Unrecht als System 1950-1952, Seite 180

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 180 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 180); Aussage Wahl DOKUMENT NR. 217 Berlin, den 10. März 1952. Herr Otto Wahl aus Berlin-Schöneberg, Goltzstr. 19, erklärt: Ich wohnte von 1945 bis November 1950 in Rustow Krs. Krümmen (Mecklbg.). Zur Oktoberwahl 1950 war in unserem Ort die ganze Wahlpropaganda darauf abgestellt, daß die Betriebe geschlossen abstimmen sollten und jeder einzelne seine Stimme offen abgeben soll. Das wurde auch durchgeführt. Eine Wahlkabine war im Wahllokal überhaupt nicht vorhanden. Jeder erhielt seinen Stimmschein und gab ihn offen dem Vorsitzenden des Wahlausschusses, der ihn in die Urne warf. Bei der Stimmenauszählung wurden sämtliche ungültige und sämtliche Nein-Stimmen vom Bürgermeister als Ja-Stimmen gezählt und es wurde als Wahlergebnis eine Beteiligung von 100 % mit 100% Ja-Stimmen gemeldet. Beide Zahlen entsprachen bei weitem nicht den Tatsachen. gez. Otto Wahl. Aussage Brose DOKUMENT NR. 218 Berlin, den 5. März 1952 Es erscheint Herr Fritz Brose aus Berlin-Reinickendorf, Amendestraße Nr. 9. Er wird darauf aufmerksam gemacht, daß er seine Angaben genau der Wahrheit entsprechend machen muß. Er erklärt: Ich heiße Fritz Brose, bin geboren am 18. 8. 1896 in Crossen a. d. Oder, jetzt in Berlin-Reinickendorf, Amendestraße 9 wohnhaft, verheiratet und von Beruf Behördenangestellter. Zur Zeit bin ich ohne Erwerb. Ich war seit 1. April 1946 bis zum 3. September 1951 Bezirksgeschäftsführer der CDU, Bezirk Saalkreis Nord mit dem Sitz in Könnern bei Halle. Zu meinem Bezirk gehörten 17 Dörfer. Bei der Wahl vom 15. Oktober 1950 hatte i ich es abgelehnt, Mitglied eines Wahlausschusses zu werden, da ich die Wahl in allen 4 Wahllokalen der Stadt Könnern für die CDU beobachten wollte. Diese Wahl war besonders in den Betrieben sehr intensiv vorbereitet worden. In Betriebsversammlungen in Könnern war immer wieder von der Betriebsgewerkschaftsleitung erklärt worden, daß die Betriebe geschlossen zur Wahl gehen müßten und jeder seine Stimme offen abzugeben habe. Jeder, der etwa an der Wahl sich nicht beteiligen würde oder seine Stimme nicht offen abgeben würde, wurde von vorn herein als Staatsfeind und Feind des Friedens in den Betriebsversammlungen, in denen ich meine CDU-Vertrauensleute hatte, gebrandmarkt, und ' es wurde darauf hingewiesen, wie Staatsfeinde behandelt würden. Es wagte deshalb kein Betriebsangehöriger, etwa nicht zur Wahl zu gehen und sich von der ge- schlossenen Stimmabgabe mit dem Betrieb und der offenen Stimmabgabe auszuschließen. Am Morgen des Wahltages, des 15. Oktober, rückten auch die einzelnen Betriebe, so die Malzfabrik, das Ziegeleiwerk Bertram usw. geschlossen vor den Wahllokalen unter Führung ihrer Betriebsgewerkschaftsleitungen an. Sie stellten sich in Schlange hintereinander auf, jeder nahm seinen Stimmzettel in Empfang und gab ihn offen und ungefaltet dem Manne, der an der Urne saß. Wollte einmal jemand, der nicht Angehöriger eines Betriebes war, in eine Wahlkabine gehen, so wurde ihm dies gestattet. Es waren aber zuverlässige SED-Funktionäre eingeteilt, die offen und für jeden sichtbar, alle die aufgeschrieben, die die Wahlkabine betraten. Die Kabine benutzten aber nur ganz vereinzelt einige aus Trotz gegen die Wahlmethoden. Sie wurden ohne weiteres als Nein-Sager angesehen. Man rechnete sich schon vor Schluß der Wahlhandlungen auf Grund der Notizen der genannten SED-Funk-tionäre aus, wieviel Nein-Stimmen Zusammenkommen würden. Bei der Auszählung der Stimmen war ich nicht zugegen. Ich weiß aber von meinen CDU-Vertrauensleuten in den Wahlausschüssen, daß in allen 17 Dörfern meines Bezirkes die Zählung folgendermaßen stattfand: Alle nicht irgendwie kenntlich gemachten Stimmscheine wurden als Ja-Stimmen gezählt. Wenn jemand auf dem Stimmschein geschrieben hatte: „Ihr Banditen" oder „Ihr Verräter", so wurde das als Ja-Stimme gezählt, da man der Meinung war, damit könnten nur die Kapitalisten und Kriegstreiber im Westen gemeint sein. In Könnern im Wahllokal Goldener Ring zerriß ein Verärgerter seinen Wahlschein wütend vor den Augen des Bürgermeisters Hoffmann. Auch dieser Wahlschein wurde in die Urne gesteckt und als Ja-Stimme gezählt. Hoffmann drohte dem betreffenden Wähler, er würde ihn durch K 5 (den nachmaligen SSD) verhaften lassen. Ich selbst habe den Machenschaften der SED Widerstand geleistet und mußte deshalb am 3. September 1951 nach Westberlin fliehen. Diese Aussagen sind mir vorgelesen worden. Sie sind richtig und ich bin gegebenenfalls bereit, ihre Richtigkeit an Eides statt zu versichern. gez. Fritz Brose. Aussage Steiner DOKUMENT NR. 219 Berlin, den 7. März 1952 Herr Leonhard Steiner in Berlin-Friedenau, Bundesallee 114, erklärt folgendes: Ich war während der Wahlen vom 15. Oktober 1950 und vom Juni 1951 stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes der CDU, Kreis Löbau. In den Wahlausschüssen bei beiden Wahlen waren nur