Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1816

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1816 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1816); Haschke für die Fraktion der DSU: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie können mir glauben, daß das für mich persönlich die unangenehmsten Minuten sind, die ich in diesem Parlament verbringe. Wir alle haben den Abschlußbericht des Überprüfungsausschusses gehört. Er war von der genannten Zahl erschütternd genug. Den meisten von uns reicht das nicht aus. Es fehlt die Untersetzung der Zahlen mit Namen, nicht irgendwelchen, uns unbekannten. Es geht um die Namen derer, die vor uns, die hinter uns und die gar neben uns sitzen. Es geht um Namen von Abgeordneten, die - so der Beschluß - durch die Schatten der Vergangenheit gelähmt oder durch immer wieder aufkommende Anschuldigungen erpreßt werden können. Ich bin Mitglied des Ausschusses und bin auch Mitglied einer Fraktion. Als Mitglied des Ausschusses weiß ich um die Tragik, kenne ich aus dem Leben vieler meiner Kollegen mehr, als mir lieb ist. Diese Kenntnis vieler Einzelschicksale weckt in mir und bestimmt in jedem, der sich damit beschäftigt hat, tiefe Gefühle. Kein Haß, Trauer steigt in mir auf. Und als Ausschußmitglied trage ich das, was der Kollege Schwanitz hier vorgetragen hat, mit. Als Mitglied einer Fraktion bin ich eingebunden in eine mehrheitliche Meinungsbildung, in der aus rationalen Gründen Gefühle nicht viel Platz haben. Sie gestatten mir trotzdem noch ein persönliches Wort: Immer aber, als Mitglied des einen oder des anderen, bin ich ein Mensch, der leicht zu verletzen, der auf Achtung, Zuneigung und Liebe angewiesen ist, letztlich auf andere Menschen. Und dieses weiß ich auch vom anderen neben mir, der je nach Fraktion, nach Weltanschauung und menschlichem Miteinander Genosse, Kollege, Bruder oder gar Freund ist und dies alles auch braucht. Wenn ich trotzdem dafür bin, Namen zu nennen, dann aus folgendem Grund - und hier möchte ich mich ausschließlich an die wenden, die davon betroffen sind Ich möchte euch zum ersten bitten: Beginnt die vor uns liegende Zeit mit der Wahrheit, und laßt euch helfen. Und ich möchte die Betroffenen auffordern: Helft unserer jungen Demokratie und verlaßt das Parlament! Eine große menschliche Eigenschaft ist, verzeihen zu können. Keiner von euch ist strafrechtlich verfolgt worden. Empfehlungen haben immer nur politisch-moralischen Charakter. Um so leichter wird es uns fallen, euch zu verzeihen. Namens meiner Fraktion trage ich den dem Präsidium vorliegenden Änderungsantrag vor, und zwar Änderung auf Antrag der Beschlußempfehlung des Zeitweiligen Ausschusses betreffend die Namen der Personen, denen eine Empfehlung zur Niederlegung ihres Mandates gegeben wird: „Die Fraktion der DSU stellt hiermit den Änderungsantrag auf Bekanntgabe der Namen der Abgeordneten der Volkskammer, bei deren Überprüfung eine Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS festgestellt wurde, und auch derer, die sich einer Überprüfung durch Verweigerung entzogen, und eine Bekanntgabe darüber, ob diese Abgeordneten zur Zeit noch einer Fraktion angehören. Diese Bekanntgabe möge durch die Fraktionsvorsitzenden geschehen.“ Es liegt - und ich will diesem Änderungsantrag nicht vorgreifen - auch ein Änderungsantrag des Präsidiums der Volkskammer vor, der sicher hier noch vorgetragen wird. Es ist natürlich unsinnig, über zwei Anträge abzustimmen. Und ich denke, wir sind uns in der Fraktion einig, daß wir dann unseren Antrag zurückziehen und über diesen abstimmen. Ich muß aber hier jetzt doch noch einmal im Namen des Sonderausschusses sprechen. Sie müssen eines bedenken, und deshalb finde ich diese Angriffe auf den Kollegen Schwanitz nicht gerechtfertigt: Wir haben uns bereiterklärt, in diesem Sonderausschuß mitzuarbeiten unter einer ganz bestimmten Bedingung. Niemals ist uns die Bedingung auferlegt worden, hier Namen zu nennen. Wissen Sie, das erinnert mich an Dinge, die uns aus Akteneinsicht bekannt geworden sind. Es wird einer aufgefordert, eine gewisse Sache für das MfS zu untersuchen, und dann wird er am Ende dieser Untersuchung aufgefordert: Und jetzt nenne uns die Namen der Mitarbeiter des MfS, die gesagt haben: Nein, Namen nicht. Und dann wurden die fallen gelassen. Dieser Sonderausschuß weigert sich, als Schild und Schwert irgendeiner Organisation hier aufzutreten und im Nachhinein zusätzlich an uns gestellte Forderungen entgegenzunehmen. Wir bitten deshalb, über folgenden Antrag abzustimmen: Der Sonderausschuß bittet um eine Auszeit. Die Mitglieder des Sonderausschusses und die Vorsitzenden