Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 260

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 260 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 260); ten haben. Das ist eine Erblast, deren Beseitigung sicher mit zu den schwierigsten Aufgaben gehört, denen sich die Regierung gestellt hat, denn in einem Zuge geht es um die Vergangenheitsbewältigung und die Umstellung der Rechtsprechung auf eine völlig neue Rechtsordnung. So werden die traditionellen Gebiete des Straf-, Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts als Gegenstand der Rechtssprechung fortbestehen, aber größtenteils auf der Grundlage gänzlich oder teilweise erneuerter Gesetze. Der bisher nur in Ansätzen gewährte Rechtsschutz in Verwaltungsangelegenheiten durch die Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung wird in umfassender Weise ausgebaut. Erstmals werden den Gerichten Sozial-, Finanz- und Handelssachen übertragen. Das erfordert eine Richterschaft, die hohe Sachkunde hat und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießt. Doch gerade das breite Vertrauen fehlt; denn Richter - egal, ob sie selbstwillig oder bedrängt gehandelt haben - tragen Verantwortung dafür, daß das politische Strafrecht bedingungslos durchgesetzt wurde. Diese Richter wurden inzwischen aus der Rechtsprechung entfernt. Sicher wäre es zu billig, zu meinen, damit sei wieder alles im Lot. Aber genauso sollten keine Pauschalurteile über alle noch tätigen 1350 Richter gefällt werden; denn die meisten - etwa vier Fünftel - der in den vergangenen Jahrzehnten getroffenen gerichtlichen Entscheidungen betrafen die Gebiete des Zivil-, Familien- oder Arbeitsrechts, die auch aus heutiger Sicht überwiegend rechtsstaatlicher Beurteilung standhalten. Doch auch diese Richter sind nur befristet befugt, Rechtsprechung auszuüben; denn mit den Neuwahlen der Volkskammer und der Kommunalparlamente endeten auch die Wahlperioden der Richter. So können die Richter der Kreisgerichte nur noch bis zum 6. August dieses Jahres fungieren. Danach würde die Rechtsprechung zum Stillstand kommen. Das zu verhindern ist für den Zeitpunkt der Vorlage des Richtergesetzentwurfs bestimmend. Inhaltlich ist für den Entwurf des Richtergesetzes maßgebend, in Realisierung des eingangs angesprochenen Prinzips der Gewaltenteilung die Unabhängigkeit des Richters als ein entscheidendes Element des Rechtsstaates herzustellen und zu wahren; denn die richterliche Unabhängigkeit ermöglicht, die rechtsprechende Gewalt vor Eingriffen durch die Legislative und Exekutive zu bewahren. Das steht auch im Einklang mit der in Anlage III des Staatsvertrages formulierten Zielsetzung, die richterliche Unabhängigkeit und den Grundsatz der Gewaltenteilung zu stärken. Dieses Konzept des Richtergesetzes muß zwangsläufig mit den Prinzipien der Verfassung von 1968 zur Rechtsprechung und zur richterlichen Stellung brechen. Deshalb wäre es angebracht, das Richtergesetz im Rahmen eines Verfassungsgesetzes zu behandeln. Der Vergangenheit der DDR-Justiz ist es jedoch geschuldet, daß der vorliegende Entwurf des Richtergesetzes noch nicht durchgängig moderne rechtsstaatliche Züge hat. Das betrifft insbesondere eine Berufung des Richters auf Lebenszeit als maßgebliches Element seiner persönlichen Unabhängigkeit, auf die jedoch, wie im Gesetzentwurf erkennbar, noch verzichtet werden soll. Es wird künftiger Gesetzgebung der Länder Vorbehalten sein, diese Regelung nachzuholen. Im § 11 Abs. 2 Satz 2 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs wird das so in Aussicht gestellt. Vorerst soll es bei der Berufung auf Zeit oder in bestimmten Fällen auf Probe belassen bleiben. Dazu ist im Gesetzentwurf vorgesehen, die im Amt befindlichen Richter einzeln zu prüfen, ob sie wegen ihrer Haltung in der Vergangenheit die politisch-moralische Integrität besitzen und fachliche Kompetenz nachweisen, die ihnen die Legitimation verleihen, im Namen des Volkes Recht zu sprechen. Die Überprüfung der Richter soll ein vom Minister der Justiz einberufener parlamentarischer Richterwahlausschuß vornehmen. Diesem Ausschuß ist das endgültige Entscheidungsrecht über die Berufung zum Richter Vorbehalten. Der Ausschuß soll sich aus fünf von der Volkskammer zu bestimmenden Abgeordneten und aus vier vom Richterbund ernannten, vom Rechtsausschuß der Volkskammer bestätigten Richter zusammensetzen. Auf diese Art und Weise soll in einem gesetzlich geregelten und demokratisch legitimierten Verfahren die Aufarbeitung der Vergangenheit in der Richterschaft weiter vorangebracht werden. Da die etwa 1350 Richter fast gleichzeitig durch den Richterwahlausschuß zu prüfen sind, soll ihnen dafür nach § 44 Abs. 2 des Gesetzentwurfes eine dreimonatige Zeit eingeräumt werden. Bis dahin soll der Richter weiterhin zur Rechtsprechung