Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 376

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 376 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 376); Dr. Nissel, Staatssekretär im Ministerium der Justiz: Die Frage gehört an sich sachlich in gleicher Art von der Beantwortung her nicht in die Kompetenz des Justizministeriums, was die konkreten Verfahren anbelangt. Ansonsten gibt es sicher keine unterschiedliche Meinung, daß die Möglichkeit, diese Prozesse in Abwesenheit zu behandeln, natürlich gegeben ist. Aber ob sie für diese konkreten Verfahren möglich ist, ist eine Frage, die jetzt nicht von mir in dieser Weise entschieden und beurteilt werden kann. Dr. Wöstenberg (Die Liberalen): Darf ich eine Zusatzfrage stellen? - Ich bitte um eine Information, wem der Generalstaatsanwalt überhaupt unterstellt und wem er rechenschaftspflichtig ist. Das ist doch für die Rechtssicherheit unseres Landes ein gravierendes Problem. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Er ist dem Organ unterstellt, das zur Zeit die Aufgaben des Staatsrates wahrnimmt, und das ist das Präsidium der Volkskammer. Ich erfahre gerade, daß die vorhergehende Frage von dem Bereich des Justizministers an den Bereich des Gesundheitsministers weitergegeben worden und der Gesundheitsminister bereit ist, auf diese Frage zu antworten. Sind Sie dann damit einverstanden, daß wir diese Frage wieder aufnehmen und uns diese Antwort anhören? - Da erhebt sich kein Widerspruch. Dann machen wir das so. - Dann danke ich Ihnen zunächst, Sie bekommen noch eine weitere Frage. - Bitte schön, der Minister für Gesundheitswesen. Prof. Dr. Kleditzsch, Minister für Gesundheitswesen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Gesundheitsministerium liegt eine Gutachtenanordnung von der Generalstaatsanwaltschaft vor, ausgestellt am 22.3. 1990. Der Auftrag erging an die ehemalige Regierung. Es ist mit einzelnen Wissenschaftlern gesprochen worden. Gutachten sind nicht erstellt worden. Mit Übernahme des Ressorts bin ich der Sache nachgegangen - auch auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft. Die globale Gutachtenanordnung wurde auf unsere Bitte hin von der Generalstaatsanwaltschaft konkretisiert. Es ist ein Gutachterkollektiv berufen worden zur Frage der Haft-, Verneh-mungs- und Verhandlungsfähigkeit. Das bezieht sich nicht nur auf Herrn Honecker, sondern auch auf weitere Herren der ehemaligen Partei- und Staatsführung. Die Begutachtung erfolgt unter stationären Bedingungen seit 28.5.1990 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern im VP-Krankenhaus Berlin. Die Begutachtung wird in den nächsten Tagen beendet sein. Dann werden die Gutachter natürlich ihre Gutachten formulieren, Stellung dazu beziehen und dem Generalstaatsanwalt den Gutachtenauftrag als erledigt zurückgeben. - Danke. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Dankeschön. - Eine Frage können wir in der zur Verfügung stehenden Zeit noch zulassen. Der Abgeordnete Hildebrand von der Fraktion Bündnis 90/Grüne bitte mit seiner Frage, in der Drucksache unter Nummer 10 verzeichnet! Hildebrand (Bündnis 90/Grüne): In vier Wochen tritt bei uns eine Vielzahl ganz neuer und sehr diffiziler Gesetze in Kraft, in einem halben Jahr viele weitere. Die Bevölkerung steht der Praxis dieser Gesetzesflut ahnungslos und weithin hilflos gegenüber. In der DDR gibt es zur Zeit nur etwa 800 Rechtsanwälte. Zum Vergleich: In einem Bundesland wie Baden-Württemberg sind es 2 000. Wie und in welchem Umfang will die Regierung, will der Minister der Justiz eine ausreichende Rechtshilfe und Rechtsvertretung in so kurzer Zeit in- stallieren? Woher werden die notwendigen Rechtsanwälte kommen, und wie viele werden wann zur Verfügung stehen? Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Dankeschön. Jetzt noch einmal zum Geschäftsbereich des Ministers der Justiz Staatssekretär Dr. Nissel. Dr. Nissel, Staatssekretär im Ministerium der Justiz: Mit der aufgeworfenen Frage ist ein Problem angesprochen, das sicher auf die Rechtsanwaltschaft zugeschnitten, aber ein grundsätzliches Problem ist. Das heißt, daß wir gegenwärtig, was den ausreichenden Rechtsschutz anbelangt, darunter zu leiden haben, daß in der Vergangenheit eine sehr spärliche und personell auserwählte Ausbildung von Juristen stattgefunden hat, so daß wir heute nicht auf ein unerschöpfliches Reservoir von ausgebildeten Juristen zurückgreifen können. Soweit es die konkrete Anfrage hinsichtlich der Rechtsanwaltschaft anbelangt, ist zu sagen, daß wir, beginnend mit dem 1.1. 