Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 55

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 55 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 55); Und wir plädieren dafür, daß dieser Entwurf im Parlament, in den anderen Volksvertretungen unserer Republik, in den Strukturen dieser Organe erörtert wird. Wenn man in die Details des Verfassungsentwurfs gehen würde, könnte man eine ganze Reihe von Punkten finden, bei denen auf der Basis einer generellen Zustimmung Präzisierungen, Veränderungen, Verbesserungen nötig und möglich wären. Ohne daß ich im einzelnen jetzt Vorschläge unterbreiten möchte, würde ich glauben, daß sich selbst in diesem auch aus meiner Sicht vorzüglichen Grundrechtsabschnitt solche Varianten anbieten. Darüber könnte gesprochen werden. Ich könnte mir vorstellen, daß es auch andere Sichtweisen gibt, z. B. in dem Feld jener Regelungsvorschläge, die sich beziehen auf das Verhältnis von Parlament zu anderen Organen im Sinne der Ausprägung eines noch stärkeren echten parlamentarischen Systems. Das berührt z. B. das Problem der Bindungswirkung eines dem Modell des Bundesverfassungsgerichts nachgebildeten Verfassungsgerichts für diese DDR, das ja mit einer Mehrheit von Richtern, die sich auf ein Gremium von maximal 9 beziehen, Entscheidungen treffen könnte, die Bindungswirkung für das Parlament haben. (Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Herr Abgeordneter.) Ja, ich komme zum Schluß. Danke. - Wir sind für die Autorisie-rung dieser Verfassung durch die Bevölkerung, die nicht verfaßt ;rden sollte, sondern sich in einem solchen Prozeß der Diskus-"sfbn ihre Verfassung als Subjekt selbst geben sollte, um so mehr, als mit dem, was auf uns zukommt, auch mit Hilfe einer Verfassungsordnung die Befindlichkeiten der Bürger in einer Vielfalt unmittelbar berührt sind. - Danke. (Beifall, vor allem bei der PDS) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte von der Fraktion der Deutschen Sozialen Union den Abgeordneten Jürgen Schwarz, das Wort zu nehmen. Abg. Schwarz (DSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Stellung zum Verfassungsentwurf des Runden Tisches ist folgende: Die Bürger der DDR haben bei der Volkskammerwahl am 18.3. eindeutig dem zukünftigen Parlament den Auftrag erteilt, die Einigung Deutschlands herbeizuführen. Diesem Ziel fühlen wir uns fest verpflichtet, das heißt, wir setzen alle Kraft ein, dieses Ziel so schnell als möglich zu verwirklichen. Dazu ist der oft zitierte Weg des Artikels 23 des Grundgesetzes der BRD eine hervorragende Möglichkeit. Nun liegt uns dieser Verfassungsentwurf vor. Was will er? Wozu dient er? Welche Lebensdauer kann man ihm einräumen? Dieser Entwurf kann also nur Übergang, Zwischenlösung bedeuten; denn wie lange soll diese DDR noch bestehen - ein Jahr, zwei Jahre, vier Jahre? Eine Verfassung braucht eine breite Basis. Sie muß getragen werden von der wirklich breiten Mehrheit des Volkes. Dazu muß sie diskutiert werden, vorgestellt werden, Vorträge, Änderungen, gesichtet, aufgearbeitet werden - also monatelange Arbeit. Wir als DSU wollen keine Neukonsolidierung der DDR. (Beifall bei CDU, DSU, DA) Wir halten Mühe und Aufwand für ungerechtfertigt. Viel größere wirtschaftliche und soziale Probleme müssen jetzt gelöst werden. Jede Bürgerin und jeder Bürger will sich eine neue Existenz schaffen und in einem alten Rahmen neue Inhalte sehen. Wir wissen, daß diese neue Ordnung viel Selbstbewußtsein und Optimismus braucht, daß wir jetzt alle um Profil ringen müssen. Deshalb sehen wir diesen Entwurf als nicht zeitgemäß. Der Bürger wird irritiert. Wieder Zweistaatlichkeit? Wieder Verfassungsmauern? Wollen wir es also noch einmal allein versuchen? Der gesamte innere und äußere Zustand dieses Landes gibt hier eine ganz klare Antwort: nein. Wir brauchen die Einheit zum Überleben, zur Vermeidung des Chaos. Doch der jetzige Zustand ist ebenfalls nicht akzeptabel. Die bisherige Verfassung der DDR ist von ihren Schreibern und Verkündern pausenlos gebrochen worden. Sie hat keine Autorität. Sie ist ein Fragment, das in vielen Punkten in den Papierkorb gehört. Und wohlklingende Formulierungen fanden in der sozialistischen Praxis ja überhaupt keine Resonanz. Die führende Partei und ihr Apparat haben sie ja praktisch ständig gebrochen. Wir schlagen als Übergangslösung die Verfassung von 1949 als Grundlage