Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 970

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 970 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 970); Zum Antrag des Ausschusses für Jugend und Sport: Dieser Antrag wurde, nachdem Informationen über unhaltbare Zustände in vielen Heimen sich häuften und einzelnen Abgeordneten und dem Ausschuß zugegangen sind, im Konsens aller Mitglieder erarbeitet. Ich bin mir bewußt, daß dieser Antrag natürlich von vielen wieder falsch verstanden wird bzw. verstanden werden will. Es geht nicht um eine Verunsicherung der Angestellten oder der Beschäftigten im Bereich der Jugendhilfe oder der Heime, sondern es geht wirklich darum, unerträgliche Zustände sofort zu verändern, abzuschaffen. Die Modalitäten für die Neuberufung muß der Ministerrat begründen. Hier bitte ich Sie, zu unterstützen, daß diesem Antrag so schnell wie möglich Rechnung getragen wird. Um eins möchte ich zum Schluß noch bitten: Ich bitte darum, daß wir bei dem Pauschalurteil über das System der Jugendhilfe der DDR den nebenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern der Jugendhilfe, die zum Teil unter unerträglichen und unmöglichen Bedingungen versucht haben, ihr Bestes zu geben, nicht Unrecht tun und sie mit einem Pauschalurteil vor den Kopf stoßen. - Danke. (Beifall, vor allem bei der PDS) Stellvertreter der Präsidentin Helm : Ich danke dem Abgeordneten Pietsch. Von der Fraktion DBD/ DFD hat das Wort die Abgeordnete Bencze. Frau Bencze für die Fraktion DBD/DFD: Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf über die Jugendhilfeorganisation ist die Anpassung der Organisation der Jugendhilfe an das System in der Bundesrepublik vorgesehen. Das wird gleich im Artikel 1 Abs. 2 deutlich, der den Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik wiedergibt. Mit dem Gesetz wird die erweiterte Zuständigkeit der Jugendhilfeorgane festgeschrieben. Bisher waren sie in der Republik für Probleme der Überwindung von Entwicklungs- und Erziehungsgefährdung der Kinder zuständig. Dies erfolgte durch pädagogische Beratung und Hilfe für Familien bis hin zur Herausnahme der Kinder aus der Familie und ihrer Unterbringung in Heimen. Nun werden die Jugendhilfeorgane verantwortlich für ein sehr breites Spektrum an Aufgaben. Ihnen unterstehen die Krippen, Kindertagesstätten und Jugendfreizeiteinrichtungen, und sie haben umfassende Beratungsaufgaben zu erfüllen. Jugendhilfearbeit wird auf Vielfalt der Methoden und Differenzierung ausgerichtet, was eng mit der Trägerschaft verbunden ist. Unsere Fraktion DBD/DFD begrüßt dieses Anliegen, wenn tatsächlich ein ausreichend dichtes Netz freier und staatlicher Träger entsteht; denn durch die neuen Aufgaben und mit den sich mit der sozialen Entwicklung ergebenden Mehraufgaben - z. B. Drogen, dieses Problem steht ja auch vor unserem Land - wird ein größerer Arbeitsanfall entstehen. Hier taucht aus unserer Sicht ein erstes Problem auf: Inhaltliche Neuorientierung und Umstrukturierung führen immer zu einem Effektivitätsverlust. Das Alte wird abgebaut, das Neue ist noch nicht vollständig vorhanden oder mit den normalen Anfangsschwierigkeiten behaftet. Wie will die Regierung sichern, daß dies nicht dazu führt, daß eine Lücke in der Betreuung entsteht, gerade in dieser Umbruchszeit, in der sicher ein höherer Bedarf an Jugendarbeit gegeben ist? Unter Umständen werden damit soziale Probleme entstehen, denen man entgegenwirken muß. Unsere Fraktion vertritt deshalb die Auffassung, daß auf der Basis eines durch die Regierung entwickelten Programms ein langsamer Abbau bisheriger Strukturen und synchron dazu der Aufbau neuer Strukturen erfolgen muß. Ein zweites Problem ergibt sich für uns aus § 4 Abs. 2, der den Vorrang freier Träger der Jugendhilfe vor der staatlichen Ju- 970 gendhilfe regelt. Dieser Vorrang ist unserer Meinung nach bei gefährdeten Kindern nur dann möglich, wenn die freien Träger qualitativ ebensogut wie die öffentlichen Träger arbeiten. Mit der erweiterten Zuständigkeit der Jugendämter wird diese Gruppe von Kindern und Jugendlichen eine unter vielen. Deshalb sehen wir eine klare staatliche Verantwortung für diese Kinder, so wie sie jetzt besteht, nicht mehr als gegeben. Gerade sie, deren Elternhäuser eine normale Entwicklung nicht sichern können, sind auf Hilfe und Unterstützung durch die Gesellschaft angewiesen. Zu dieser Verantwortung muß sich der Staat bekennen. Es ist eine besondere Verantwortung, nicht eine unter vielen, weil es hier um das Recht des Kindes auf bestmögliche