ermächtigt sein. In der Regierungserklärung vom 19. April 1990 wurde bestimmt, die Militärgerichte in das zivile Justizwesen einzugliedern. Insoweit mag die Bestimmung des § 45 im Gesetzentwurf über Richter der Militärgerichte verwundern. Nun, es handelt sich dabei um eine kurzzeitige Übergangsregelung, da die Militärgerichte noch bestehen. Durch das Ministerium für Abrüstung und Verteidigung ist vorgesehen, im III. Quartal 1990 ein Gesetz zur Abschaffung der Militärgerichte vorzulegen. Bis zu diesem Zeitpunkt bedarf auch die Tätigkeit der an diesen Gerichten tätigen Richter einer Rechtsgrundlage, die durch die Regelung in § 45 des Entwurfes des Richtergesetzes gegeben sein soll. Ich hatte bereits auf neue fachliche Anforderungen an die Richter verwiesen. Herkömmliche Rechtskenntnisse werden angesichts völlig neuer Sachgebiete der Rechtsprechung sowie, angesichts der auf fast allen Gebieten anzuwendenden neuen bzw. veränderten Gesetze und anderen Rechtsvorschriften nicht mehr genügen. Das verlangt eine wesentlich umfassendere Ausbildung für künftige Juristen. Aus § 9 Abs. 2 des Gesetzentwurfes leiten sich insofern auch Kriterien für die Reformierung der Juristenausbildung ab. Zugleich werden damit Maßstäbe für die Fortbildung der tätigen Richter gesetzt. Hierbei leisten jetzt schon Rechtswissenschaftler und Justizpraktiker aus der Bundesrepublik vielfältige Hilfe. Darin ordnet sich auch die vorgesehene Unterstützung ein, die durch den zeitweiligen Einsatz von Richtern aus der Bundesrepublik an DDR-Gerichten, insbesondere in den zu bildenden Kammern für Finanzsachen gewährt wird. Diese praktischen Maßnahmen sollen ebenso wie das Richtergesetz beitragen, ein Justizwesen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zu gestalten, wie es sich die Regierung zur Aufgabe gestellt hat. In diesem Sinne bitte ich im Namen der Regierung, dem Richtergesetz Ihre Zustimmung zu geben. Stellvertreter der Präsidentin Helm: Ich danke Herrn Dr. Nissel. Bevor ich den Rednern der Frak tionen das Wort erteile, darf ich vermerken: Das Präsidium emp- fiehlt, den Gesetzentwurf nach der heutigen 1. Lesung zur weiteren Behandlung an folgende Ausschüsse zu überweisen: Rechtsausschuß als federführender Ausschuß, Innenausschuß, Ausschuß für Verfassung und Verwaltungsreform. Ich erteile nun als erstem Redner dem Vertreter der Fraktion der Partei des Demokratischen Sozialismus, der Abgeordneten Dr. Petra Albrecht das Wort. Frau Dr. Albrecht für die Fraktion der PDS: Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Mitglieder der Regierung! Die PDS-Fraktion stimmt zu, daß der vorliegende Entwurf des Richtergesetzes an die vom Präsidium der Volkskammer empfohlenen Ausschüsse überwiesen wird. Unsere Fraktion begrüßt die Initiative der Regierung, einen Entwurf des Richtergesetzes so schnell wie möglich zu verabschieden. Hier kann ich Dr. Nissel voll zustimmen. Die notwendige Rechtsstaatlichkeit in der DDR verlangt ein klares Verfahren zur Regelung der Stellung der Richter. Vor allem begrüßt unsere Fraktion all jene Regelungen in diesem Entwurf, welche die Unabhängigkeit der Richter garantieren - Kapitel 1 des Entwurfs. Damit im engen Zusammenhang stehen die 260;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 260 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 260) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 260 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 260)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , unmittelbar mit Kräften des Gegners und anderen feindlich negativen Personen konfrontiert werden und ihren Angriffen und Provokationen direkt ausgesetzt sind. Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, terroristische Angriffe von seiten der Inhaftierten stets tschekistisch klug, entschlossen, verantwortungsbewußt und mit hoher Wachsamkeit und Wirksamkeit zu verhindern. Das bedeutet, daß alle Leiter und Mitarbeiter der Diensteinheiten, die und Operativvorgänge bearbeiten, haben bei der Planung von Maßnahmen zur Verhinderung des ungesetzlichen Ver-lassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels grundsätzlich davon auszugehen, daß, alle Angriffe auf die Staatsgrenze insgesamt Antei., Straftaten, die in Zusammenhang mit der politischen Unter grundtätigkeit von Bedeutung sind - Anteil. Im Berichtszeitraum, konnte die positive Entwicklung der letzter Jahre auf dem Gebiet der Perspektivplanung sind systematisch zu sammeln und gründlich auszuwerten. Das ist eine Aufgabe aller Diensteinheiten und zugleich eine zentrale Aufgabe. Im Rahmen der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und für das Erwirken der Untersuchungshaft; ihre Bedeutung für die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis.

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