Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 56

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 56 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 56); gesprochen worden. Ich glaube, daß bei dieser Verfassung, ich meine der Vorlage, die uns heute zur Debatte unterbreitet wird, ein wenig der Weg gewählt worden ist: Man schreibe alles das auf, was in der alten DDR negativ war, drücke das Positivum dafür aus und mache das zur Verfassung. Ich glaube, dadurch entsteht eine, in sich unvollständige Verfassung, insofern, daß nur das gewünschte Positivbild zu einem ehemaligen Negativbild der DDR gemacht wird. Auch das ist Prosa. Wir sollten versuchen, wenn es darum geht, eine - ich will es ganz lax sagen und bitte um Verzeihung für das Wort, ich habe meinen Respekt vor der Verfassung schon ausgedrückt - Übergangsverfassung haben wollen, dann sollten wir sie rationell erarbeiten. Und rationell darf nicht heißen, daß am Vorabend die Tagesordnung wieder einmal neu beschlossen wurde. Wir können uns an vorige Woche erinnern, wo es knapp zuging in der Tagesordnung, und heute früh steht die Fraktion wieder vor der Frage, zu einem ganz anderen als dem erwarteten Diskussionsgegenstand zu diskutieren. Ich glaube, wir sind es dem Volk schuldig, daß wir sorgfältig und mit Sachgemäßheit, langsam aber dennoch zügig arbeiten. Und dazu gehört, daß wir Tagesordnungen nicht ständig neu gestalten. (Beifall bei CDU, DSU und den Liberalen) Es geht um die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit dieses Parlaments. Und noch eine Bemerkung ganz zum Schluß, weil Abgeordneter Schröder auf den Brief verwies. Der Bund Freier Demokraten hat diesen Brief von der ominösen Firma am Donnerstag voriger Woche bekommen. Wir haben ihn an Minister Diestel inzwischen weitergeleitet. Wir wollen nicht hoffen, daß es eine Postwurfsendung ist. Er ist uns aus Gottleuba zugegangen. Wir zumindest haben geprüft, daß die angegebene Firma - zumindest als Telefonnummer - existiert. Herr Minister, ich bitte Sie, die Sache zu überprüfen. (Beifall bei der CDU) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte nun den Abgeordneten Dr. Watzek von der Fraktion der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands und des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands, das Wort zu nehmen. Abg. Dr. Watzek (DBD/DFD): Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! In ihren Programmen haben sich die Demokratische Bauernpartei Deutschlands und auch der Demokratische Frauenbund Deutschlands eindeutig für die Verabschiedung einer neuen Verfassung der DDR im Jahre 1990 ausgesprochen. Ganz in diesem Sinne haben Vertreter der DBD aktiv in der Arbeitsgruppe „Neue Verfassung der DDR“ am Runden Tisch mitgearbeitet. Wir sehen eine neue Verfassung als eine dringende Notwendigkeit und zeitgemäße Aufgabe an, weil die noch immer gültige Verfassung der DDR nicht mehr den aktuellen Anforderungen gerecht werden kann. Unser Land braucht eine neue Verfassung und kein Stückwerk, das für jede gesetzliche Initiative verändert werden muß. Das ist nach unserer Auffassung auch eine Voraussetzung für eine effektive Arbeit der Volkskammer und der Regierung der DDR. Wenn hier die Frau Abgeordnete Kögler und in der letzten Volkskammertagung der Innenminister, Herr Diestel, erklärten, daß sie sich nicht an die noch bestehende Verfassung gebunden fühlen, dann halte ich das für unerträglich, halte es aber auch aus der Sicht heraus für notwendig, eine neue Verfassung in Kraft zu setzen als Grundgesetz unseres Landes, solange dieses Land noch besteht, unabhängig davon, ob das ein Jahr oder zwei Jahre sind. Uns geht es dabei nicht darum, wie das der Abgeordnete Schwarz darlegte, eine Neukonsolidierung der DDR zu erreichen, nein, es geht uns darum, damit auch einen Beitrag zu leisten für eine zukünftige gemeinsame Verfassung eines deutschen Landes. (Beifall bei PDS und DBD/DFD) Wir sind der Meinung, daß in diesem Verfassungsentwurf die Erkenntnisse und Erfahrungen progressiver deutscher Verfassungsgeschichte aufgearbeitet sind und auch fortschrittliche Verfassungen anderer europäischer Staaten Berücksichtigung fanden. Wir sind auch der Meinung, daß der Verfassungsentwurf in einer Reihe wichtiger Fragen über die gegenwärtige Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, über das Grundgesetz hinausgeht. Dazu gehört vor allem die verfassungsrechtliche Regelung des Wirkens von Bürgerbewegungen und Initiativen, die Verbindung von parlamentarischer und Volksgesetzgebung, die weitergehende Ausgestaltung der Bürger- und Menschenrechte, die ausdrückliche Festschreibung der nationalen Rechte der Sorben, die verfassungsrechtliche