Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 764

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 764 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 764); Nun wird der SPD zuweilen vorgeworfen - Herr Klein von der DSU hat es vorhin etwas unterschwellig auch gemacht sie würde sich zum Anwalt der europäischen Nachbarn machen und zu wenig eigene Zielstellungen, eigene deutsche Interessen vertreten. Und ich behaupte, daß sich beide Interessen, die unserer Nachbarn und unsere eigenen, weitgehend decken. Unsere außenpolitischen Zielstellungen im Vereinigungsprozeß sind die folgenden: Erstens: Beendigung des Nachkriegsstatus von Deutschland mit dem Ziel der Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte. Zweitens: Eine weitgehende Entmilitarisierung des Gebietes der DDR, um mittelfristig Gelder für sinnvollere Zielstellungen feizubekommen, junge Menschen so wenig wie möglich zu Verteidigungsaufgaben verpflichten zu müssen sowie Schädigungen des Menschen und seiner Umwelt auf Grund militärischer Aktivitäten zu verringern. Drittens: Die politische und wirtschaftliche Integration in die bislang auf Westeuropa beschränkten europäischen Strukturen über die Bundesrepublik und Viertens: Ein europäisches Sicherheitssystem, das auch uns Sicherheit vor militärischer Bedrohung mittels konfliktlösender Institutionen bietet. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir in diesem Hause Konsens über diese Zielstellungen erreichen können, das haben auch die bisherigen Beiträge gezeigt, und vermutlich würden auch die vier Siegermächte diesen sehr allgemein gehaltenen Maximen zustimmen können. Ihre Sorgen beziehen sich vor allem aber auf die wirtschaftliche Kraft eines geeinten Deutschlands und auf einen wiedererstarkenden deutschen Nationalismus. Beide Bedenken beständen zu Recht in einem von der europäischen Entwicklung losgelösten deutschen Einigungsprozeß, nicht aber, wenn wir diesen deutschen Einigungsprozeß in den europäischen einbetten. Nun sieht aber ein jeder: Die Westintegration der DDR verläuft deutlich schneller, als die von Polen, der CSFR und Ungarn. Das europäische Bett wächst vorerst nicht im gleichen Tempo wie die darin liegende deutsche Einheit. Dies erzeugt Mißtrauen, das jeder von uns in Gesprächen mit europäischen Politikern wahrnehmen konnte. In dieser Situation ist der Antrag der DSU, der Bundesrepublik nach Artikel 23 sofort beizutreten, nicht sonderlich hilfreich gewesen. (Beifall bei SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne) Diesem Antrag aber dann noch die Überweisung in den Außenausschuß zu verweigern, dem stehen wir Sozialdemokraten mit totalem Unverständnis gegenüber. (Beifall bei SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne) Da kommt aus den Reihen der DSU die Äußerung, Artikel 23 sei eine rein innerdeutsche Angelegenheit, wir müßten nun endlich einmal deutsche Interessen durchsetzen. - Ich frage mich, ob wir nicht seit dem Herbst 1989 ohne Pause unsere Interessen durchgesetzt haben. Und aus der CDU war zu hören, eine Überweisung würde den deutschen Einigungsprozeß nur komplizieren und damit verlangsamen. Zur Klarstellung: Ich will den Kollegen aus der DSU und der CDU nicht unterstellen, sie würden sich bedenkenlos über die Sorgen unserer europäischen Nachbarn und speziell der vier Siegermächte hinwegsetzen. Zu ihren Gunsten will ich vielmehr annehmen, daß sie sich zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Tragweite dieses eher nebensächlich erscheinenden Antrages nicht im klaren waren. (Nicht zu verstehende Bemerkungen bei CDU/DA) Für dumm halte ich Sie nicht, aber für parteipolitisch gebunden. (Beifall bei SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne) Bei der zweiten Abstimmung war es dann so, daß Sie nicht mehr