Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 263

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 263 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 263); Herren! Einiges was ich sagen wollte, ist hier schon vorweggenommen, und dennoch gestatten Sie mir vorauszuschicken, daß dieser uns hier vorliegende Gesetzesentwurf ganz sicher aus unmittelbarem Handlungsbedarf geboren wurde und nur als Teil eines noch viel umfassenderen Gesetzeswerkes im Blick auf Gerichtsverfassung anzusehen ist. Die Fraktion der DSU dankt dem Ministerrat für die Einbringung dieses Gesetzesentwurfes und begrüßt ihn in seiner Gesamtheit. Die politische Bedeutung der Vorlage dieses neuen Richtergesetzes muß wohl mit Recht sehr hoch angesetzt werden. In den vergangenen Jahrzehnten - und das drückte sich ja jetzt eben in den Reaktionen der Abgeordneten aus - hat es einen ganz bewußten und zielstrebigen Abbau der Rechtsstaatlichkeit in der DDR gegeben. Die gesamte Rechtsordnung - und hier möchte ich nicht unterscheiden zwischen politischem, Strafoder Zivilrecht - diente in diesem Teil Deutschlands vorwiegend dem maßlosen Anspruch der SED - und die Partei hatte bekanntlich immer Recht und in allen Fragen - und war zugleich ein furchtbares Instrument der Machtausübung gegenüber den Menschen in der DDR. Die Opfer der Justiz zu zählen, wird Aufgabe kommender Tage sein. Ihre Rehabilitierung und die Entschädigung für erlittenes Unrecht müßte um der betroffenen Menschen willen möglichst .eute schon in Angriff genommen werden. (Beifall bei CDU/DA und DSU) Für so manches Opfer vergangener Willkür parteilicher Justiz wird es leider schon zu spät sein. Lassen Sie mich einige Punkte aus dem Ihnen vorliegenden Entwurf nennen, die zum Teil schon angesprochen und doch erwähnenswert sind. Vielleicht sind es Selbstverständlichkeiten, die ich nenne, aber Sie wissen es ja aus eigener Erfahrung: Das eigentlich Selbstverständliche war bisher in der DDR die absolute Ausnahme. Daß nach den §§ 11,12 und 13 Richter nicht mehr nach politischen Erwägungen, sondern allein nach sachlicher und persönlicher Eignung, in der Regel später auf Lebenszeit, berufen werden und nach § 1 an Verfassung, Gesetz und Recht gebunden sind, ergibt die klare Gewaltentrennung, die nötig ist, so daß die parteiliche oder parteiische Besetzung der Richterämter ausgeschlossen wird. Unabhängige Richter sind eine zentrale Instanz des Rechtsstaates und bilden zugleich auch die personelle Voraussetzung für die nötige Rechtsangleichung im hoffentlich bald vereinten Deutschland. Mit diesem Gesetz sehe ich auch einem furchtbaren Unfug früherer sozialistischer Gesetzlichkeit den Boden entzogen: der Möglichkeit der gesellschaftlichen Ankläger. Ernsthafte Fragen beziehen sich für uns im Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf im Hinblick auf Teil 5 § 44 Abs. 1 - er ist schon angeführt worden -, wo unter Anführung auf § 9 die Befähigung zum Berufsrichter von seiner Persönlichkeit und der Verfassungstreue abgeleitet wird. Ich frage mich: Haben die -und das möchte ich grundsätzlich in Frage stellen - bisherigen Richter die Legitimation, weiter als Richter tätig zu sein? Ich weiß um die Schwierigkeiten, aber ich kann es mir menschlich kaum vorstellen, daß die Opfer kommunistischer Justiz in Zukunft von denen rehabilitiert werden sollen, die sie in der Vergangenheit hinter Gitter gebracht und menschlich ruiniert haben. (Beifall, vor allem bei SPD, CDU/DA und DSU) Da ich am Antworten bin, möchte ich an dieser Stelle noch einmal Dank sagen für diesen Gesetzentwurf. Wir verstehen ihn als