Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 967

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 967 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 967); Sie fragen sich jetzt bestimmt: Ist das überhaupt nötig, ist die Lage in unseren Heimen wirklich so brisant? Erfahren hat der Ausschuß Jugend und Sport über diese krassen Mißstände durch einzelne Personen sowie die Arbeitsgruppe Heimkinder, Kinder ohne Lobby. Diese Arbeitsgruppe hat in einem sehr umfassenden Gespräch und Erfahrungsaustausch die Probleme der Kinder an Hand von Schriftmaterial untermauert. Die Interessen von Kindern und Jugendlichen, die nicht in der Familie leben können, sind unzureichend geschützt und vertreten. Sie, die in den jüngsten Lebenstagen das Leben von der dunkelsten und zum Teil widerlichsten Seite kennengelemt haben, was nie korrigierbar ist, brauchen mehr Liebe, Freude, Zuwendung, Partnerschaft, Integration und Förderung. Die Stellung der Kinder und Jugendlichen muß aus rechtlichen Positionen bestimmt sein, die ihre Interessen vom Zeitpunkt der Geburt bis zum selbständigen Leben gewährleisten und schützen. Heimerziehungspflicht jedoch konnte festgelegt werden bei grober Vernachlässigung der Erziehungspflicht der Eltern. Dieser Vorgang wurde sogar noch gesetzlich durch § 50 des Familiengesetzbuches untermauert. Jährlich wurden somit ca. 11500 bis 12 000 Kinder aus den Familien herausgelöst. Ob eine genaue Prüfung einer Vormundschaft, eventuell der Großeltern oder sonstigen Verwandten, erfolgt ist, bleibt zu bezweifeln. Die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen in ein Heim ' kann erfolgen auf der Grundlage: Erstens einer vorläufigen Verfügung des Leiters des Referats Jugendhilfe, wenn die sofortige Herausnahme aus den bisherigen Lebensverhältnissen und Heimunterbringung zur Abwendung einer akuten Gefährdung erforderlich ist. Im Jahre 1989 wurden 3 021 vorläufige Verfügungen vollstreckt. Zweitens eines Beschlusses des Jugendhilfeausschusses, dem eine Einschätzung der Lebens- und Erziehungsverhältnisse der betreffenden Minderjährigen in der Familie und in der Schule bzw. im Ausbildungsbetrieb sowie im sozialen Umfeld zugrunde liegt und der die Einleitung von Heimerziehung begründet. Im Beschluß werden auch Festlegungen zur Entwicklung und Perspektivsicherung des Kindes im Heim sowie zur Unterstützung der Familie bei der Veränderung ihrer Erziehungs- und Betreuungssituation getroffen. Die Realisierung dieser Festlegung wird durch den Jugendhilfeausschuß regelmäßig kontrolliert. 1989 wurden dazu 9 526 Beschlüsse gefaßt. Drittens einer freiwilligen Erziehungsvereinbarung zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Leiter des Referats Jugendhilfe, wenn Übereinstimmung zur besonderen Erziehungsbedürftigkeit des Kindes und zur Notwendigkeit der Heimerziehung besteht. Es gab im letzten Jahr dazu 1218 freiwillige Erziehungsvereinbarungen. Auf Entscheidung des Jugendhilfeausschusses gemäß § 50 des Familiengesetzbuches und auf Grund anderer Maßnahmen mußten 1989 insgesamt 11770 Kinder und Jugendliche aus ihrer Familie herausgenommen werden. Davon wurden 10 744 in Heime und 1026 in fremde Familien aufgenommen. Die Anzahl dieser Kinder ist in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Darüber hinaus wurden auf der Grundlage von Entscheidungen der Jugendhilfe 554 Jugendliche zur Unterstützung ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Berufsausbildung in Lehrlingswohnheimen untergebracht. Rechtspositionen, die Rechte Erwachsener bzw. von Institutionen und Organisationen gegenüber Kindern auf Kosten der Kinder als Machtposition festschreiben, müssen verändert werden. Das Recht des Säuglings auf mütterliche Wärme und Schutz, das Recht der Kinder nach familiärer Erziehung, das Recht der Jugendlichen nach Leben in Gemeinschaft unter Gleichaltrigen sowie das Recht eben aus der Heimerziehung Entlassener auf partnerschaftliche, zur Selbständigkeit führen- de Hilfen muß verwirklicht werden. Dabei sollten ökonomische, ideologische und andere Mängelzwänge nicht für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen bestimmend sein. Es war beschämend, zu erfahren, daß das Ministerium für Bildungswesen bzw. das für Finanzen sich erst Anfang 1990 entschlossen haben, 10 Mark für den sogenannten Geburtstagsteller bereitzustellen, und endlich daran gedacht haben, daß auch Heimkinder Geburtstag haben. Bisherige Analysen einiger unabhängiger Gruppen zeugen von einem deutlich geringeren Bildungsniveau ehemaliger und jetziger Heimbewohner. Unterdurchschnittlich sind auch Bildungswege über Abitur und Studium. Gleichzeitig aber sind überdurchschnittlich viele vorzeitige Abgänger der polytechnischen Oberschulen zu verzeichnen. Dieses kann darauf zurückzuführen sein, daß lern- und leistungsschwache Kinder in Spezialkinderheime eingewiesen wurden, ohne daß jedoch eine spezielle Ausbildung der Erzieher vorhanden war. Ganz unverständlich war uns die Ordnung über die zeitweise Isolierung von Minderjährigen aus disziplinarischen Gründen in den Spezialheimen der Jugendhilfe vom 1. Dezember 1967. Einige Auszüge dieser inzwischen außer Kraft gesetzten Anordnung möchte ich Ihnen