zurück konnten oder wollten. - Benutzen Sie also bitte die goldenen Brücken, die wir Ihnen jetzt bauen, nicht nur wir, sondern andere Fraktionen auch. (Gelächter bei CDU/DA) Die Gretchenfrage der jetzt laufenden 2 plus 4- Gespräche dürfte die nach der Bündniszugehörigkeit sein. Ich bin ein wenig enttäuscht gewesen, daß Herr Willerding, der hier die Regierung so stark angefragt hat, überhaupt kein eigenes Konzept in dieser Frage vorstellen konnte, sondern ständig nur Fragen formulierte. (Zuruf bei der PDS: Wir regieren ja nicht!) Sicherlich, das ist Ihr Privileg als Opposition. Ein entmilitarisiertes oder neutrales Deutschland wird von unseren europäischen Nachbarn als zu riskant abgelehnt. Eine Doppelmitgliedschaft in beiden Bündnissen könnten wir uns praktisch als sehr schwierig vorstellen. Der Logik des Artikels 23 folgend, müßte die DDR automatisch Mitglied der NATO sein. (Vereinzelt Beifall) Sie können sich Ihren Beifall für nachher aufsparen. - Unter den jetzigen Konditionen kann sich das wohl niemand in Ost und West vorstellen. Der Umgestaltungsprozeß in Osteuropa ermöglicht aber Randbedingungen, unter denen wir einer Mitgliedschaft in der NATO zustimmen können. Diese Randbedinguan-gen sind teilweise genannt worden: 1. Auf dem Gebiet der DDR befinden sich keine NATO-Trup-pen. 2. Die NATO gesteht einem geeinten Deutschland zu, daß auf seinem Gebiet keine ABC-Waffen stationiert werden. 3. Die NATO trennt sich von ihrer Strategie, die Vorneverteidigung und nukleare Ersteinsatzoption einschließt. Eine derart veränderte Strategie wurde auf der Frühjahrstagung der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel erwogen und sollte Verhandlungsgegenstand der Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen Anfang Juli in London sein. Parallel dazu sollte die NATO mehr und mehr in eine politische Organisation umgewandelt werden. 4. Da die NATO kaum von den N + N-Staaten und denen der WVO als Basis eines künftigen europäischen Sicherheitssystems anerkannt werden dürfte, kann ich mir eine NATO-Mitgliedschaft eines geeinten Deutschlands auch nur als Zwischenlösung vorstellen, die, zeitlich verschoben, schrittweise durch ein zu schaffendes europäisches Sicherheitssystem im KSZE-Prozeß ergänzt und später ersetzt wird. Wie auch die Details eines 2 plus 4-Abkommens aussehen mögen, es darf keine Kategorien wie Sieger oder Verlierer in diesem Prozeß geben. Nach dem Mischen der europäischen Karten im Herbst 1990 darf der schwarze Peter nicht bei der Sowjetunion bleiben, dies vor allem deshalb, weil in der Geschichte solche Verträge sich als instabil erwiesen haben, die unter Ausnutzung einer geschwächten Verhandlungsposition eines der Partner zustande kamen. Auch wenn der außenpolitische Spielraum der Noch-DDR recht begrenzt ist, so sollten wir doch gemeinsam unseren Außenminister in seinem Bemühen unterstützen, um Vertrauen in Ost- und Westeuropa in ein friedensfähiges und europäisches Deutschland zu werben. Ich bedanke mich. 764 (Beifall bei SPD und Bündnis 90/Grüne);
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 764 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 764) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 764 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 764)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl rsonen rsonen Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesve rräterische. Nach richtenüber-mittlung, Landesve rräterische Agententätigkeit, Landesverräterische Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage der erarbeiteten politisch-operativ bedeutsamen Informationen noch stärker und differenzierter zur Einleitung und Realisierung von Maßnahmen zur Veränderung der Situation herangezogen werden.

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