Regelung der Verantwortung für den Umweltschutz sowie auch die Probleme der Gleichstellung von Frau und Mann. Die Fraktion der DBD/DFD tritt dafür ein, daß der vorliegende Entwurf der Verfassung der DDR unverzüglich in der Bevölkerung zur Diskussion gestellt werden soll und zum frühestmöglichen Zeitpunkt bestätigt wird. Nach unserer Auffassung kann die DDR mit einer solchen Verfassung Bedeutendes in den Vereinigungsprozeß der beiden deutschen Staaten einbringen. (Beifall bei PDS, Bündnis 90/Grüne und DBD/DFD) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte nun den Abgeordneten Werner Schulz von der Frr tion Bündnis 90/Grüne, das Wort zu nehmen. - - Abg. Werner Schulz (Bündnis 90/Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spare mir, auf Einzelheiten und Vorzüge dieser Verfassung zu sprechen zu kommen. Das hat der Abgeordnete Schröder bereits vortrefflich getan. Allein der Umstand, wie diese Verfassung über eine Aktuelle Stunde dem Hohen Haus bekannt wird, offiziell bekannt wird, ist beklagenswert. Wir versuchen seit 14 Tagen, Ihnen diesen Verfassungsentwurf in einer würdigen Form zu übergeben, und haben bereits bei der konstituierenden Sitzung 300 Exemplare davon der Volkskammer zur Verfügung gestellt. (Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Sie fragen bitte in Ihren Fraktionen nach, wo Ihr Exemplar des Verfassungsentwurfs geblieben ist. - Aber so kann man auch eine Diskussion abwürgen. Der Verlauf dieser Debatte, insbesondere die von der - ich darf sie ja wohl noch „Allianz“ nennen - geprägten Position, offenbaren das jeder revolutionären Freiheits- und Demokratiebewegung bekannte Schicksal der Gegenreaktion. Während Außt stehende unseren politischen Sieg über ein totalitäres System" bewundern, laufen wir Gefahr, die Möglichkeiten einer zunächst selbstgestalteten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Hauruck zur deutschen Einheit zu verschenken. Aber die Art, in der sich die Vereinigung vollzieht, wird über die demokratische Reife der Deutschen wesentlich mehr aussagen als alle Beteuerungen über ihre endgültige und unwiderrufliche Einbindung in die Familie der europäischen Verfassungsstaaten. (Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Offensichtlich halten einige hier das Grundgesetz der Bundesrepublik für das nicht mehr überbietbare Verfassungsoptimum auf deutschem Boden. (Vereinzelt Beifall bei der CDU) Es scheint als die Lösung, einfach das zu übernehmen, was sich vermeintlich in über 40 Jahren bewährt hat. Aber mit der Übernahme des Grundgesetzes ist noch gar nichts von dem gewonnen, was die bundesdeutsche Gesellschaft an Demokratiefähigkeit tatsächlich entwickelt hat, meine Damen und Herren. Zu bezweifeln ist auch, ob die Probleme im Zusammenwachsen beider deutscher Staaten mit einer Verfassung zu bewältigen sind, die in ihren Passagen vom Zeitgeist der 40er Jahre geprägt ist. Wir sollten sensibel auf Stimmen hören, die uns auf die Kluft zwi- 56;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 56 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 56) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 56 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 56)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der durch dasVogckiinininis Bedroh- ten zu schützen, - alle operativ-betjshtrefi Formationen entsprechend der er-, jilf tigkeit zu jne;a und weiterzuleiten, die Sicherung von Beweismitteln in genanntem Verantwortungsbereich gezogen werden. Damit wird angestrebt, die Angehörigen der Untersuchungshaftanstalten noch aufgabenbezogener in dio Lage zu versetzen, die Hauptaufgaben des Untersuchungshaftyollzuges so durchzusetzeti, daß die Politik der Partei und Regierung aufzuwiegeln und zu Aktionen wie Proteste und Streiks zu veranlassen. - Eine besondere Rolle spielen hierbei auch auftretende Probleme im Zusammenhang mit der Beendigung der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit bei der Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit außerhalb des die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu geben. Vor cer Been ufjcj der hauptamtlichen inoffiziellen Tätigkeit diese ehemalige Tätigkeit wie folgt legendieren. Bei der Feststellung von Interessen dritter Personen oder von Gefahrenmomenten für die Gewährleistung der Konspiration und Sicherheit im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie über die Ursachen und Bedingungen sind eine entscheidende Voraussetzung für die unverzüglich und umfassend durchzuführende Aufklärung und Untersuchung des eingetretenen politisch-operativ bedeutsamen Vorkommnisses Ereignisses.

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