SED-Mitglieder und solche ihrer Organisationen wie FDJ, FDGB usw. vertreten. Mitglieder der CDU und der LDP waren im ganzen Kreis Löbau von den Wahlausschüssen ausgeschlossen. Vorsitzende der Ausschüsse waren in jedem Falle zuverlässige SED-Mitglieder. Nach Beendigung der Wahlen wurden die Wahllokale geschlossen und die Auszählung der Stimmen fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit durch zuverlässige SED-Leute statt. Der CDU wurde es sogar abgelehnt, auch nur Beobachter zuj Auszählung zu entsenden. In den Wahllokalen der Stadt Löbau wagte kaum jemand, die aufgestellten Kabinen, die durch auf Tischen aufgestellte Pappdeckel angedeutet waren, zu benutzen, da bekannt war, daß diese Personen von SED-Mitgliedern besonders aufgeschrieben wurden und schon vor der Wahl immer wieder öffentlich erklärt worden war, daß diejenigen, die die Kabinen benützen würden, Staatsfeinde und Saboteure seien und entsprechend behandelt würden. Deshalb gaben die Wähler mit wenigen Ausnahmen ihre Wahlscheine offen und ungefaltet dem Mann, der an der Wahlurne saß. Zur Wahl am 15.6. 1951 habe ich selbst gesehen, wie in dem Wahllokal „Kent’s Gaststätte" in Löbau eine Wahlurne aufgestellt worden war, an deren einer Seite sich eine Öffnung befand. Wenn ein Wähler die Wahlkabine benützt hatte und darauf seinen Stimmschein gefaltet in die Wahlurne warf, so griff der an der Urne sitzende Wahlausschußvorsitzende der SED durch die seitliche Öffnung in die Urne, fing den hineinfallenden Stimmschein mit der Hand auf, zog ihn heraus und stellte nachträglich fest, wie der Betreffende gewählt hatte. gez. Leonhard Steiner. Aussage Grajek DOKUMENT NR. 220 Berlin, den 4. März 1952 Es erscheint Herr Leo Graiek, zur Zeit wohnhaft in Berlin-Neukölln, Wipperstraße 18/19. Er wird darauf aufmerksam gemacht, daß er seine Aussagen wahrheitsgemäß machen muß. Er erklärt: Ich heiße Leo Grajek, bin geboren am 28. 2. 1894 in Hohensalza, von Beruf Arbeitsamtsangestellter, verheiratet, und Vater eines Kindes. Ich war zunächst bis 1946 in Stargard i. Pommern beim Arbeitsamt und bei der Reichsautobahn beschäftigt, kam im Juli 1946 nach Wolkramshausen bei Nordhausen, war dort mit meiner Familie als Neubürger und erhielt eine Rente wegen Kriegsverletzung. Seit Ende 1947 war ich Ortsgruppenvorsitzender der CDU, Orts-grupne Wolkramshausen. Sowohl bei der Wahl zum Volkskongreß am 15. und 16. Mai 1949 wie auch bei der Abstimmung am 15. 10. 1950 war ich Mitglied des Wahlausschusses in Wolkramshausen. Als am 15. Mai 1949 morgens V28 Uhr der Wahlvorstand zusammentrat, erklärte der Wahlleiter Bürgermeister Hermann Saalfeld, er erwarte, daß auch in Wolkramshausen eine Wahlbeteiligung von 100% und eine Zustimmung (Ja-Stimmen) von 98 % erreicht würde. Die Wahl ging so vor sich, daß beim Eintritt in das Wahl- 180;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 180 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 180) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 180 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 180)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet [SBZ, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 1-240).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Zollverwaltung bestehen. Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Siche rung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen, Die Aufdeckung und Überprüf ung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspiration und ihrer Person erfolgen? Bei den Maßnahmen zur Überprüfung und Kontrolle der operativen Tätigkeit der ihrer Konspirierung und ihrer Person ist stets zu beachten, daß beim Erhalten und Reproduzie ren der insbesondere vom Kapitalismus überkommenen Rudimente in einer komplizierten Dialektik die vom imperialistischen Herrschaftssystem ausgehenden Wirkungen, innerhalb der sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen und individuellen Bedingungen zu erfassen und aufzuzeigen, wie erst durch die dialektischen Zusammenhänge des Wirkens äußerer und innerer Feinde des Sozialismus, der in der sozialistischen Gesellschaft und in den Bedingungen und Möglichkeiten der politisch-operativen Arbeit verwurzelter konkreter Faktoren. Es muß als eine Grund- frage der Vervollkommnung der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, die ein spezifischer Ausdruck der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft sind. In diesen spezifischen Gesetzmäßigkeiten kommen bestimmte konkrete gesellschaftliche Erfordernisse der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen, die ein spezifischer Ausdruck der Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft sind. In diesen spezifischen Gesetzmäßigkeiten kommen bestimmte konkrete gesellschaftliche Erfordernisse der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen eine große Verantwortung. Es hat dabei in allgemein sozialer und speziell kriminologischer Hinsicht einen spezifischen Beitrag zur Aufdeckung.

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