Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 362

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 362 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 362); Als Einbringer erhält das Wort der Abgeordnete Sorge von der SPD. Sorge (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihr Aufnahmevermögen hat sicher durch diese vielen Beiträge, die wir heute gehört haben, sehr stark gelitten. Ich hoffe, daß ich Sie durch ein neues Thema hier noch einmal anregen kann. Wenn es nicht gegen die Prinzipien des Hohen Hauses verstoßen würde, würde ich Sie auffordern, mit mir eine Gymnastik zu machen; das wäre vielleicht das beste Mittel, um diese letzten Beiträge (Starker Beifall) (Stellvertreter der Präsidentin Dr. Ullmann: Das ist aber in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen! - Heiterkeit) Also müssen wir so auskommen. Die Menschen in unserer Republik bereiten sich auf ein Leben vor, welches mit dem Inkrafttreten des Staatsvertrages völlig neu geregelt wird. Arbeit, Preise, neue Gesetze, finanzielle Belastungen und vieles andere mehr sind die vorherrschenden Themen. Scheinbar gibt es für andere Dinge kein Interesse mehr. Aber durch die Medien konnte jeder erfahren, daß von den fast 4 Millionen organisierten Sportlern rege Diskussionen über die Zukunft des Sports in unserem Lande entfacht wurden. Die Sportbewegung der DDR befindet sich in einer Übergangsphase, die von vielen Fragen und Unsicherheiten geprägt ist. Mit den heutigen Anträgen wollen wir für alle Sportler ein Zeichen setzen, daß Parlament und Regierung den Demokratisierungsprozeß des Sports voll unterstützen. Die SPD hat die Reihenfolge der Beschlüsse ganz bewußt so gewählt, weil die Sozialdemokraten schon immer ihre Pflicht darin sahen, sozial Schwache besonders zu unterstützen und zu fördern. In mehr als 50 Jahren der deutschen Geschichte mußten gerade die Behinderten erleben, daß für sie weder in der rechten noch in der linken Diktatur gesellschaftliche Gleichberechtigung existierte. Der deutsche Faschismus, der jede körperliche und geistige Behinderung als volksschädlich deklarierte, schreckte nicht davor zurück, Behinderte zu isolieren, zu sterilisieren und physisch zu vernichten. Für eine sportliche Betätigung der Behinderten gab es deshalb keinerlei Verständnis. In der DDR hatte der sozialistische Staat seine Schwierigkeiten im Umgang mit den Behinderten. Der Arbeiter-und-Bauern-Staat wollte zumindest seiner lautstark verkündeten moralischen Verpflichtung, sozial Schwachen zu helfen, propagandistisch gerecht werden. Die Gleichstellung der Behinderten in der Gesellschaft blieb aber ein Lippenbekenntnis. Die desolate Planwirtschaft in unserem Staat ermöglichte nur ein bescheidenes Sozialpaket. Logischerweise ließ der Staat seine geringen Sozialleistungen den Menschen zukommen, von denen er das meiste in der Arbeit und im Militär, also für die Gesellschaft, erwartete. Die sozial Schwächsten, die Rentner und Behinderten, welche als Belastung der Gesellschaft angesehen wurden, erhielten nur ein Almosen. Trotz der Ausgrenzung unserer Behinderten kam es zur Entwicklung einer Sportbewegung für jene Menschen. Dies ist in erster Linie dem unbeugsamen Lebenswillen der Behinderten zu verdanken, die immer wieder für ihre Forderungen mutig eintraten. Daneben gab es eine Vielzahl von ehrenamtlichen Betreuern, sportbegeisterten Verbänden, Sozialarbeitern und einsichtigen Stadt- und Gemeindevertretern, die sich für den Behindertensport einsetzten. Ihnen gilt unser Dank. Aber alle Bemühungen konnten letztlich nicht verhindern, daß die Behindertensportler auf Grund der begrenzten Möglichkeiten niemals Mitglieder der großen Sportfamilie wurden. Sie blieben ausgegrenzt. Unser Beschluß soll einen Teil unserer Behinderten den Weg zu gleichberechtigten und gleichgeachteten Mitgliedern in unserer demokratischen Gesellschaft ermöglichen. Wir wollen die Aus- und Abgrenzung unserer behinderten Bürger endgültig beenden. Mit der Gleichstellung der drei Sportbereiche verbinden wir die staatliche Verpflichtung, den Behindertensportlern rechtlich gleiche Förderbedingungen zu gewähren wie dem Breiten- und Spitzensport. Wir wollen keine Sportanlagen, die nur von den Behinderten genutzt werden. Unser Ziel besteht darin, zukünftig Sportanlagen, Sanitäreinrichtungen, Zufahrtswege, sportmedizinische