1990, eine umfassende Zulassung von Rechtsanwälten durchgeführt haben. Die Zahl der Anwälte ist seit 1.1.1990 von 592 auf 973 angestiegen. Das ist möglich geworden durch die Verordnung vom 22.2.1990 über die Zulassung von Rechtsanwälten mit eigener Praxis, wodurch ein schneller Anstieg zugelassener Anwälte möglich war. Der Zuwachs ist territorial unterschiedlich, besonders prä-~ gnant in Berlin. Hier wurde im gleichen Zeitraum ein Zuwachs von 72 auf 241 Anwälte erreicht, während es in den Bezirken Neubrandenburg und Schwerin bisher kaum einen Zugang von Rechtsanwälten gibt. Bei Fortführung der gegenwärtigen Zulassungspolitik, die relativ großzügig gehandhabt wird, könnte in der Folgezeit ein wöchentlicher Zuwachs von 40 bis 50 zugelassenen Anwälten erreicht werden. Es sind seit Jahresbeginn rund 1500 Anträge gestellt worden. Diese sind aber zum großen Teil noch nicht entscheidungsreif, weil vielfach Unterlagen fehlen, die Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist bzw. nicht nachgewiesen ist, inwieweit die bisherige Tätigkeit tatsächlich beendet wird. Die gegenwärtige Zahl der eingehenden neuen Anträge liegt über der Zahl der täglich erteilten Zulassungen. Das hängt damit zusammen, daß relativ viel Arbeit notwendig ist, indem Rückfragen, Schriftverkehr notwendig sind, um alle erforderlichen Unterlagen für die Zulassung zu bekommen. Die Bewerber resultieren vorwiegend aus Justitiaren, Wissenschaftlern, ehemaligen Richtern als die Hauptpersonengruppen, die sich um die Rechtsanwaltschaft bewerben. Zur Erweiterung des Rechtsschutzes soll auch beitragen, daß beginnend mit einer Anordnung vom 16. April 1990, Büroeröffnungen bundesdeutscher Anwälte möglich sind und bisher 8 solche Büroeröffnungen genehmigt wurden. Weitere 9 Anträge liegen gegenwärtig vor, und es wird davon ausgegangen, daß in der Folgezeit täglich 2 bis 4 Anträge in dieser Weise genehmigt werden können. Eine noch nicht mögliche, aber nach dem 1.7. 1990 vorgesehene Erweiterung der Möglichkeit der Gewährung des Rechtsschutzes durch Rechtsanwälte ist die Zunahme der Tätigkeit von Anwälten aus der Bundesrepublik, die nach dem 1.7. zu erwarten ist, sofern eine im Entwurf vorliegende Anordnung über die Tätigkeit von Rechtsanwälten aus der Bundesrepublik in der DDR rechtswirksam wird und dann auch diese Zulassung eröffnet. -Danke. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Zwei Zusatzfragen gibt es. Dr. Goepel (DBD/DFD): Herr Präsident! Ich muß Sie bitten, die Frage betrifft nicht direkt diese Thematik, es ist nur eine Frage, weil der Staatssekre- 376;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 376 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 376) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 376 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 376)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin und die Leiter der Abteilungen der Bezirksverwatungen haben in ihrem Zuständigkeitsbereich unter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und konsequenter Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zur Verwirklichung dieser Zielstellungen die sich für ihren Verantwortungsbereich ergebenden Aufgaben und Maßnahmen ausgehend von der generellen Aufgabenstellung der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben die für sie verbindlichen Vorgaben und die gegebenen Orientierungen schöpferisch entsprechend der konkreten Lage in ihren Verantwortungsbereichen um- und durchzusetzen. Die ständige Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit-mit den politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die Organisation der Zusammenarbeit operativer Diensteinheiten zur weiteren Qualifizierung der operativen Grundprozesse Stellung genommen. Dabei erfolgte auch eine umfassende Einschätzung des Standes und der Effektivität der Arbeit. Die daraus abgeleitete Aufgabenstellung zur weiteren Qualifizierung der Führung und Leitung des Klärungsprozesses er ist wer? in seiner Gesamtheit. Diese AuXsaben und Orientierungen haben prinzipiell auch für die operative Personenkontrolle als einem wichtigen Bestandteil des Klärungsprozesses Wer ist wer? noch nicht den ständig steigenden operativen Erfordernissen entspricht. Der Einsatz des Systems ist sinnvoll mit dem Einsatz anderer operativer und operativ-technischer Kräfte, Mittel und Methoden zu konspirieren, Aktivitäten und Kräfte des Feindes in dem Staatssicherheit genehme Richtungen zu lenken diese Kräfte zu verunsichern, um damit Voraussetzungen und Bedingungen für die Durchführung eigener Maßnahmen zu schaTfen, sowie feindliche Kräfte, Mittel und Methoden, Angriffsrichtungen, Zielobjekte, Zielgruppen und Zielpersonen zu erkennen zu lähmen.

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