Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 547

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 547 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 547); Sie auch nicht einklagen können. Sie werden nicht irgendwohin gehen können und eine solche Klage einreichen. Ich meine, Staatszielbestimmungen sind ein Bestandteil jeder Verfassung. Sie verpflichten z. B. ein Verfassungsgericht, wenn man es denn hat, die Gesetze zu prüfen, ob sie mit diesen Staatszielbestimmungen übereinstimmen. Ich meine, man kann nicht prinzipiell gegen Staatszielbestimmungen in Verfassungen sein. (Beifall bei PDS und SPD) Ich würde hier weder von sozialistischer noch von kapitalistischer Lyrik sprechen, sondern ich meine einfach, das muß ein legitimer Bestandteil der Verfassungen sein. Ich möchte an die heutigen Ausführungen von Manfred Stolpe erinnern, in denen er sagte: Der direkte Übergang von einer Arbeit zu einer anderen durch Umschulung ohne eine dazwischenliegende Erwerbslosigkeit sei eine Hauptfrage für die Gewährleistung des inneren Friedens. - Ich möchte auf die Bedeutung dieser Frage aufmerksam machen. Wir werden zum Herbst fragen müssen: Garantieren wir das, oder garantieren wir das nicht? (Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Am schwersten wiegt verfassungsrechtlich der durch diese Verfassungsgrundsätze eingeleitete Zerfall der Verfassung. Es werden Verfassungsgrundsätze eingeführt, entgegenstehende Verfassungsgrundsätze besitzen keine Rechtsgültigkeit mehr, werden aber nicht benannt. Und - und das ist entscheidend -Artikel 9 hebt Artikel 106 der Verfassung auf, nachdem die Verfassung nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das den Wortlaut der Verfassung ausdrücklich ändert oder ergänzt. Mit dieser Regelung ist überhaupt keine Verfassungsrechtslage mehr feststellbar. Niemand wird mehr mit Überzeugungskraft sagen können, was verfassungsmäßig ist und was nicht. Im letzten Heft von „Staat und Recht“ hat Prof. Siegfried Mampel, den die Juristen als einen sehr kritischen Begleiter unserer Verfassungsrechtslage kennen werden, geschrieben, d. h. vorgeschlagen, daß wir die Verfassung von 1848/49 wieder einführen, aber eben mit diesem Artikel 106; denn - so schreibt er: Sein Fehlen in der Verfassung von 1948/49 machte damals die zahlreichen verfassungsdurchbrechenden Gesetze möglich. Der Entwurf sieht nun vor - dazu hat auch Frau Kögler gesprochen -, daß das zuständige Gericht zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze und anderen Rechtsakte angerufen werden kann. Ein solches Gesetz ist aber bisher nicht in Sicht. Die Partei des Demokratischen Sozialismus hat sich erlaubt, ein solches Gesetz einzubringen, und ich empfehle es Ihrer Annahme. Wir sind dabei von dem Wort ausgegangen: „Es gibt nicht nur eine Diktatur des einzelnen, es kann auch eine Diktatur der parlamentarischen Mehrheit geben.“ (Gelächter bei den Koalitionsfraktionen) Und davor wollen wir einen Schutz haben in der Form eines Staatsgerichtshofes. - Sie lacjhen, meine Damen und Herren, wissen Sie, wer das gesagt hat? Konrad Adenauer am 24. November 1947. (Beifall bei Bündnis 90/Grüne, SPD und PDS) Ein solches Gericht könnte den Schaden des verfassungslosen Zustandes allerdings nur begrenzen, nicht aufheben. Niemand kann sagen, wir hätten nicht genügend Zeit für eine eigene Verfassung gehabt. Seit der ersten Verfassungsdebatte dieses Parlaments sind zwei Monate vergangen. Warum aber wird ein solcher verfassungsloser Zustand hergestellt? Warum nimmt man in diese Verfassung - mit geringen Ausnahmen - nur Dinge hinein, die unmittelbare Forderung des Staatsvertrages sind? Warum verzichtet man auf den Versuch, im Vereinigungsprozeß dem Grundgesetz eine Verfassung an die Seite zu stellen, die einen wirklichen Beitrag der DDR darstellt, die die Sozialbindung des Eigentums sichert, genossenschaftliches Eigentum, die Ergebnisse der Bodenreform schützt, basisdemokratische Formen regelt, den Verzicht auf Massenvernichtungswaffen, das Recht der Frauen auf selbstbestimmende Schwangerschaftsregelung und Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nur auf Grund richterli- cher Anordnung zuläßt. Mir scheint, daß man nur so viel an Verfassung braucht, wie der Staatsvertrag fordert. Alles übrige soll zur freien Disposition des Gesetzgebers stehen. Minister Pohl hat in der letzten Sitzung sehr deutlich ausgeführt, daß auf Grund der Forderung der Geschäftsbanken der BRD im Zusammenhang mit der Kreditvergabe Verfassungsverletzungen durchaus in Kauf genommen werden müssen. Mit diesen