Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 266

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 266 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 266); Frau Bencze für die Fraktion DBD/DFD: Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion der DBD/DFD begrüßt, daß mit dem vorliegenden Entwurf des Richtergesetzes Schritte unternommen werden, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, da sich ja in unserem Land die politischen und ökonomischen Verhältnisse geändert haben und dringend Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit erfordern. Wir halten das Gesetz auch deshalb für erforderlich, weil bei zahlreichen Richtern und Richterinnen Unsicherheit über ihre Legitimität besteht, was die Rechtsprechung gegenwärtig erschwert. Das Gesetz ermöglicht den Richtern und Richterinnen, den ihnen in einem demokratischen Rechtsstaat gebührenden Platz einzunehmen. Schließlich muß das Gesetz die Möglichkeit bieten, uns von den Richterinnen und Richtern zu trennen, denen objektiv nachgewiesen werden kann, daß sie Recht beugten - aus welchen Motiven auch immer. Bei allem Begrüßenswertem bleiben dennoch einige Fragen offen. Eine generelle Frage, die sich ergibt, wenn man das Gesetz durchliest, ist: Es wird von Richtern und Berufsrichtern gesprochen. Hier stellt sich für mich als Frau die Frage: Werden wir künftig als Berufsbezeichung die Bezeichnung Richter wählen und damit eindeutig auch die Frauen erfassen, oder wäre eine Überarbeitung dieses Gesetzentwurfes dahingehend möglich und notwendig, eindeutig zu definieren, daß als Richter selbstverständlich auch weibliche Beschäftigte ernannt werden? (Vereinzelt Beifall) Nicht eindeutig zu erkennen ist, ob dieses Gesetz nur einen Übergangscharakter haben soll, um die gegenwärtige Lücke in unserer Rechtsstaatlichkeit zu schließen. Zu oft wird in diesem Gesetzentwurf auf spätere Regelungen verwiesen, ohne dabei aber herauszustellen, ob es sich um bestehende DDR-Rechtspre-chung handeln wird oder aber um BRD-Gesetze, da wir ja nicht alles übernehmen, sondern wir uns ja auch in einem Prozeß der Rechtsangleichung befinden. Wir als Fraktion DBD/DFD sind dafür, daß sich alle Richter einer Prüfung und einer Zulassung unterziehen. Doch wer bestimmt die Kriterien, ob ein Berufsrichter von seiner Persönlichkeit her für dieses Amt geeignet ist? Dies ist ausgewiesen in § 9 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfes. Ist ein Richter von seiner Vergangenheit her nicht geeignet, oder gibt es andere Kriterien? Hier sollte das Gesetz konkrete Bedingungen aufnehmen. Während in den Pragraphen 1 und 5 von der konsequenten Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Richter ausgegangen wird, erfolgen im § 12 des Entwurfes einige Einschränkungen, die unseres Erachtens die Gewaltenteilung wieder aufheben und Rechtsstaatlichkeit verletzen. Wir meinen, daß der Anteil der Richter im Richterwahlausschuß erhöht werden sollte. Uns ist außerdem nicht klar, warum bei 7 Fraktionen in unserem Hohen Haus 5 Abgeordnete bestimmt werden sollen. Besonders im Hinblick auf § 13 Abs. 4 des vorliegenden Entwurfes der Prüfung der sachlichen und persönlichen Voraussetzung der Bewerber, sollten wir den Richtern im Ausschuß ein größeres Mitspracherecht einräumen. Auch das gehört unserer Meinung nach zur Vergangenheitsbewältigung. Nicht eindeutig ist in § 13 Abs. 5 geregelt, ob der Richterwahlausschuß mit zwei Dritteln der Stimmen nur über die Berufung eines Richters entscheidet. Wieviel Stimmen sind notwendig, um eine Berufung abzulehnen? Desgleichen fehlt in Absatz 6 dieses Paragraphen die Möglichkeit des Richters, im Falle einer Ablehnung gegen die Entscheidung des Richterwahlausschusses Einwände vorzubringen. Konkreter müßte gestaltet werden, welche Entscheidungen nach der Berufung als Richter auf Zeit getroffen werden können bzw. müssen, z. B.: Welche Rechte und Möglichkeiten hat der Richter auf Zeit, um als Richter auf Lebenszeit berufen werden zu können? Im Gesetzentwurf sind Strukturen angeführt, die bisher noch nicht bestehen. Es wurde darüber bereits gesprochen. Sie sind für die Funktion dieses Gesetzes aber unbedingt erforderlich, z. B. Senat für Dienstangelegenheiten in § 22 des vorliegenden Entwurfes ausgeschrieben. Setzt das Richtergesetz nicht eine Neustrukturierung des Ministeriums der Justiz voraus? Das bezieht sich auch auf weitere Festlegungen im Gesetzesentwurf, wie Sozialgerichtsbarkeit, Handelsrecht usw. Der bereits erwähnte Übergangscharakter des Gesetzes kommt unserer Meinung nach in den Schlußbestimmungen zum Ausdruck. Warum können zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vorhandene Berufsrichter nicht auf Lebenszeit berufen weden? Welche Kriterien sind notwendig, um sofort zu entscheiden, welcher Richter auf Zeit oder auf Probe berufen wird. Die Fraktion der DBD/DFD ist der Meinung, daß bereits jetzt Berufsrichter auf Lebenszeit berufen werden sollten und diese Entscheidung nicht erst in einem vereinten Deutschland erfolgen sollte. Meine Damen und Herren! Wir unterstützen als Fraktion DBD/DFD die Verweisung in die vom Präsidium vorgeschlagenen Ausschüsse. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Helm : Danke. - Als letztem Sprecher erteile ich der Abgeordneten Dr. Else Ackermann von der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union/Demokratischer Aufbruch das Wort. Frau Dr. Ackermann für die Fraktion CDU/DA: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedem Bürge ist ja hinreichend bekannt, daß in unseren Gerichten häufig- ' nicht Recht nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gesprochen wurde. Viele Richter und Staatsanwälte haben sich besonders im politischen Strafrecht zu Handlungen mißbrauchen lassen, die auch in der Justiz die marxistisch-leninistische Ideologie in praktische Anwendung brachte, also Parteijustiz betrieben. Hauptursache für den Mißbrauch ist die fehlende Gewaltenteilung gewesen, und wir haben einen großen Nachholebedarf im Rechtswesen und auch im Rechtsbewußtsein unserer Bürger. Wir müssen das Recht in unserem Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen und vor allem Vertrauen in die Justiz hersteilen. Der Nachholebedarf ist groß und der Mangel an Richtern und Staatsanwälten, die unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen genügen, immens groß. Wir sollten allerdings auch nicht verkennen, daß es Richter und auch Staatsanwälte in unserem Land gegeben hat, die unter dem Mangel an Rechtsstaatlichkeit und dem Zuviel an vorgeschriebener Parteilichkeit in Gewissenskonflikte geraten sind. Um den Notstand im Gerichtswesen und den neuen staatlichen Bedingungen und der bevorstehenden Rechtsangleichung mit dem bundesrepublikanischen Recht Abhilfe zu schaffen,w liegt ja jetzt ein Entwurf zum Richtergesetz vor. Wichtigster Grundsatz ist, daß die Richter unabhängig sind, dem Gesetz und dem Recht unterworfen sind und sich unparteiisch gegenüber jedermann verhalten. Bei aller Vollkommenheit dieses Entwurfs auf den ersten Blick sind von der Arbeitsgruppe Recht der CDU-Fraktion einige bedenkenswerte Veränderungen vorgeschlagen bzw. zur Diskussion gestellt worden. So haben wir noch kein Verfassungsgericht. Deshalb sollte „zuständiges Gericht“ auf Seite 1 in § 3 durch das „zu schaffende Gericht“ ersetzt werden. In § 4 könnten wir uns unter Abs. 2, letzter Anstrich, eine andere Formulierung vorstellen. Mit unseren Erfahrungen - auch mit meinen - aus der über 50jährigen Vergangenheit wäre nämlich zu überlegen, die Parteizugehörigkeit während der Ausübung des Richteramtes ruhen zu lassen. In Kanada soll ein Richter nicht einmal das Wahlrecht haben. Auf Seite 3, Teil2, §9, möchten wir den Satz eingefügt haben: Die Befähigung zum Berufsrichter besitzt auch, wer die Befähigung zum Richter nach dem Deutschen Richtergesetz der Bundesrepublik Deutschland erworben hat. Damit wäre dem zu erwartenden Personalmangel in naher Zukunft rasch zu begegnen. 266;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 266 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 266) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 266 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 266)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gosell-scha tsordnunq richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der Androhung strafrechtlicher Folgen im Falle vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Aussagen sowie über die Aussageverweigexurngsrechte und? Strafprozeßordnung . Daraus ergeben sich in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit insbesondere dann zu realisieren sein, wenn der mutmaßliche Täter aktuell bei einem Handeln angetroffen diesbezüglich verfolgt wird und sich aus den objektiven Umständen dieses Handelns der Verdacht einer Straftat begründet werden kann, oder wenn zumindest bestimmte äußere Verhaltensweisen des Verdächtigen die Verdachtshinweisprüfung gerechtfertigt haben. Komplizierter sind dagegen jene Fälle, bei denen sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die unterschiedlichsten Straftaten, ihre Täter und die verschiedenartigsten Strafmaßnahmen zielgerichtet durchzusetzen. Aus diesem Grunde wurden die Straftatbestände der Spionage, des Terrors, der Diversion, der Sabotage und des staatsfeindlichen Menschenhandels ist ein hohes Niveau kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zu gewährleisten. Der Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden der Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zur Vorbeugung. Das Zusammenwirken mit anderen staatlichen Organen und gesschaftlichen Kräften. zur Erhöhung der Wirksamkeit der gesamtgesells chaftlichen Vorbeugung.

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