vor. Da steht z. B. in Artikel 1: Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik. Sie baut sich auf den deutschen Ländern auf. Sie formuliert also die Einheit als Staatsziel. Sie beinhaltet die Länderstrukturen. Viele Artikel können dem jetzigen Stand entsprechend angeglichen werden. Das geht einfacher und ist unserer Situation besser entsprechend. Das ist mit relativ geringen Korrekturen möglich. Ich bin mir sicher, daß unsere Bürger dieser Position zustimmen werden. Und noch ein Wort zu Ihnen, Kollegen vom Bündnis 90. Ihnen sage ich eindringlich als meine Antwort auf Ihre Reaktion, als es um die Novemberrevolution ging: Auch wir waren in der ersten Reihe, als es in Dresden z. B. darum ging, an den Hauptbahnhof zu kommen, als Wasserwerfer eingesetzt wurden, als wir in der Prager Straße umstellt waren von Polizei, und nur ein paar Kirchenleuten war es zu verdanken, daß das alles so unblutig verlief. Sie haben die Revolution nicht gepachtet. Ihre Darstellung, die Darstellung des Herrn Dr. Ullmann, (Beifall bei CDU, DSU, DA) die schlimme Darstellung in der letzten Sitzung, daß nur die Hiergebliebenen die Wende erkämpft haben, ist völlig falsch. Der Druck der Flüchtlinge in den Botschaften, die großartige Geste Ungarns durch das Öffnen der Grenze - das war ein entscheidender Punkt, der die Brüchigkeit dieses bestehenden Systems zeigte, (Beifall bei CDU, DSU, DA) dem die Bürger, vor allem die jungen, in Scharen davonliefen. Und es werden wieder mehr, wenn Leute wie Sie das Sagen haben. (Beifall bei CDU, DSU, DA) (Protest bei Bündnis 90/Grüne) Begnügen Sie sich endlich mit dem Platz, der Ihnen legitimiert zusteht. - Danke. (Beifall bei CDU, DSU, DA) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte nun den Abgeordneten Prof. Dr. Ortleb von der Fraktion der Liberalen, das Wort zu nehmen. Abg. Prof. Dr. Ortleb (Liberale): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, eine Grundfrage bei dieser Diskussion ist: Was für eine Verfassung wollen wir jetzt? Ich selbst habe einen großen Respekt vor dem Begriff Verfassung. Ich kann das also nicht mit drei Worten innerlich abtun. Aus diesem Grunde möchte ich erklären: Wenn wir eine Verfassung deswegen brauchen, damit wir eine vorhandene, als fragwürdig brauchbare erkannte nicht ständig so ändern müssen, daß sich für uns daraus das Problem ergeben kann, daß die Verfässung sich selbst widerspricht - was ja beim Bautei-leauswechseln auch bei einer Maschine passieren kann -, wenn dieses Verfahren nicht gangbar ist, dann würden wir eine Verfassung brauchen, die einen Zweck haben würde: Die Regierungsabsichten und die Volksabsichten und auch die Absichten dieses Parlaments darin zu vereinigen, daß wir den Weg des Zusammenwachsens in Deutschland suchen. Dabei habe ich bei der vorgelegten Verfassung Zweifel. Die Zweifel resultieren aus folgendem: Es ist vom Abgeordneten Schröder in der vorigen Woche von „Prosa“-Verfassungstexten 55 (Beifall bei CDU, DSU, DA);
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 55 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 55) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 55 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 55)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Auftragsersuchen anderer Diensteinheiten Staatssicherheit oder eigener operativ bedeutsamer Feststellungen;, sorgfältige Dokument ierung aller Mißbrauchs handlangen gemäß Artikel des Transitabkommens, insbeson dere solcher, die mit der Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und vorbeugend zu verhindern. In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Vorgehens zur Unterwanderung und Ausnutzung sowie zum Mißbrauch abgeschlossener und noch abzuschließender Verträge, Abkommen und Vereinbarungen. Verstärkt sind auch operative Informationen zu erarbeiten über die Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Transitabkommen und den Hinreisen der Westberliner festgestellt habe, auf eine wesentliche Verstärkung der feindlichen politisch-ideologischen Diversion und auf noch raffiniertere Mittel und Methoden des Klassengegners Sicherheitserfordern isse, Gefahrenmomente und Schwerpunkte zu erkennen und zu eren; eine immer vollständige Kontrolle über Personen und Bereiche suszuübon, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten.

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