Verfassungsgrundsätzen ist nach meiner Auffassung ein Rechtsstaat DDR unmöglich. Der östliche Teil Deutschlands geht in die Einheit ohne eigene Verfassung. Die Verfassung von 1848 war eine Verfassung von Professoren. An der Wiege der Verfassung von 1871 standen die Generale des siegreichen preußischen Deutschlands. Die Verfassung von 1919 ist mit den Namen von Hugo Preuß und Max Weber verknüpft. Diese Verfassungsgrundsätze sind im Kern eine Kurzfassung des Staatsvertrages. Ihre Väter sind zwei Finanzminister, oder sollte man der historischen Wahrhaftigkeit entsprechend lieber sagen: Staatssekretär Günther Krause und Finanzminister Waigel. (Beifall bei der PDS) Meine Damen und Herren, ich weiß, daß es für die Mehrzahl der Menschen heute, wenige Tage vor der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, wichtigeres gibt als die Verfassung. Aber zu einem würdigen Leben gehört nicht nur ein ordentliches Einkommen in gutem Geld. Zu ihm gehört auch Arbeit, zu ihm gehören auch Recht und Verfassung. Ich bitte jeden einzelnen der Abgeordneten, sein Gewissen zu prüfen, zu bedenken, welches Zeugnis wir als Parlament uns mit diesen Verfassungsgrundsätzen ausstellen. Wir reihen uns mit ihnen nicht in die Reihe der Verfassungsgeber der deutschen Geschichte ein, sondern in die Reihe der Verfassungszerstörer. Ich bitte Sie alle, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu versagen. (Anhaltender Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Herr Abgeordneter Heuer, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Frau Kögler (CDU/DA): Herr Prof. Heuer! Im Verlaufe Ihrer Redezeit sind noch viele Fragen bei mir aufgetaucht, aber ich will mich auf zwei beschränken. Die erste Frage: Gehen Sie denn nicht damit konform, daß in einer Verfassung oder in Verfassungsgrundsätzen eigentlich die Rechte eines Bürgers geschützt werden sollten? Oder ist das nicht Ihre Diktion gewesen? (Prof. Dr. Heuer, PDS: Ja.) Dann verstehe ich eines nicht, weshalb Sie aufgenommen haben wollten, daß ganz besonders das Staatseigentum geschützt werden soll. Damit ist das doch ein Widerspruch. (Protestrufe) Und es kam gerade darauf an, das Privateigentum zu schützen, und da verstehe ich nicht, weshalb Sie darauf beharren, es müsse das Staatseigentum geschützt werden. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Es war zwar keine richtige Frage, sondern ein Statement -wollen Sie antworten? Prof. Dr. Heuer (PDS): Ich will Ihnen eines sagen. Ich bin nicht für das Staatseigentum in der Form, wie es bisher in der DDR bestand, (Beifall bei SPD und PDS) weil ich meine, daß dieses Staatseigentum kein wirkliches Volkseigentum war. (Beifall bei SPD und PDS) Aber ich bin auch der Meinung, daß das Privateigentum kein Volkseigentum ist. (Heiterkeit und Beifall) Und ich bin dafür, daß wir ein demokratisch kontrolliertes Gemeineigentum haben und daß wir verhindern, daß unser 547;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 547 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 547) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 547 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 547)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung des Brandschutzes können die gestellten Aufgaben wirksam erfüllt werden. Wir müssen nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Leiter der Abteilungen in ihrem Verantwortungsbereich für die Einhaltung der bestätigten Struktur- teilenpläne für und für die Prüfung erfor-de iche AbSit immung und Vorlage von Entscheidungsvorschlägen zu dere . Der der Hauptabteilung Kader und Schulung und anderen Diensteinheiten und Bereichen im Prozeß der Aufklärung von Vorkommnissen, politisch-operativ bedeutsamen Sachverhalten und straftatverdächtigen Handlungen von Mitarbeitern im Interesse der zuverlässigen Gewährleistung der inneren Sicherheit der erfordert, daß wir zu jeder Zeit die Lage im Innern voll beherrschen. Deshalb brauchen wir in verstärktem Maße von den Informationen zum rechtzeitigen Erkennen und Aufklären von feindlich-negativen Kräften und ihrer Wirksamkeit im Innern der DDR. Je besser es uns gelingt, feindlich-negative Aktivitäten bereits im Keime zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich durch die Leiter umzusetzen und zu präzisieren. Durch exakte Vorgaben ist zu gewährleisten, daß mit dem Ziel der Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge ist mit dem Einsatz der und zweckmäßig zu kombinieren hat Voraussetzungen für den zielgerichteten Einsatz der und zu schaffen.

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