Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 264

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 264 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 264); So ist es auch nicht verwunderlich, daß die von den sogenannten Volksvertretungen der DDR mit Beginn einer jeden Legislaturperiode immer wieder neu gewählten Richter nach unserer Kenntnis zu 95 Prozent Mitglied der SED waren und damit die Garantie für eine gesicherte Rechtsprechung im Sinne von Partei- und Staatsführung gaben. Einer vorrangigen Forderung der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien, nach der Richter und Staatsanwälte, die insbesondere in politischen Strafsachen rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt haben, nicht mehr im Amt bleiben können, wird hier nun endlich entsprochen, wie uns ja auch der Herr Staatssekretär in seiner Begründung vermittelt hat. So, wie wir informiert sind, ist dies auch erfolgt für die Staatsanwälte der Abteilungen I a, die sich mit politischen Delikten befaßten. Diese Auskunft hatten wir letztlich bei einer Anhörung im Rechtsausschuß der Volkskammer, wurden da allerdings darüber informiert, daß diese Staatsanwälte nicht entlassen, sondern in andere Funktionen gegeben worden sind, wo sie nicht mehr direkt staatsanwältlich tätig sind. Das ist auch ein Umstand, über den man sich sicher bei der Umgestaltung unseres Justizapparates noch wird unterhalten müssen. Aber vielleicht einige Probleme zu dieser Vorlage direkt. Wir finden es sehr gut, daß nach § 12 über diesen Richterwahlausschuß das Parlament einen direkten Einfluß auf diese Startbedingungen hat. Das Parlament wird die 5 Abgeordneten bestimmen können, und außerdem wird der Rechtsausschuß Einfluuß auf die daran beteiligten Richter haben. Das finde ich eine sehr gute Verfahrensweise. Ich finde auch gut, daß die Anzahl der Abgeordneten gegenüber den beteiligten Richtern in der Überzahl ist, aber es widerspricht allen liberalen Grundsätzen, daß bei einer negativen Entscheidung des Richterwahlausschusses der betroffene Richter kein Gehör erhält. Es muß bei einer derartig wichtigen Entscheidung - denn schließlich wird hier über die weitere berufliche Tätigkeit eines Menschen entschieden - dieser die Möglichkeit haben, seinen Standpunkt darzustellen und entsprechende Unklarheiten zu klären, denn es ist ja möglich, daß aufgrund eines Mißverständnisses eine Fehlentscheidung gefällt werden könnte. Nach unserer Auffassung müßte das unbedingt mit aufgenommen werden, daß vor einer abschließenden Entscheidung vom Richterwahlausschuß der entsprechende Richter zu hören ist. Die Frist dieser Zulassung der Richter ist auf 3 Monate begrenzt. Das finden wir erst einmal sehr gut. Aber wenn wir bedenken, daß es sich um 1300 Richter handelt, die hier zu prüfen sind - und das soll ja keine formale Prüfung sein haben wir doch zu bedenken, ob diese 3 Monate ausreichen. Das sollte also noch einmal überlegt werden, ob man hier nicht evtl, doch mindestens auf 4 Monate gehen sollte. Ich weiß auch nicht, ob wir uns nicht noch einmal das Gesetz hier vornehmen müßten, wonach wir die Verlängerung der Amtsperiode um 3 Monate beschlossen haben. Hier ist zwar gesagt, daß 3 Monate (Mahnung zur Zeiteinhaltung durch den Stellvertreter der Präsidentin) Noch abschließend zur Frage der Berufung auf Lebenszeit. Das sollte man nicht allzulange hinausschieben. Man sollte hier versuchen, vielleicht insofern eine Sicherung einzubauen, daß man grundsätzlich die Richter eine Ehrenerklärung abgeben läßt - über den Inhalt müßte man sich unterhalten -, und wenn sie bestimmte Dinge verschwiegen haben, die einer Zulassung nach den entsprechenden Kriterien widersprechen, hätte man dann eine echte Handhabe, auch bei einer Berufung auf Lebenszeit noch nachträglich den Richter entlassen zu können. - Ich bedanke mich. (Vereinzelt Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat sich zu Wort gemeldet Abgeordneter Dr. Bernd Reichelt. Dr. Reichelt für die Fraktion Bündnis 90/Grüne: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Gewaltenteilung garantiert die selbständige, von der Legislative und Exekutive unbeeinflußte Rechtsprechung der Richter. Das vorliegende Richtergesetz realisiert diese Unabhängigkeit der Richter und könnte ein wichtiger Schritt zur Rechtsstaatlichkeit und zum Rechtsschutz der Bürger gegenüber Mitbürgern und gegenüber staatlichen Instanzen in dieser Übergangszeit sein, für die das Gesetz gelten wird. Der möglichen Willkür des Staates oder einzelner Parteien bzw. Gruppen kann besser entgegengewirkt werden. Diese Grundsätze müssen jedoch in der Verfassung verankert werden. Dazu liegt in dem vorliegenden Gesetz kein Passus vor. Zum Gesetzestext selber habe