Unrecht als System 1950-1952, Seite 125

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 125 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 125); das Brandenburgisdie Innenministerium in Potsdam hervorgeht, festgestellt, daß „diese Anteilsenteignung eine Revision erfahren müsse, und zwar im Hinblick auf den Absatz 2 der 1. Verordnung zur Durchführung des SMAD-Befehls Nr. 64 . wonach auch bei Anteilsenteignung der gesamte Betrieb als volkseigen zu betrachten sei". Rechte Dritter enteignet Ein anderes Beispiel stellt der Fall Häberle dar. Nach dem Feststellungsbescheid Nr. 540 des Amtes zum Schutze des Volkseigentums beim Brandenburgischen Innenministerium hatte Dr. Häberle aus Senftenberg in einem, wie in dem Bescheid ausdrücklich festgestellt wird, freiwilligen Mietsvertrag sein Grundstück dem Röhrenwerk in Senftenberg seit dem 5. Mai 1943 zur betrieblichen Nutzung überlassen. Dr. Häberle verliert nun sein Eigentum an diesem Grundstück, da nach Ziffer 2, 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum SMAD-Befehl 64 die Enteignung auch „überhaupt auf das den betrieblichen Zwecken dienende Vermögen einschließlich aller Rechte und Beteiligungen" erstreckt, und somit „dieses Grundstück des Dr. Häberle in das Eigentum des Volkes übergegangen" sei. X Enteignungen durch Strafverfahren Mit Hilfe des Befehls Nr. 124 war es möglich gewesen, die meisten großen und mittleren Betriebe der wichtigsten Industriezweige zu enteignen und damit die Grundlagen für eine bedeutende volkseigene Industrie zu schaffen. Das Regime der sowjetischen Besatzungszone konnte sich jedoch mit diesem Erfolg nicht zufriedengeben. Nachdem der Befehl 64 der Enteignungswelle nach Befehl 124 ein Ende gesetzt hatte, mußte ein Ausweg gefunden werden, um weitere Privatbetriebe der „volkseigenen Industrie" eingliedem zu können. Der Ausweg, den man zunächst beschritt, war der SMAD-Befehl 201, nach dem Strafverfahren gegen angebliche Naziverbrecher durchgeführt werden konnten. Hier war eine bequeme Gelegenheit für weitere Enteignungen, weil in jedem Fall gegen den Angeklagten auf Vermögenseinziehung erkannt werden konnte. Einen Versuch, die zunächst durch Befehl 64 gestoppte Enteignung dennoch über Befehl 201 weiterhin voranzutreiben, stellt z. B. das Strafverfahren gegen Franz Itting sen. und jun. dar. Wie aus dem Bericht des Vorsitzenden der politischen Großen Strafkammer des Landgerichts Gera, Dr. Schneider, vom 2. 12. 1949 an das Thüringische Justizministerium in Erfurt hervorgeht, hatte das „Strafverfahren 201 gegen Itting St.Ks. 85/49” nicht nur „in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt", sondern auch „eine Anzahl typischer Mängel" aufgewiesen. Dr. Schneider fand, daß diese Mängel eine „grundsätzliche Bedeutung haben": Die beiden Ittings waren Miteigentümer des Elektrizitätswerks in Probstzella mit Nebenbetrieben, darunter ein Hotel, Vermögenswert ca. 3 Millionen DM. Beide Familienmitglieder „sind altbekannte führende Mitglieder der früheren SPD gewesen, jetzt der SED; Vater Itting war zweimal im KZ. Am 23. 11. 1948 werden sie verhaftet hnter der Beschuldigung nationalsozialistischer Betätigung in der Zeit von 1930 bis 1945". Die am 20. 1. 1949 gegen sie erhobene Anklage nennt Dr. Schneider „eine Anhäufung von zahlreichen Einzeltatsachen, allgemeinen Redensarten, vage aufgestellten und vielfach unbewiesenen Behauptungen oder Schlußfolgerungen", so daß die 'Ermittlungen für „die schwierige Frage der Nutznießerschaft" unter den Nazis „bei weitem nicht" genügt hätten. Auf Grund dieser mangelhaften Anklage war dann das Hauptverfahren vor der Großen Strafkammer in Rudolstadt am 6. 4. 1949 eröffnet worden, obwohl „von einer außerordentlichen Unterstützung . kaum die Rede sein konnte”. Das Hauptverfahren endet am1 20. Juli 1949 mit der Verurteilung Itting seniors zu 10 Monaten und Itting juniors zu 1 Vi Jahren Gefängnis, „das gesamte Vermögen beider Ittings mit Ausnahme des kleinen Landgutes von Itting sen. und des Einfamilienhauses von Itting jun. wird eingezogen". Die nach dem Enteignungsstop durch Befehl 64 damit über Befehl 201 dennoch erreichte Enteignung des Ittingschen Vermögens fiel auch Schneider auf: „Die Unproportionalität der verhältnismäßig geringen Strafen zu den enormen Vermögenseinziehungen ist augenfällig". Die später von den Angeklagten eingelegte Revision führte am 30. 9. 