der Fraktionen wollen gemeinsam beraten, wie und in welcher Art und Weise Namen dann doch genannt werden. Ich bitte, daß, wenn der Abänderungsantrag des Präsidiums hier durchgeht, dann über diesen Antrag auch noch abgestimmt wird. Wir wollen eines nicht: Sie dürfen uns nicht hier in fünf Minuten zu unüberlegten Handlungen treiben. (Unruhe im Saal - Gegenrufe) Ich weiß nicht, vielleicht sind die Fraktionen, die jetzt hier unruhig sind - ich kann das von hier nicht einschätzen -, später am meisten beunruhigt. Das müssen Sie uns zugestehen: Wir können nicht in Hast und Eile hier Dinge tun, die wir dann allein verantworten müssen. Lesen Sie bitte den Beschluß der Volkskammer durch! Alles, was in diesem Beschluß steht, haben wir aus menschlichem Ermessen erfüllt und durchgeführt. Wenn jetzt hier ein nächster Be-' ' Schluß gefaßt wird, dann brauchen wir die halbe Stunde, um uns in aller Ruhe mit den Fraktionsvorsitzenden zu beraten. Das müssen Sie uns zugestehen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Vereinzelt Beifall) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Danke. - Herr Abgeordneter Ullmann, ich würde bitten, daß wir erst den nächsten Redebeitrag hören und dann den Abänderungsantrag stellen. Bitte, Frau Birthler. Frau Birthler für die Fraktion Bündnis 90/Grüne: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Dienstag haben wir in der Fraktion abschließend diskutiert, wie wir uns als Fraktion, die von Anbeginn ihrer Arbeit an Offenheit in Fragen der Staatssicherheit verlangt hat, entscheiden. Auch in unserer Fraktion ist bei zwei Abgeordneten eine nähere Prüfung der Akten erforderlich gewesen. Der Prüfungsausschuß hat in keinem der beiden Fälle eine Empfehlung gegeben, das Mandat niederzulegen. Man könnte es dabei bewenden lassen. Muß man nicht befürchten, daß auf dem Namen einmal Genannter dauerhaft ein Schatten liegt? Kann dieser Schatten nicht schädlich für das Ansehen der Bürgerbewegungen sein? Geht man nicht erst recht in Wahlkampfzeiten sehr vorsichtig mit derart Informationen um? Und schließlich: Weiß man denn, was die Medien daraus machen? - Angst! Schon wieder soll Angst, dieses verfluchte Erbe der Staatssicherheit, unsere Entscheidungen beeinflussen. Wir haben Angst vor dieser Angst, dieser Angst, die uns lähmt und unsicher macht und korrumpierbar machen kann. Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen auf Grund der gemeinsamen Entscheidung von Ernst Dörfler, Bernd Reichelt und der ganzen Fraktion folgendes mitzuteilen: Alle Abgeordneten unserer Fraktion haben sich zu Beginn der gemeinsamen Arbeit im März in einer gesonderten Sitzung gegenseitig davon Mitteilung gemacht, ob und in welcher Weise sie mit der Staatssicherheit Berührung hatten. Es gab eine Vielzahl von Berichten, von Überwachungen und Schikanen, aber auch von Versuchen der Anwerbung. 1816;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1816 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1816) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1816 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1816)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Durch den Leiter der Verwaltung Rückwärtige ded und die Leiter der Abtei lungen Rückwärtige Dienste. der Bezirk sverwatungen ist in Abstimmung mit dem lelterüder Hauptabteilung Kader und Schulung festzulegen. Durch die Hauptabteilung Kader und Schulung sind die erforderlichen Planstellen bereitzustellen. Ziel und Umfang der Mobilmachungsarbeit. Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten Operativstäbe zu entfalten. Die Arbeitsbereitschaft der Operativstäbe ist auf Befehl des Ministers für Staatssicherheit auf der Grundlage der Ordnung über die Durcliführung von Transporten und die Absicherung gerichtlicher HauptVerhandlungen der Abteilung der angewiesen., Referat Operativer Vollzug. Die Durchsetzung wesentlicher Maßnahmen des Vollzuges der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre ununterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende, Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen. Daraus ergeben sich hohe Anforderangen an gegenwärtige und künftige Aufgabenrealisierung durch den Arbeitsgruppenloiter im politisch-operativen Untersuchungshaftvollzug. Es ist deshalb ein Grunderfordernis in der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der konkreten,tf-tischon Situation fehrung derartiocr in der Beschuldintenvernehmunq oif Schlußfolgerungen Beschuldigter brjrb-icht werden, können sich dann Einschätzungen crgeben, daß eine gesicherte Eoweislaoe beim Untersuchumg Gegeben ist.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X