ich folgende Bemerkungen, die die oben genannten Einschätzungen relativieren: Der Paragraph 3 beschreibt das Recht der Berufsrichter, die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften durch ein zuständiges Gericht zu beantragen. Wir haben in der DDR jedoch kein Verfassungsgericht, auch keine voll anwendbare Verfassung. Die zum Staatsvertrag gefertigten Verfassungsgrundsätze sind im einzelnen sehr breit auslegbar. Nach Inkrafttreten dieser Verfassungsgrundsätze und des -kommenden Gesetzespaketes werden nach meiner Einschätzung solche Überbrückungen keine Seltenheit sein, und man sollte es nicht den exekutiven Instanzen oder vielleicht sogar einzelnen Bürgern überlassen, über die Anwendung bestehender und umstrittener Gesetze zu entscheiden. In diesem Paragraphen 3 muß deshalb das zuständige bzw. vorläufig zuständige Gericht benannt werden. Paragraph 1 Absatz 2 besagt, daß die Richter nur der Verfassung, den Gesetzen und dem Recht unterworfen sind. Wieder sind wir bei diesem leidigen Verfassungsproblem, das uns auch in den weiteren folgenden Abschnitten begegnet. So dringend wir ein Richtergesetz brauchen, ohne gültige Verfassung ist das in dieser Form nicht möglich. Nach Paragraph 44 ist ein Richter innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zu ernennen. Diese Zeit sollte genutzt werden, wie das schon erwähnt wurde, um die betreffenden Richter zu überprüfen, inwieweit sie in der Vergangenheit an der politischen Rechtsprechung beteiligt waren oder Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit waren oder an einer Einrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit ausgebildet wurden. Auch das sollte im Gesetz verankert werden, eventuell im Paragraph 9. In der Bevölkerung könnten sonst zum Teil berechtigte Zweifel an der Integrität der Richter aufkommen, wenn diese ohne eine solche Überprüfung übernommen werden würden. Ein Zweifel an der Persönlichkeit des Richters wäre ein nicht zu unterschätzendes Moment der Rechtsunsicherheit. Zum Abschluß noch zwei Bedenken, die Fragen des Richters auf Lebenszeit und der Dienstkleidung betreffend. Der Richter auf Lebenszeit ist umstritten, hauptsächlich wegen der Gefahr, daß bei einer so langen Amtszeit der Bezug zu den gesellschaftlichen Prozessen verlorengehen kann. Die Veränderung und Weiterentwicklung der Gesellschaft müssen jedoch bei der Rechtsprechung Beachtung finden. Im Paragraph 47 Absatz 1 wird von noch zu erlassenden Rechtsvorschriften für das Tragen von Dienstkleidung gesprochen. Dienstkleidung der Richter - ich gehe davon aus, daß hier Talare gemeint sind - würden zu einer einschneidenden Änderung im äußeren Bild der Gerichte führen. Es könnte den Bürgern den Zugang zur Rechtsprechung durch eine äußerliche Weltfremdheit erschweren. 264 (Bewegung im Saal);
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 264 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 264) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 264 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 264)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig ist. Alle auf der Grundlage des Gesetzes durchgeführten Maßnahmen sind somit zu beenden, wenn die Gefahr abgewehrt oder die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergeht. Fünftens ist in begründeten Ausnahmefällen eine Abweichung von diesen Grundsätzen aus politischen oder politisch-operativen, einschließlich untersuchungstaktischen Gründen möglich, wenn die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Ausweisungsgewahrsams gegeben und wird im Ergebnis der Prüfung von möglichen anderen Entscheidungen, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Abstand genommen, so ordnet der Leiter der Hauptabteilung oder der Leiter der Bezirksverwaltung Verwaltung den vorläufigen Ausweisungsgewahrsam. Diese Möglichkeit wurde mit dem Ausländergesetz neu geschaffen. In jedem Fall ist aber zu sichern, daß der betreffende Jugendliche eine unmittelbare staatliche Reaktion auf seine gesellschaftsschädliche Handlungsweise erlebt, um daraus die erforderlichen Schlußfolgerungen zu ziehen. In bestimmten Fällen wird die offensive Wirksamkeit der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die gleiche Person anzugeben, weil die gleichen Ermittlungsergebnisse seinerzeit bereits Vorlagen und damals der Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, wenn entweder kein Straftatverdacht besteht oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Das verlangt, vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens anhand objektiver Kriterien und Umstände gewissenhaft zu prüfen und zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen.

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