Unrecht als System 1950-1952, Seite 67

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 67 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 67); Berichte zweier Waldheim-Protokollantinnen DOKUMENT NR. 57 Berlin, den 15. Mai 1952 Frau Gerda Bergling geb. Preißler, Berlin W 30, Maaßenstraße 8, b. Pietzsdi, er-erklärt: Ich war von meiner Dienststelle, der Polizeiverwaltung Görlitz, nach Waldheim abgeordnet und habe in der Zeit vom 23. 4. bis 23. 5. 1950 als Protokollantin bei der polizeilichen Vernehmung der für die Waldheimprozesse nach dort gebrachten 3500 Häftlinge mitgewirkt. Wir hatten die Aufgabe, die Unterlagen für die Anklagen fertigzustellen. Diese Unterlagen bestanden in der Regel aus einem kurzen russischen Vemehmungs-auszug, einer vom Häftling ausgefüllten Vermögenserklärung, einem Fragebogen und einem selbstgeschriebenen Lebenslauf. Dazu kam unser Vemehmungs-protokoll. Die Kriminalangestellten hatten große Schwierigkeiten, ein solches Protokoll zu erstellen, da meistens ein irgendwie greifbarer Tatbestand nicht vorhanden war. Vielfach halfen sich die Vernehmenden dann damit, daß sie den Häftling fragten, ob er im Privatleben ein fleißiger Arbeiter gewesen sei. Bejahte er dies, dann wurde in das Protokoll geschrieben: Der Häftling habe seine ganze Kraft zur Unterstützung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eingesetzt. Dieser Vermerk befand sich in vielen Protokollen und diente dann als Grundlage der Verurteilung. Wollte ein Häftling durchaus nicht die von ihm gewünschten Aussagen machen, so wurde er in eine Dunkelzelle gesperrt und ohne Essen gelassen, bis er schließlich aussagte und unterschrieb. Bei besonders standhaften Häftlingen wurden besonders ausgesuchte scharfe Kriminalangestellte verwandt, um sie zu einem Geständnis und zu einer Unterschrift gefügig zu machen. Bei diesen Sonderfällen war ich nicht zugegen. „ Die Verhandlungen waren nicht öffentlich. Auch wir brauchten Sonderausweise, wenn wir einmal einer Verhandlung beiwohnen wollten. Nur einige wenige Sachen, bei denen tatsächlich etwas vorlag, wurden herausgesucht und als Schauprozesse vor zur Verhandlung geführten Betriebsdelegationen durchgeführt. Verteidiger durften sich die Häftlinge nicht nehmen. Gab ein Häftling zu seiner Entlastung Zeugen oder sonstige Beweismittel an, so wurde diese Beweiserhebung rundweg abgelehnt, überhaupt wurde alles, was den Häftling hätte entlasten können, unbeachtet gelassen. Die Verhandlungen dauerten in der Regel 20 bis 30 Minuten. Dann folgte eine Beratung von etwa 5 10 Minuten Dauer, an die sich die Urteilsverkündung anschloß. Die Urteile bestanden in der Regel in hohen bzw. lebenslänglichen Zuchthausstrafen und in Todesstrafen. Viele Kriminalangestellte waren sich darüber im klaren, daß bei den Häftlingen überhaupt nichts Strafbares vorlag. Brachten sie bei ihrer Vernehmung kein Material für die Anklage zustande, so wurden sie mit anderen Angestellten aus- gewechselt. Ein Kriminalangestellter erklärte mir einmal, indem er auf einen Stoß Akten hinwies: „Wenn ich diese Akten alle zusammenbinde, dann kann ich darüber schreiben: ,Grimms Märchenbuch'." gez.: Gerda Bergling * DOKUMENT NR. 58 Erklärung Ich wurde am 4. 4. 1950 von meiner Dienststelle, der Landesfinanzdirektion Sachsen in Dresden, im Wege des „Parteiauftrages" zur Haftanstalt Waldheim abgeordnet. In Waldheim wurde ich zusammen mit einer Anzahl anderer Personen der dort bereits tätigen Kriminalpolizei zugeteilt. Alle Beteiligten waren zuverlässige SED-Angehörige. Im Rahmen einer Instruktionsstunde wurden wir zunächst von Polizeirat Kurt Beyer in Dresden angewiesen, bei der Vernehmung der Angeschuidigten zwecks Erstellung der Anklageschrift den Gefangenen „soviel als möglich aus der Nase zu ziehen", wobei immer wieder betont wurde, daß das vorliegende Beweismaterial außerordentlich spärlich sei. Es bestand in der Regel lediglich aus einem von Russisch ins Deutsche übersetzten Protokoll über die Vernehmung des betreffenden Gefangenen durch die sowjetische Lagerverwaltung und wies keinerlei persönliche Unterschrift des Vernommenen auf. Man verteilte an die Gefangenen noch Fragebogen und Vermögenserklärungen, die sie ausgefüllt mit einem handgeschriebenen Lebenslauf zurückgeben mußten. Dies waren die gesamten Unterlagen für das Verfahren. Den Kriminalpolizisten wurde die Anweisung gegeben, bei der Auswertung dieser Unterlagen genauestens auf alles zu achten, was sich in der Anklageschrift zu Ungunsten des Häftlings verwerten ließ. Alles, was etwa zu Gunsten oder zu seiner Entlastung sprechen konnte, wurde von vornherein beiseite gelassen. Es wurden in Waldheim insgesamt 20 Strafkammern gebildet, die alle unter dem Namen des Landgerichts Chemnitz liefen. Keiner der Richter, Staatsanwälte oder der Protokollbeamtinnen waren aus Chemnitz. Die Protokollbeamtinnen gehörten nicht einmal zur Justiz, sondern wurden für diese Aktion eigens aus Verwaltung, Polizei und Parteistellen der SED abgestellt. Die Anklageschriften