1949 zur Aufhebung des Rudolstädter Urteils durch das Oberlandesgericht, das die Sache an die Große Strafkammer in Gera zurückverwies, weil die sachlichen Feststellungen ungenügend und die rechtliche Würdigung, namentlich der Schuldfrage, verfehlt waren, wie Schneider in seinem Bericht über diesen Fall dem Justizministerium darlegt. Das schließliche Revisionsurteil, „das von dem Strafkammerurteil fast nichts übrig läßt, legt dar, daß hinsichtlich der Nutznießerschaft bei beiden Angeklagten auf Freispruch . ■ erkannt werden müsse". Am 28. November 1949 spricht dann Dr. Schneider gemäß den Richtlinien des Revisionsurteils Itting sen. frei und stellt das Verfahren gegen Itting jun. ein. Dr. Schneider trägt dem Justizministerium seine Bedenken gegen diesen Prozeß vor, der „keine Musterleistung unserer demokratischen Justiz" sei: „Mit einer Begründung, ähnlich wie sie in der Anklageschrift gegeben war, könnte man fast alle Inhaber von mittleren und großen Betrieben, die in der Nazizeit gearbeitet haben, unter Anklage stellen." Eine solche Handhabung sei geeignet, „die Verfahren nach Befehl 201 allgemein zu diskreditieren. Dazu kommt noch, daß die Unverhältnismäßigkeit zwischen Strafe und Sühnemaßnahmen leicht den durchaus unerwünschten Eindruck entstehen lassen kann, daß der Hauptzweck des Verfahrens nicht die Einstufung und Bestrafung der Angeklagten, sondern die Einziehung des großen Vermögens sei". Dieses sehr vernünftige Urteil Schneiders ist später auf Betreiben der Zentralen Kontrollkommission und des Zentralsekretariats der SED sowie des „Justizministeriums der DDR" kassiert worden. Das Oberlandesgericht unter Vorsitz Dr. Großmanns fällte ein neues Urteil, das zur Einziehung des Ittingschen Vermögens, insbesondere des Elektrizitätswerkes in Probstzella, führte. Damit war nun doch endgültig der Zweck dieses Prozesses erreicht: Der So-wjetzonenstaat hatte sich durch Raub privaten Eigentums wieder einmal bereichert. Immerhin sahen die sowjetzonalen Stellen, daß dieser Umweg über Befehl 201 doch recht umständlich war und es besser wäre, eine richtige „Rechtsgrundlage" für Betriebsenteignungen zu finden. Sie wurde dann auch mit der Wirtschaftsstrafverordnung vom 23. September 1948 geschaffen. Die Wirtschaftsstrafverordnung Das in der sowjetischen Besatzungszone eingeführte planwirtschaftliche System strebt eine totale Regelung aller, auch der imbedeutenden wirtschaftlichen Vorgänge an. Eine unübersehbare Fülle von Rechtsvorschriften und Anordnungen auf wirtschaftlichem Gebiet ist in der Zone die unvermeidliche Folge dieser Totalität ihres planwirtschaftlichen Systems. Die Kenntnis all dieser Vorschriften und Anordnungen ist selbst für Spezialisten des sowjetzonalen Wirtschaftsrechts eine oft unlösbare Aufgabe, für die Gesamtheit der Betriebseigentümer aber ohne Zweifel eine Unmöglichkeit. Verstöße gegen diese Vorschriften sind daher unvermeidlich und häufig, ohne daß ein Verschulden vorliegt. Derartige Verstöße würden in einem 125;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 125 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 125) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952, Seite 125 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 125)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen im sowjetischen Besatzungsgebiet [SBZ, Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil (Ⅰ) 1950-1952, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1952 (Unr. Syst. 1950-1952, S. 1-240).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht die beiveismäßigen Erfordernisse für die Begründung des Verdachts des dringenden Verdachts, einer Straftat und die daraus resultierenden Verhaltensanforderungen an die Mitarbeiter der -Abteilung Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache , tierter in Auswirkung der zunehmenden Aggressivität und Gefährlichkeit des Imperialismus und die sich daraus ergebenden Erfordernisse für die Untersuchungstätigkeit und ihre Leitung einzustellen. Es gelang wirksamer als in den Vorjahren, die breite Palette der Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle auf überprüften, die Tatsachen richtig widerspiegelnden Informationen zu begründen; Anleitung und Kontrolle stärker anhand der Plandokumente vorzunehmen. Wesentliche Maßnahmen der Anleitung und Kontrolle der Bearbeitung; den Einsatz qualifizierter erfahrener operativer Mitarbeiter und IM; den Einsatz spezieller Kräfte und Mittel. Die Leiter der Diensteinheiten, die Zentrale Operative Vorgänge bearbeiten, haben in Zusammenarbeit mit den operativen Diensteinheiten lösen. Nur dadurch kann die in der Regel er forderliche Kombination offizie strafprozessualer Maßnahmen mit vorrangig inoffiziellen politisch-operativen Maßnahmen gewährleistet werden. Geht der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens in der Regel nicht vorausgesehen werden, ob und welche Bedeutung diese vom Beschuldigten als falsch bezeichneten Aussagen im weiteren Verlauf der Untersuchung erlangen. Es ist in Abhängigkeit von den vorhandenen Daten wiederum unterschiedlich konkret und umfangreich sowie mehr oder weniger hyphothetisch oder begründet. Hinsichtlich der strafrechtlichen Qualität des Sachverhalts müssen allerdings mit der Entscheidüng über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens haben die Untersuchunqsabtoilungen Staatssicherheit die Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines rnitTlungsverfahrens abzusehen ist, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege zu übergeben ist odeh ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

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