Einrichtungen und Sportlerheime so zu planen und zu bauen, daß sie sowohl von behinderten als auch von gesunden Sportlern gleichermaßen benutzt werden. Bereits vorhandene Anlagen dieser Art sollten für den gleichen Zweck kostengünstig umgebaut werden. Mit der gemeinsamen Nutzung erwarten wir eine enge sportliche Verbindung zwischen behinderten Sportlern und gesunden Sportlern. Gerade der Behindertensportler braucht neben seiner sportlichen Betätigung seine Arbeit, den ständigen Kontakt zu allen Mitgliedern unserer Gesellschaft. Das Vereinsleben, welches Geselligkeit, gegenseitige Hilfe und Unterstützung fördert, ist ein wesentliches Mittel in unserer Gesellschaft, soziale und gesundheitliche Unterschiede für das Gemeinschaftsleben aufzuheben. Gerade diese Seite der Spo bewegung, die für den sozialen Frieden in der Gesellschaft aiU' ßerordentlich wichtig ist, gilt es nach der Vernachlässigung bzw. Unterdrückung durch das alte Regime neu zu beleben und zu gestalten. Zur Nutzung der Sportanlagen: Für die einseitige Förderung des Leistungssports im sozialistischen System Ulbrichts und Honeckers wurde auch eine Vielzahl von Sonderrechten für diesen Bereich erlassen. Die Geheimhaltung von Trainingsmethoden, das ungestörte und umfangreiche Trainieren von wenigen Sportlern und die intensive direkte Vorbereitung auf Olympische Spiele, Welt- und Erropameisterschaften haben dazu geführt, daß Sportanlagen und sportmedzinische Einrichtungen nur für Leistungssportler geschaffen wurden. Häufig blieben diese im Bestzustand existierenden Einrichtungen ungenutzt, obwohl Tausende von Sportlern keine Gelegenheiten hatten, ihrem Sport fachgerecht nachzugehen. Mit der Gleichstellung der drei Sportbereiche haben alle Sporttreibenden unseres Landes das Recht erworben, diese Einrichtungen in der freistehenden Zeit für ihre Zwecke zu nutzen und damit eine optimale ökonomische Nutzung zu gewährleisten. Für den Leistungssport dürfen aber dadurch keine Einschränkungen bzw. Behinderungen erfolgen. Beide Seiten sollten durch gegenseitige Rücksichtnahme und Unterstützung einen harmonischen Ablauf gewährleisten. Zur Olympiavorbereitung: Unter Führung Ulbrichts und Honeckers wurde in unserem Lande der Sport mißbraucht. Außenpolitisch sollten die internationalen sportlichen Erfolge die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber anderen Gesellschaftssystemen beweisen. Aus diesem Grunde wurde der Leistungssport mit riesigen Summen entwickelt und gefördert. Kein Mittel wurde gescheut, um bei Olympischen Spielen, Welt-und Europameisterschaften Siege für den Sozialismus, für die Partei- und Staatsführung zu erringen. Schuld am Mißbrauch des Leistungssports trifft nicht unsere Sportler, sondern die Machthaber des Ulbricht-Honecker-Sy-stems und ihre Helfershelfer in den obersten Sportgremien. Können wir junge Menschen deshalb verurteilen, weil sie den kleinen Spalt in der Mauer zur Außenwelt erkannten und über den Sport den Durchgang zur freien Welt nutzten? Trotz ihrer Privilegien gehörten die Sportler zu den Opfern dieser Diktatur, weil Bespitzelungen, Nötigungen, Drohungen, Verbote, sportmedizinische Versuche und vieles andere zum Tagesablauf im Spitzensport gehörten. Das schließt nicht aus, daß sich einige Sportler bewußt vor den Karren der Partei spannen ließen. Aber 362;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 362 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 362) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 362 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 362)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit , das Erfordernis schnellstmöglicher Reaktion zur Schadensabwendung, die Gewährleistung der Kontroll- und Aufsichtspflichten über die Realisierung der eingeleiteten Maßnahmen durch die zuständige operative Diensteinheit unverzüglich einbezogen werden kann. Wird über die politisch-operative Nutzung des Verdächtigen entschieden, wird das strafprozessuale Prüfungsverfehren durch den entscheidungsbefugten Leiter mit der Entscheidung des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß abgeschlossen, auch wenn im Ergebnis des Prüfungsverfahrens die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erarbeitet wurden.

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