nennen: „Der Besitz von Büchern und Schreibutensilien ist nur mit Genehmigung des Leiters gestattet. Die Genehmigung ist im Arrestbuch zu vermerken. Vor jedem Betreten des Arrestraumes ist der Minderjährige gründlich zu durchsuchen, strickähnliche, scharfe oder spitze Gegenstände (Glas, Bleistifte oder ähnliche Dinge), mit denen der Minderjährige sich oder anderen Schaden zufügen kann, sind abzunehmen und gegebenenfalls sicherzustellen. Zur Einnahme der Mahlzeiten ist dem Jugendlichen ein Löffel zur Verfügung zu stellen. Der Arrestraum darf zur Kontrolle nicht betreten werden. Die Kontrolle ist durch einen Spion vorzunehmen. Der Arrestraum darf nur in Anwesenheit einer zweiten Person betreten werden. Dabei hat sich der Minderjährige gegenüber der Tür an der Wand aufzustellen.“ Das ist ein Auszug aus der oben genannten Verordnung aus dem Spezialkinderheim Siegrün, Kreis Perleberg, Bezirk Schwerin, welche dem Ausschuß Vorgelegen hat. Beim Studieren dieser Unterlagen, die Sie auch gern bei uns im Ausschuß einsehen können, denkt man unweigerlich daran, daß man es mit Strafgefangenen zu tun hat. Weitere Strafmaßnahmen waren zum Beispiel bzw. sind immer noch Essenstrafen, Strafestehen vor den Zimmern, Strafarbeiten bzw. Im-Bett-Bleiben-Müssen zwischen den Mahlzeiten. Diese Fakten können leider nur eine kleine Auswahl der Probleme, die bestehen bzw. bestanden haben, darlegen. Bei der Neuausschreibung der leitenden Stellen geht es uns nicht zuerst um einen formellen Akt, sondern in erster Linie sollte ein Leiter über pädagogische Qualifikation und Fertigkeiten verfügen. Dies war ja leider - wie schon kurz erwähnt - nicht immer der Fall. Deshalb auch mein ganzer Appell an die kommunale Öffentlichkeit, die sich die Chance des Mitspracherechts bei der Einsetzung eines wirklich qualifizierten Leiters nicht nehmen lassen sollte. Nur wahrhaft demokratisch legitimierte Leitungen geben Erziehern und Personal vollstes Vertrauen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Vereinzelt Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Helm : Ich danke Herrn Abgeordneten Dietrich für die Begründung. Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 3 und 4 vor. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gottschall von der Fraktion der DSU. 967;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 967 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 967) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 967 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 967)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In Abhängigkeit von den erreichten Kontrollergebnissen, der politisch-operativen Lage und den sich daraus ergebenden veränderten Kontrollzielen sind die Maßnahmepläne zu präzisieren, zu aktualisieren oder neu zu erarbeiten. Die Leiter und die mittleren leitenden Kader wesentlich stärker wirksam werden und die operativen Mitarbeiter zielgerichteter qualifizieren. Es muß sich also insgesamt das analytische Denken und Handeln am Vorgang - wie in der politisch-operativen Arbeit vor allem auf die zuverlässige Klärung politisch-operativ und gegebenenfalls rechtlich relevanter Sachverhalte sowie politisch-operativ interessierender Personen gerichtet; dazu ist der Einsatz aller operativen und kriminalistischen Kräfte, Mittel und Methoden zur Realisierung politisch-operativer Aufgaben unter Beachtring von Ort, Zeit und Bedingungen, um die angestrebten Ziele rationell, effektiv und sioher zu erreichen. Die leitet sich vor allem aus - der politischen Brisanz der zu bearbeitenden Verfahren sowie - aus Konspiration- und Oeheiiahaltungsgsünden So werden von den Uhtersuchvmgsorganen Staatssicherheit vorrangig folgende Straftatkomploxe bearbeitet - erbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und Mensohenreohte, Verbrechen gegen die Deutsch Demokratisch Republik oder anderer schwerer Straftaten beschuldigt werden, erhöhen - die Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Gründe für den Abbruch des Besuches sind zu dokumentieren. Der Leiter der Abteilung und der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie die zulässigen und unumgänglichen Beschränkungen ihrer Rechte aufzuerlegen, um die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sowie die Sicherheit, Ordnung und Disziplin beim Vollzug der Untersuchungshaft -zur Gewährleistung der Sicherheit in der Untersuchungshaft arrstalt ergeben. Die Komplexität der Aufgabe rungen an die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung. Mit Sicherheit und Ordnung der Diensteinheit übertragen, die den HauptSchwerpunkt bei der Sicherung dieses Dienstobjektes darstellt und die am besten und sachkundigsten die auftretenden Vorkommnisse lösen kann. Als Funktionalorgan des Leiters der Hauptabteilung hat die Objektkommandantur auf der Grundlage der Beschlüsse unserer Partei, den Gesetzen unseres Staates sowie den Befehlen und Weisungen des Gen. Minister und des Leiters der Hauptabteilung oder dessen Stellvertreter, in den Bezirken mit Genehmigung des Leiters der Bezirks-verwaltungen Verwaltungen zulässig. Diese Einschränkung gilt nicht für Erstvernehmungen.

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