Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 571

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 571 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 571); Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte nun von der Fraktion der PDS Herrn Gregor Gysi, das Wort zu nehmen. Dr. Gysi für die Fraktion der PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das heute zu behandelnde Ratifizierungsgesetz zum Staatsvertrag zwischen der DDR und der BRD über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion besitzt - und hier stimme ich zu -grundlegende Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger der DDR und der BRD. Mit der Inkraftsetzung dieses Vertrages sollen die entscheidenden Voraussetzungen der Vereinigung beider deutscher Staaten auf den drei genannten Gebieten geschaffen werden. Entgegen dem Anliegen eines Vertrages kann beim Staatsvertrag jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß hier ein gleichberechtigtes Zusammenwirken stattgefunden hat. Einseitig wird die völkerrechtliche Souveränität der DDR zugunsten der BRD eingeschränkt. Dies stellt schon deshalb eine Verfassungsverletzung dar, weil der Vertrag andererseits die staatliche Einigung beider deutscher Staaten zeitlich und sachlich nicht fixiert und Mitwirkungsrechte der DDR auch nicht einklagbar normiert. Verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch steht iedoch außer Zweifel, daß die Schaffung einer gesamtdeutschen aatlichkeit der entsprechenden verfassungsrechtlichen Grundlagen bedarf. Das gilt auch bei der Anwendung des Artikels 23 des Grundgesetzes der BRD. Ein solcher Beitritt kann nur in Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts eines Volkes und bei der Wahrung staatlicher Souveränität erfolgen, also auf dem Wege einer verfassungsrechtlichen Vereinbarung zwischen beiden Staaten. Der Staatsvertrag stellt den Versuch dar, eine solche verfassungsrechtliche Vereinbarung zu umgehen. Da helfen auch die sehr indifferent formulierten Verfassungsgrundsätze, die am 17. Juni angenommen wurden, nichts. Sie führen lediglich dazu, daß nun restlos unklar ist, in welchem Umfange die Verfassung der DDR noch gilt. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten setzt nach unserer Auffassung die Schaffung einer gemeinsamen, demokra-tisch-legitimierten verfassungsgebenden Versammlung voraus, die eine neue Verfassung erarbeitet, die durch Volksentscheid zu bestätigen ist. Ein solcher Vorgang kann und darf durch den Staatsvertrag nicht ersetzt werden. Von besonderer verfassungsrechtlicher Bedeutung im Staats-'rtrag ist der Artikel 2 Abs. 2, der festlegt, daß Vorschriften der Verfassung der DDR, die den im Abs. 1 genannten Zielen entgegenstehen, nicht mehr angewendet werden. Abgesehen davon, daß durch einen Vertrag zwischen zwei Regierungen die Anwendung der Verfassung eines Landes nicht ausgeschlossen werden darf, müßte diese Bestimmung inzwischen völlig überflüssig geworden sein, da die Regierungskoalition davon ausgeht, durch die in den vergangenen Wochen und Tagen vollzogenen Verfassungsänderungen die Ziele im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 des Staatsvertrages eindeutig bestimmt zu haben. Ferner sind ja gerade deshalb die von mir bereits genannten Verfassungsgrundsätze durch die Volkskammer verabschiedet worden. Damit wäre der Artikel 2 Abs. 2 des Staatsvertrages gegenstandslos. Wenn er dennoch beibehalten wird, so muß einfach vermutet werden, daß eine weitergehende Verpflichtung der Organe der DDR bestehen soll, die geltende Verfassung nicht anzuwenden. Damit ist auch die Gefahr nicht auszuschließen, daß die DDR behindert werden könnte, ihre internationalen Verpflichtungen wahrzunehmen. Von besonderer verfassungsrechtlicher Bedeutung ist ferner der Artikel 9 des Staatsvertrages. Hier ist vereinbart, daß Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zwischen den Regierungen der Vertragspartner zu vereinbaren sind. Da es eine juristische Selbstverständlichkeit ist, daß Änderungen und Ergän- zungen eines Vertrages ebenso vereinbart werden müssen wie der Vertrag selbst, liegt darin nicht die Bedeutung dieses Artikels. Entscheidend ist vielmehr, daß die Regierungen zur Vereinbarung von Änderungen und Ergänzungen befugt sind. Dies widerspricht ganz offensichtlich den Grundsätzen des Vertragsrechtes, das für Änderungen und Ergänzungen eines Vertrages das jeweils gleiche rechtsstaatliche Verfahren wie bei der Inkraftsetzung vorsieht. Daraus würde sich für beide Staaten ergeben, daß Änderungen und Ergänzungen eines Staatsvertrages stets auch der Zustimmung der Parlamente beider deutscher Staaten bedürften. Ein anderes Verfahren widerspricht bei uns auch Artikel 48 der Verfassung der DDR. Im Staatsvertrag wird aber vereinbart, daß die Regierungen den einmal durch uns - falls es dazu kommt - bestätigten Vertrag jederzeit ergänzen oder ändern dürfen, ohne daß dafür noch die Zustimmung der Parlamente in beiden deutschen Staaten einzuholen ist. Eine solche Regelung dürfte in einem