enthielten in den meisten Fällen keine Angaben über eine persönliche Schuld des Angeklagten, sondern sprachen lediglich von einer Kollektivschuld. Die Anberaumung der Verhandlung geschah nicht durch das Gericht, sondern durch die Uberwachungskommission, die aus nicht zu den Strafkammern gehörenden Personen bestand. Die Verhandlungen fanden mit Ausnahme einiger Schauprozesse unter strengstem Ausschluß der Öffentlichkeit statt, obwohl sie im Sitzungsprotokoll als öffentlich be- zeichnet wurden. Die Angeklagten erhielten die Ladung am Tage vor der Verhandlung zugestellt und mußten sie nach Durchsicht wieder zurückgeben. Im einzelnen spielten sich die Verhandlungen in der Weise ab, daß der Vorsitzende mit einem Satz, die Verhandlung eröffnete und nach Feststellung der Personalien sofort dem Staatsanwalt das Wort zum Vortrag der Anklage erteilte. Sodann trat das Gericht in die sogenannte Beweisaufnahme ein, die lediglich darin bestand, daß dem Angeklagten einige Fragen über Parteizugehörigkeit usw. gestellt wurden. Dann erhielt der Staatsanwalt wieder das Wort. Im Anschluß daran bekam der Angeklagte das letzte Wort mit der ausdrücklichen Weisung, sich kurz zu fassen. Im Anschluß an das Plädoyer des Staatsanwalts erfolgte die Beratung, die lediglich eine Farce war, da die Vorsitzenden schon vor der Verhandlung die Urteile vorgeschrieben hatten. Im Anschluß an die Urteilsverkündung erfolgte die sogenannte Rechtsmittelbelehrung, in der den Angeklagten nicht gesagt wurde, daß sie einen Verteidiger mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragen konnten. Ein Verteidiger wurde nur in den Fällen zugelassen, in denen die Todesstrafe vorgesehen war, und zwar fungierte als einziger Verteidiger ein Volksstaatsanwalt, der nur wenige Minuten vor der Verhandlung erstmalig mjt dem Komplex vertraut gemacht wurde und höchstens 2 3 Minuten Zeit hatte, um den Angeklagten persönlich zu sprechen. Ein Wahlverteidiger wurde in keinem Fall zugelassen. Die Revisionen der Angeklagten wurden sämtlich verworfen. Zu diesem Zwecke wurde ein Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden nach Waldheim abkommandiert. Soweit der Uberwachungskommission die Strafen nicht hoch genug waren, wurde durch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Dieser wurde in allen Fällen entsprochen. Zu den Verhandlungen wurden teilweise die Angeklagten auf Tragbahren gebracht. Es handelte sich um Angeklagte, die infolge von Schlaganfällen gelähmt waren oder um Häftlinge mit hochgradiger Tuberkulose. Die weiblichen Häftlinge wurden mit kahlgeschorenem Kopf vorgeführt. Die beteiligten Richter und Staatsanwälte waren sich darüber im klaren, daß bei diesen Waldheinwerfahren schlimmstes Unrecht geschah. Ihnen wurde zur Beruhigung ihres Gewissens von Frau Dr. Heinze vom Ostzonenjustizministerium erklärt, die Angeklagten müßten im Interesse des demokratischen Aufbaus für lange Zeit aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen werden, um zu verhindern, daß diese Angeklagten eine feindliche Tätigkeit gegen die DDR aufnehmen könnten und deshalb müßten unter allen Umständen so hohe Strafen ausgeworfen werden. Düsseldorf, den 14. 5. 1952 Kölner Landstr. 185 gez.: Gertrud Milke 67;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 67 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 67) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 67 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 67)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet [SBZ, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 1-240).

Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände lösen. Der Einsatz von erfolgt vorrangig: zum Eindringen in die Konspiration feindlicher Stellen und Kräfte; Dadurch ist zu erreichen: Aufklärung der Angriffsrichtungen des Feindes, der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der und auch Phasen der Intensivierung feindlicher Angriffe letztlich ihre Reflexion im Verhalten der Verhafteten unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß die bereit und in der Lgsirid entsprechend ihren operativen Möglichkeiten einen maximalen Beitragräzur Lösung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zu leisten und zungSiMbMieit in der operativen Arbeit voraus. Divergierende reak ionä Überzeugungen und Interessen. Die Erweiterung des Netzes im Operationsgebiet macht es erforderlich, auch divergierende reaktionäre Überzeugungen und Interessen zu nutzen, die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Aufgaben und Anforderungen an die konkrete Gestaltung und Sicherung wesentlicher Prozesse in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit und bei spezifischen sich ständig wiederholenden Vollzugsmaßnahmen unter strikter Beachtung der Erfordernisse der Wachsamkeit. Geheimhaltung und Konspiration sowie durch den differenzierten Einsatz dafür, geeigneter operativer Kräfte. Mittel und Methoden realisiert werden.

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