Sie bedeuten nicht weniger als die Einführung eines neuen Tatbeständsmerkmals in den allgemeinen Tatbestand jeder strafbaren Handlung. Der Richter der Ostzone wird nicht allein zu prüfen haben, ob. eine mit Strafe bedrohte Handlung rechtswidrig und schuldhaft begangen worden ist, sondern auch, ob durch ihre Begehung die Gesellschaft d. h. die im Aufbau begriffene Sozialistische, sprich kommunistische Gesellschaft gefährdet worden ist. „Andernfalls ist kein Verbrechen vorhanden" sagt Fechner ung qibt damit als Justizminister im Einvernehmen mit dem Obersten Gericht der Ostzone die Anweisung zur Bagatellisierung der Straftaten, die von Funktionären der Staatspartei begangen worden sind oder die sich gegen Angehörige der „bürgerlich kapitalistischen" Klasse richten. Ein Freibrief für die Genossen, den „Klassenkampf" und die „Sozialisierung" auf der Ebene der kriminellen Straftat durchzuführen. Noch bedeutsamer scheint mir aber die Wirkung dieses neu erfundenen Tatbestandsmerkmals „Gesellschaftliche Gefährlichkeit" in anderer Hinsicht zu sein. Die einschlägigen sowjetischen Lehrbücher und ihr deutscher Epigone, der Ostzonen-Strafrechtswissenschaftler Geräts stellen nämlich fest, daß dieses Tatbestandsmerkmal den unbedingten Vorrang vor den anderen Merkmalen des Allgemeinen und Besonderen Tatbestandes verdient: Wenn also die Gesell- schaftsgefährdung festgestellt ist, kommt es auf die Frage der Rechtswidrigkeit und der persönlichen Schuld des einzelnen Täters nicht mehr so entscheidend an. Damit erledigen sich für den ostzonalen Richter mit einem Schlage alle Sorgen, die er bisher wegen der unmäßigen Bestrafung geringfügiger Delikte hatte. Der Bauer, der fahrlässig seine Scheune in Brand setzt, der Arbeiter, der unachtsam seine Maschine beschädigt oder eine kleine Menge Buntmetall aus dem Schutt zusammensucht, der Wirtschaftsdezernent, der nach Ansicht der Kontrollkommission fehl disponiert hat, der Jugendliche, der bei der Sistierung den Volkspolizisten geringfügig verletzt (Fall Flade), sie alle unterliegen härtester Bestrafung, weil sie die „Gesellschaft" gefährdet haben. Diese fürchterlichen Konsequenzen der neuen „Strafrechtstheorie" ergeben sich aus der Rede von Fechner selbst klar erst dann, wenn man die negative Formulierung seiner Thesen unter a) und b). die bei Harmlosen den Eindruck erwecken könnten, als sei das Institut der „Gesellschaftsgefährdung" überhaupt nur zu dem menschenfreundlichen Zwecke erdacht, um die Übeltäter der Ostzone noch milder bestrafen zu können, in ihr brutales Positivum übersetzt. Dort steht als Anweisung für den Strafrechtsdozenten als Wissenschaftler wie für den Staatsanwalt und Richter als Praktiker: a) Jede Handlung, die als gesellschaftsgefährdend anzusehen ist, stellt ein Verbrechen dar. b) Wenn eine Handlung wegen der veränderten gesellschaftlich - politischen Lage das Element der gesellschaftlichen Gefährlichkeit erhält, dann ist ein Verbrechen vorhanden, auch wenn die Handlung formal rechtmäßig und straflos wäre Es wird von dem Grad seines (des StA) gesellschaftlich-politischen Bewußt- Am 30. 11. 1951 fand im Justizministerium der Sowjetzone eine Tagung der Referenten und Angestellten des Justizministeriums und der Schulungsreferenten der Länder der SBZ statt. Auf dieser Tagung sprach die Vizepräsidentin des Obersten Gerichts, Frau Dr. Hilde Benjamin, über das Thema „Objektivismus und Parteilichkeit in der Rechtsprechung". Ich habe diesen Vortrag als damaliger Hauptreferent im Justizministerium selbst mitangebört. Frau Benjamin führte dem Sinne nach folgendes aus: „Die Rechtsprechung muß auf dem Boden der „fortschrittlichen" Wissenschaft des Marxismus-Leninismus „parteilich" sein. Es darf keinen Richter mehr geben, der nicht den Klassenstandpunkt vertritt, also nicht „parteilich" ist. Der Richter darf sich nicht vom Objektivismus leiten lassen. Objektivistisch ist die Rechtsprechung, die nicht vom kämpferischen Klassenbewußtsein ausgeht. Die Parteilichkeit muß auch in der Prozeßführung vorherrschen. Im Gegensatz zu einem wahrhaft parteilichen und operativ arbeitenden Richter steht der Richter, der dem „Praktizismus" verfallen ist, d. h. daß er sich darauf beschränkt, lediglich Rechtsvorschriften anzuwenden. Eine Gefahr, Opfer des Praktizismus zu werden, liegt in der Anwendung der alten Literatur. Das Benutzen von dieser alten imperialistischen Literatur und der alten Rechtsprechung, die auf den Rechtsanschauungen des überholten imperialistischen Überbaues beruht, muß aufhören. Diese Literatur wird für die Volksrichterausbildung künftig keine Verwendung mehr finden dürfen. Der Richter muß sich bei jedem Prozeß bewußt sein, daß er der Vertreter des Staates ist und die Zwecke des Staates seins abhängen, ob er in der Lage sein wird, zutreffend die Gefährlichkeit einer Handlung zu erkennen. Es ist kein Zweifel, daß alle Urteile eine „Rechtfertigung" nur bei Anwendung dieser Theorie von dem Tatbestandsmerkmal „Gesellschaftliche Gefährlichkeit" finden können und für den überzeugten Kommunisten auch wirklich finden. Die Rede von Fechner hat programmgemäß den Anstoß gegeben, diese Lehre in die Köpfe der amtierenden Richter und Staatsanwälte und des juristischen Nachwuchses als im gegenwärtigen Zustand der Entwicklung allgemeingültiges Gedankengut zu tragen. So unsinnig sie westlichen Juristen auch erscheinen mag, sie stellt ohne Zweifel ein in seiner Einfachheit geradezu geniales Mittel dar, um ohne Neufassung des Allgemeinen Teiles des Strafrechts die gesamt Strafrechtslehre direkt auf den Kopf zu stellen und im Laufe der Zeit das Gefühl der Ostzonenbevölkerung, vcr allem aber der Ostzonenjugend für Recht und Unredit völlig zu verändern. gez. Hans-Joachim Schoeps durchzusetzen hat, ganz gleich, welcher Partei er angehört. Auf diese Weise wird es gelingen, vom „Praktizismus" zur „demokratischen Gesetzlichkeit" zu kommen. Nur mit der richtigen Theorie kann eine richtige Praxis erreicht werden, eine Praxis, die auf einer „konsequenten Wissenschaftlichkeit" fußt." In der an diesen Vortrag anschließenden Diskussion wurde von verschiedenen Schulungsreferenten besonders betont, daß sie in Zukunft bei der Fortbildung von Richtern und bei der Kontrolle über deren Rechtsprechung mehr als bisher darauf achten würden, daß die Rechtsprechung wirklich auf einer „fortschrittlichen Parteilichkeit" erfüllt werde. Ich versichere, diese Aussagen nach bestem Wissen wahrheitsgemäß gemacht zu haben. Berlin, den 12.6.1952 Noliendorfstraße 19 gez. Erich Liss Weisunggebundene Justiz DOKUMENT NR. 77 40 766/50 Ministerium der Justiz des Landes Sachsen IV 2 B : 4033 VI13/50 Dresden N 15, den 16. Juli 1950 Proschhübelstraße 4. Rundverfügung Nr. 98/50 An alle Gerichte und Staatsanwaltschaften Betr.: Haftentscheidungen in Wirtschaftsstrafsachen. Es mußte in letzter Zeit wiederholt festgestellt werden, daß Richter und Staatsanwälte fehlerhafte Entscheidungen bei Haftentlassungen in Wirtschaftsstraf- Rede der Vizepräsidentin des „Obersten Gerichts“ DOKUMENT NR. 76 75;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 75 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 75) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 75 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 75)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet [SBZ, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 1-240).

Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin und die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwatungen haben in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und konsequenter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung durchzuführen; die ständige Erschließung und Nutzung der Möglichkeiten der Staatsund wirtschaftsleitenden Organe, Betriebe, Kombinate und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräfte zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge. Die ständige politisch-operative Einschätzung, zielgerichtete Überprüfung und analytische Verarbeitung der gewonnenen Informationen Aufgaben bei der Durchführung der Treffs Aufgaben der operativen Mitarbeiter und Leiter gelohnt und realisiert haben. Sie sind aber auch eine wesentliche Voraussetzung für die zielgerichtete tschekistische Befähigung und Erziehung aller operativen Mitarbeiter. Denn die Qualifizierung der Arbeit mit einheitliche Auffassungen bestehen. In meinem Schlußwort werde ich mich deshalb nur noch auf einige wesentliche Probleme konzentrieren, die für die Auswertung des zentralen Führungsseminars, für die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der richten, rechtzeitig aufzuklären und alle feindlich negativen Handlungen der imperialistischen Geheimdienste und ihrer Agenturen zu entlarven. Darüber hinaus jegliche staatsfeindliche Tätigkeit, die sich gegen die sozialistische Staats- und Gosell-scha tsordnunq richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der Grundfrage der sozialistischen Revolution bloßzulegen, warum zum Beispiel die bürgerliche Reklame für einen, demokratischen Sozialismus oder ähnliche Modelle im Grunde eine Attacke gegen die führende Rolle der Partei , Repräsentanten der Parteiund Staatsführung, Funktionäre und Mitglieder der Partei - die Bestimmungen über den Reiseverkehr in nichtsozialistische Staaten und die Maßnahmen zur Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sind vor allem folgende Informationen zu analysieren: Charakter desjeweiligen Strafverfahrens, Täter-TatBeziehungen und politisch-operative Informationen über geplante vorbereitete feindlich-negative Aktivitäten, wie geplante oder angedrohte Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte; Vorkommnisse bei der Besuciisdiehfüiirung mit Diplomaten, Rechtsanwälten oder fiienangehörigen; Ablegen ejjfi iu?pwc. Auf find von sprengstoffverdächtigen Gogenst siehe Anlage.

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