völkerrechtlichen Vertrag, der die Ratifizierung durch Parlamente vorsieht, einmalig sein. Hier ist die Entmündigung des Bundestages und der Volkskammer vereinbart worden. Verfassungsrechtlich schwer bedenklich ist auch die Regelung in der Anlage II des Staatsvertrages und im § 2 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der BRD in der DDR. Bekanntlich werden bestimmte Gesetze der Bundesrepublik durch die Volkskammer auch in der DDR über den Staatsvertrag in Kraft gesetzt. In den genannten Regelungen ist nun aber festgelegt, daß dann, wenn die entsprechenden Organe der BRD die durch uns übernommenen Gesetze, Rechtsverordnungen und weiteren Regelungen verändern, diese Veränderungen unmittelbar in der DDR gelten. Dies widerspricht grundlegenden Rechtsprinzipien. Die Gesetzgebungsorgane der DDR haben keine Möglichkeit, die Inkraftsetzung solcher Veränderungsvorschriften zu verhindern, auch dann nicht, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger der DDR von großem Nachteil wären. Es ist ausschließlich vorgesehen, daß die zuständigen Instanzen der DDR das Recht zur vorherigen Stellungnahme besitzen. Die Organe der BRD sind jedoch zur Berücksichtigung dieser Stellungnahme nicht verpflichtet. Der Verstoß gegen die Rechtshoheit der DDR ist um so gravierender, als nicht nur Entscheidungen von Verfassungsorganen der Bundesrepublik, sondern auch die solcher Institutionen wie Bundesbank und Bundesaufsichtsämter für Versicherungs- und Kreditwesen unmittelbare Wirkungen in der DDR besitzen sollen. Damit sind Parlament und Regierung der DDR schlechter gestellt als Parlament und Senat von Westberlin. Immerhin muß das Parlament in Westberlin noch zustimmen, wenn Gesetze der BRD in Westberlin in Kraft treten sollen. Während also der Art. 9 des Staatsvertrages nur die Parlamente der DDR und der BRD entmündigt und die Rechte der Regierungen unzulässig ausweitet, werden über die hier genannten Vorschriften einseitig die Volkskammer der DDR und zusätzlich auch noch die Regierung der DDR entmündigt. Bedenklich ist ferner eine Regelung in Art. 7 des Staatsvertrages, wonach die Bundesregierung durch Anrufung des Schiedsgerichtes auch bei einem inneren Rechtsstreit die Zuständigkeit von DDR-Gerichten ausschließen kann. Verfassungsrechtlich und wirtschaftspolitisch bedenklich ist ferner die Regelung im Art. 1 Abs. 3, wonach das Privateigentum eindeutig favorisiert wird. Dies widerspricht sogar den Leitsätzen unter II/4, wonach staatliche und genossenschaftliche Betriebe ebenfalls ihre Chance im Wettbewerb erhalten sollen. Der Vertrag ist also auch in sich widersprüchlich. Die wirtschaftspolitischen Bedenken unserer Fraktion sind bekannt. Richtig wäre es nach unserer Auffassung gewesen, den 571;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 571 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 571) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 571 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 571)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In der politisch-operativen Arbeit ist schöpferische erforderlich; denn Entwerfen von Varianten, Entwickeln von operativen Kombinationen, Aufbau von Legenden, Planung komplexer operativer Maßnahmen und Aufklärung der Pläne und Absichten negativer oder verdächtiger Gruppierungen und bestimmter Konzentrationspunkte im Verantwortungsbereich zur Störung der betreffenden Ereignisse, um rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zu deren Verhinderung einleiten zu können. Erarbeitung von Informationen über - feindliche Beeinflussungs- oder Abwerbungsversuche - Konfliktsituationen, operativ bedeutsame Kontakthandlungen oder - ein mögliches beabsichtigtes ungesetzliches Verlassen im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Auswahl und beim Einsatz der sowie der Ausarbeitung und Anwendung operativer Legenden und Kombinationen; Organisierung der Zusammenarbeit sowie der erforderlichen Konsultationen mit den Diensteinheiten der Linie und sim Zusammenwirken mit den verantwortlichen Kräften der Deut sehen Volkspolizei und der Zollverwaltung der DDR; qualifizierte politisch-operative Abwehrarbeit in Einrichtungen auf den Transitwegen zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischen Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougend-licher durch den Genner. Das sozialistische Strafrecht enthält umfassende Möglichkeiten zur konsequenten, wirksamen unc differenzierten vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der hier zu untersuchenden Erscheinungsformen gesellschaftsschädlicher Verhaltensweisen Ougendlicher werden Jedoch Prüfungshandlungen sowie Befragungen auf verfassungsrechtlicher auf Grundlage des Gesetzes relativ häufig durchgeführt. Alle diesbezüglichen Maßnahmen durch die Diensteinheiten der Linie sowie der Partner in der Zusammenarbeit und dem Zusammenwirken müssen bewußt unter dem Aspekt einer zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit gestaltet werden.

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