einen Versuch, das verlorengegangene Vertrauen der Menschen der DDR zur Justiz neu zu gewinnen und Anschluß hin zu dem bald vereinten Deutschland zu gewinnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Stellvertreter der Präsidentin Helm: Gestatten Sie eine Anfrage? (Anys, DSU: Ja, bitte.) Werner Schulz (Bündnis 90/Grüne): Herr Abgeordneter Anys, teilen Sie als Mitglied der Deutschen Sozialen Union, einer Partei, die ja auch im demokratischen Umbruch des Herbstes entstanden ist, meine Auffassung, daß mit der Einführung dieses Richtergesetzes bei der jetzigen politischen Konstellation ein Gipfel des Zynismus in der deutschen Rechtsgeschichte erreicht wird, indem ein Mann wie Kurt Wünsche, der Justitzminister unter Walter Ulbricht war und maßgeblich das Strafgesetzbuch der DDR eingeführt hat, unter dem seit 1968 viele politisch Andersdenkende in diesem Lande kriminalisiert wurden, künftig Richter dieses Landes beruft, den Richterwahlausschuß beruft und überhaupt in diesen Fragen des Richtergesetzes mit doch sehr eingreifender Kompetenz bedacht wird? Ich möchte vielleicht hier an dieser Stelle nicht den Ausspruch eines FDP-Bundestagsabgeordneten wie Burkhardt Hirsch wiederholen, der einen historischen Vergleich hergestellt hat. Ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen. (Vereinzelt Beifall bei Bündnis 90/Grüne, PDS und SPD) Anys (DSU): Sie fragen mich jetzt nach unserem Justizminister. Ich meine, im Blick auf das uns vorliegende Richtergesetz und die darin enthaltenen rechtsstaatlichen Auswahlkriterien für die Berufung von Richtern ist es der zuständigen Instanz, die diese Berufungen ausspricht, nun regelrecht zugewiesen, über die Eignung über die Mitgliedschaft in diesem Berufungsgremium selbst zu entscheiden. (Zuruf Bündnis 90/Grüne: Ein unabhängiger Standpunkt, für- wahr!) Ich danke Ihnen. Stellvertreter der Präsidentin Helm : Für die Fraktion Die Liberalen erteile ich das Wort dem Abgeordneten Thietz. Thietz für die Fraktion Die Liberalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht eingangs eine Bemerkung zu dieser letzten Zwischenfrage: Es kann doch wohl nicht Sinn eines Gesetzes sein, daß man es auf einen bestimmten Justizminister ausrichtet, sondern wenn, würde man sich gegebenenfalls über die Person des Justizministers unterhalten müssen und nicht über das Gesetz. (Vereinzelt Beifall) Und das gehört jetzt an dieser Stelle nicht hierher, würde ich meinen. (Vereinzelt Beifall) Der uns heute vom Ministerrat vorgelegte Beschlußantrag über ein Richtergesetz ist ein überaus wichtiges Instrument zur Umgestaltung des Justizapparates nach rechtsstaatlichen Grundsätzen. Dieser Schritt ist dringend geboten, weil völlig zu Recht von unserem Volk seit langem eine umfassende Justizreform auf dem Gebiet der DDR gefordert wird. Noch zu gut ist uns eine Klassenjustiz bekannt, die mit einer Hilde Benjamin begann, und damals war nicht Rechtsprechung nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person gefragt, nicht Gerechtigkeit und nicht Unparteilichkeit gegen jedermann, sondern ein fester Klassenstandpunkt, von dem sich jede juristische Tätigkeit abzuleiten hatte. Und das ist eine Tatsache, die auch hier von niemandem im Raum eigentlich bestritten werden dürfte. 263;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 263 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 263) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 263 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 263)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

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