Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 418

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 418 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 418); Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner : Als nächster hat für die Fraktion Bündnis 90/Grüne der Abgeordnete Platzeck das Wort. P1 a t z e c k für die Fraktion Bündnis 90/Grüne: Herr Präsident, Hohes Haus! Herr Minister Pohl, ich bezweifle, daß die Handwerker und Gewerbetreibenden der DDR heute mittag mutvoller an ihr Tagwerk gehen als heute früh. Die Auskünfte waren unbefriedigend und vor allen Dingen unklar, und es geht um Stunden und Tage. Ich hoffe, daß dieser Nachholebe-darf deutlich gesehen wird. Für mich ist außerdem spannend, wieviel Gewerbetreibende im September zu vermelden sein werden und nicht so sehr, wie viele sich jetzt angemeldet haben und genehmigt wurden. Da wird es sich nämlich erst zeigen, ob die Maßnahmen wirklich gegriffen haben. Ich habe da meine erheblichen Zweifel. Es war ja doch ein beruhigender Lichtblick, der uns hier ins Haus gesetzt wurde, als es hieß, Hunderttausende Arbeitsplätze über den Mittelstand zu schaffen. Wir haben es ja immerhin mit einer Sphäre zu tun, die die einzige in der DDR war, die noch etwas von funktionierender Wirtschaft an sich hatte, die Handwerker und Gewerbetreibenden. Und wir sollten diesen zukunftsträchtigen Acker wirklich - und das ist mein dringender Wunsch - gemeinsam bestellen. Denn hier, in dieser Sphäre, liegt unser Reservoir an Innovationskraft. Hier handelt es sich um ein Reservoir an qualifizierten Arbeitskräften, an Kreativität; es ist ja nun einmal unser einziger „Rohstoff“. Es handelt sich auch um die aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht relevante Frage der Dezentralisierung unserer Wirtschaft. Und außerdem handelt es sich hier um eine Sphäre, in der der Entfremdungsgrad der Arbeit sehr gering ist. Die bisher getroffenen Maßnahmen lassen allerdings - aus meiner Sicht - nur den Schluß zu, daß die Regierung der DDR besonderen Wert darauf legt, den Mittelstand der Bundesrepublik zu fördern - was ja wohl kaum nötig wäre! - und nicht den Mittelstand der DDR auf die Beine zu bringen. Wer sich in den letzten Tagen mit dem Unternehmerverband der DDR und auch mit anderen Vertretern, der Industrie- und Handelskammer insbesondere, unterhalten hat, konnte erkennen, daß das Sorgenpotential riesig ist. Sehr viele Betriebe sind der Meinung, daß sie Ende Juli nicht mehr zahlungsfähig sind. Die allgemeine Euphorie über die verkündete Gewerbefreiheit ist gewichen. Man braucht die Probleme nur in Kurzform anzureißen - zum Teil ist das schon geschehen Keine Räume, keine Chance, den genutzten Grund und Boden zu erwerben. Es kommt hinzu die Umstellung der Betriebskosten 2 :1 bei fortlaufender Lohnzahlung von 1 :1. Nun haben viele Handwerker auch noch Mitarbeiter eingestellt und stellen jetzt fest, daß das eigentlich der Fehlgriff überhaupt war. Die Leistungen werden im Juni für Ostgeld gebracht; im Juli, wo Gesellen noch in Urlaub gehen, soll in Westgeld ausgezahlt werden, in D-Mark. Die Frage ist: Wie? Es droht eine Preisreform bei Material. Es droht, daß die Auftraggeber, insbesondere die öffentliche Hand, naturgemäß vorsichtig oder zahlungsunfähig sind, und sehr viele Handwerker und Gewerbetreibende leben davon. Die Kunden werden im Sommer sehr zurückhaltend sein. - Ich frage mich: Wie soll das eigentlich gutgehen? Ich habe nicht erkennen können, Herr Pohl, wie Ihr Maßnahmepaket hier in den wenigen Tagen jetzt noch greifen soll. Dies hätte vorausschauend passieren müssen. Es muß ja den Leuten auch noch klar gemacht werden, welche Möglichkeiten es hier gibt, und da sehe ich eigentlich keine Chance. Gestern haben uns Handwerker bei einem Hearing gefragt: Wie sollen wir denn jetzt im September Lehrlinge einstellen, da müssen wir doch erst einmal selber sehen, wie wir klarkommen? Das ist für mich eigentlich der nächste katastrophale Zustand, der sich andeutet. Ein weiterer Punkt. 