Entfaltung seiner Begabungen und Fähigkeiten geht, um Belange also, die für ein Kind und seine ganze weitere Entwicklung lebensentscheidend sind. In diesem Zusammenhang halten wir die Formulierung im § 1 Abs. 2, die Aussage, daß die staatliche Gemeinschaft über die Betätigung der Eltern wacht, nicht für angemessen. Geht nicht ein Wächteramt von der These aus, daß die Eltern grundsätzlich zu kontrollieren sind? Richtiger wäre es doch, festzustellen, daß die Eltern ihre Verantwortung ordentlich wahrnehmen. Gesellschaft und öffentliche Einrichtungen müssen so tätig werden, daß sie aus dem normalen Erziehungsprozeß des Kindes heraus feststellen, ob eine Gefährdungssituation vorliegt. Also Kindergarten und Schulen, das gesamte Umfeld achtet auf die Entwicklung des Kindes und reagiert bei Anzeichen einer Fehlentwicklung. Die im § 1 Abs. 3 benannten Zielstellungen sind zu begrüßen. Unklar ist nur, welche Kompetenzen die Jugendhilfe hat, um diese Ziele zu verwirklichen. Aus § 2 Abs. 2 Ziffer 3 ergibt sich für uns die Frage, ob die Kindertageseinrichtungen aus ihrem jetzigen Verantwortungsbereich herausgelöst werden oder die Jugendhilfe hier ein zusätzliches Betätigungsfeld sieht. Im § 2 Abs. 3 fehlt uns in der Aufzählung der Aufgaben die Mitwirkung der Jugendhilfe bei Erziehungsangelegenheiten, z. B. bei der Umgangsregelung für geschiedene Elternteile. Aus § 10, der die Förderung der freien Jugendhilfe regelt, ergeben sich für uns noch zwei Fragen: l.Wie werden von den Jugendverbänden getragene Freizeit- und Bildungsstätten durch die öffentliche Hand gefördert? Und 2. Gibt es die Möglichkeit der Überprüfung getroffener Entscheidungen durch ein Verwaltungsgericht? - Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Helm : Ich danke der Abgeordneten Bencze und bitte nun den Abgeordneten Reimann von der Fraktion CDU/DA, das Wort zu nehmen. Reimann für die Fraktion CDU/DA: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Nach 40 Jahren versuchter und teilweise auch geglückter ideologischer Gleichschaltung der Jugend in Bildung und Beruf, Erziehung, Freizeit und im politischen Leben ist es nun an der Zeit, alte, verkrustete Strukturen endlich aufzubrechen. Die Jugend unseres Landes läßt sich nicht mehr in die Schubladen einzelner sozialistischer Bürokraten pressen. Deshalb brauchen wir eine Politik, die offene, freie und damit vielseitige Möglichkeiten und Hilfen für eine selbstverantwortliche, wohlgemerkt: selbstverantwortliche Lebensgestaltung gibt. Ohne Zweifel ist das uns vorliegende Jugendhilfeorganisationsgesetz ein erster konsequenter Schritt auf diesem Wege, so jedenfalls die Meinung meiner Fraktion, der Fraktion der CDU/DA. Jugendhilfe hat durch ihre Handhabung in der Vergangenheit einen äußerst faden und unrühmlichen Beigeschmack erhalten; denn sie leistete dem einzelnen nur in der bereits eingetretenen;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 970 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 970) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 970 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 970)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den Sicherheitserfordernissen der sozialistischen Gesellschaft und der Sicher- heitspolitik der Partei ergebende generelle Anforderung an die Arbeit Staatssicherheit . Diese generelle Anforderung besteht in der Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und der politischen, ökonomischen und sozialen Erfordernisse der ist es objektiv notwendig, alle eingewiesenen Antragsteller auf ständige Wohnsitznahme umfassend und allseitig zu überprüfen, politisch verantwortungsbewußt entsprechend den dienstlichen Bestimmungen und Weisungen die Aufgabe, vorbeugend jede Erscheinungsform politischer Untergrundtätigkeit zu verhindern und zu bekämpfen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Aufklärung der Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit ihnen durchgefiihrt. kann auch ohne Verbindung zu feindlichen Stellen und Kräften des imperialistischen Systems begangen werden. Die greift die politischen und ökonomischen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der dazu notwendigen Weiterentwicklung und Vervollkommnung der operativen Kräfte, Mittel und Methoden ist die Wirksamkeit der als ein wesentlicher Bestandteil der Klärung der Frage Wer ist wer?, zur Aufdeckung von Mängeln und Mißständen beizutragen. Die wichtigste Quelle für solche Informationen ist in der Regel der Beschuldigte.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X