9 Mrd. Mark wurden in die teilweise absurden Preissenkungen des Großhandels investiert, die Ladenhüter konnten so abgesetzt werden. Die Einkaufs- und Liefergenossenschaften blieben bei dieser Maßnahme völlig „außen vor“. Aus meiner Sicht ist dringend nötig - Sie hatten gewisse Andeutungen gemacht -, daß hier eine wirklich zinsgünstige Abschubfinanzierung, die auch entsprechend heute und morgen bekanntgemacht werden muß, um diese Ängste zu nehmen und auch wieder Mut in diese Sphäre zu bringen, initiiert wird. Es steht morgen - hoffe ich - ein Gesetzentwurf auf der Tagesordnung, der, so glaube ich, auch die Frage der mangelnden Bereitstellung von Gewerberäumen teilweise mit löst, auch wenn es ein kleiner Umweg ist. Es geht darum, daß die Arbeitsverhältnisse für viele Verwaltungsbeamte der alten Verwaltung befristet gestaltet werden sollen. Ich glaube, daß hier - das wurde ja von den Kollegen der DSU angedeutet - wirklich dringender Handlungsbedarf besteht. Hier wird noch viel zu viel gekungelt, und das bremst unheimlich. Der Staat sollte unbedingt Garantien für den abgewerteten Teil der Guthaben als beleihbares Eigentum übernehmen; denn hiermit wäre eine gewisse Kreditbonität gegeben. Ich komme zu unserer zentralen Forderung: Den Bürgern müssen private Anteilsrechte an dem volkseigenen Produktivvermögen übertragen werden; (Vereinzelt Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) denn nur über diese Anteilsscheine könnten viele aktiv untei nehmerisch tätig werden. Wer das nicht will, könnte damit zurrt Beispiel seine Wohnung übernehmen, damit auch die entsprechenden Sanierungsleistungen, und das würde gerade in der schwierigen Anfangsphase zu einem notwendigen Stimulator im Bausektor werden. Zur Frage Grund und Boden. Ich bin der festen Überzeugung, hier hätte eine politische Entscheidung zugunsten der DDR-Bürger getroffen werden müssen, der Handwerker und der anderen Mittelständler. (Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Dies wäre möglich gewesen. Wenn gestern in der Haushaltsverordnung verabschiedet worden ist, jetzt Boden zu Marktpreisen zu verkaufen, dann frage ich mich: Welcher Klempner oder welcher andere Gewerbetreibende soll hier eigentlich noch zufassen? Da fassen ganz andere zu, und das werden wir schon in den nächsten Wochen sehen! Ein letzter Punkt noch am Rande. Im gestrigen Gespräch mit dem Raiffeisenverband wurde deutlich: Wir sollten die Dörfer ermuntern, auch Gewerbetreibende und andere Antragsteller aus den in ihrer Nähe liegenden Städten abzuziehen. Sie habe! teilweise Räume, sie haben Gebäude. Sie sollten da in die Offen-sive gehen und sagen: Wer Gewerbe betreiben will, könne das auch in ihren Dörfern tun. Das nutzt sowohl diesen Dörfern als auch den Gewerbetreibenden und dem Mittelstand insgesamt. -Ich danke Ihnen! (Beifall bei PDS, Bündnis 90/Grüne) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Ich danke schön. Als nächster spricht für die Fraktion DBD/ DFD der Abgeordnete Meyer-Bodemann. Dr. Meyer-Bodemann für die Fraktion DBD/DFD: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich möchte mich zuerst bei den Herren von der DSU für die Veranlassung dieser Aktuellen Stunde zu der Frage der Selbständigen bedanken. Es gibt im ländlichen Raum, für den ich hier sprechen möchte, einen ganz dringenden Handlungsbedarf in dieser Frage, der ebenfalls so, wie das auch aus den Ausführungen meiner Vorredner hervorging, nur zu langsam getragen wird und für diejeni- 418;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 418 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 418) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 418 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 418)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren verlangt demzufolge die ständige Entwicklung und Vertiefung solcher politisch-ideologischen Einstellungen und Überzeugungen wie - feste und unerschütterliche Verbundenheit mit der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei entsprechen, Hur so kann der Tschekist seinen Klassenauftrag erfüllen. Besondere Bedeutung hat das Prinzip der Parteilichkeit als Orientierungsgrundlage für den zu vollziehenden Erkenntnisprozeß in der Bearbeitung von feindlich tätigen Personen und Dienststellen in Vorgängen, bei ihrer Aufklärung, Entlarvung und Liquidierung. Der Geheime Mitarbeiter im besonderen Einsatz Geheime Mitarbeiter inr besonderen Einsatz sind geworbene Personen, die auf Grund ihrer Eigenschaften und Verbindungen die Möglichkeit haben, in bestimmte Personenkreise oder Dienststellen einzudringen, infolge bestehender Verbindungen zu feindlich tätigen Personen oder Dienststellen in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit entsprechend den unter Ziffer dieser Richtlinie vorgegebenen Qualitätskriterien wesentlich beizutragen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und den unter Ziffer dieser Richtlinie genannten Grundsätzen festzulegen. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet genutzt werden und daß dabei keine operative Liensteinheit ausgenommen ist. Das ist ganz im Sinne meiner im Referat.

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