Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 173

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 173 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 173); Die Grundlage, liebe Kolleginnen und Kollegen, besteht in einem Rechtsanspruch, den dann im Grunde der Abgeordnete als Teil seiner Würde besitzt. Hier begegnet sich die Erwartung der Bevölkerung, die in ihren Volksvertretern einen Teil der Bevölkerung anschaut, der sich nicht vom neurotisch-stalinistisch ausgeprägten Sicherheitsapparat der SED hat instrumentalisieren lassen, mit dem berechtigten Interesse der gewählten Volksvertreter, als Teil der wirklich erneuerten Gesellschaft akzeptiert zu werden. Und es wird ein Handlungsrahmen angeboten, in dem sich je nach den regionalen Möglichkeiten der Vorgang der Überprüfung gestalten kann. Die Legitimation erfolgt durch die demokratisch gewählten Volksvertretungen. Sie gewinnen dadurch Anteil an der rechtlichen und moralischen Gesundung unserer Gesellschaft. Es ist sehr wichtig, daß sie in diese Arbeit auch mit einbezogen werden. Innenministerium und Regierungskommission können nun ihrerseits durch Beratung und, wo angebracht, auch durch Weisung Rechtsstaatlichkeit mitgestalten. Der hoffentlich bald arbeitende Sonderausschuß unseres Parlaments für die generelle Aufarbeitung der Staatssicherheitsproblematik kann später den örtlichen Prüfungsgremien ein wichtiges Gegenüber sein. Die Äußerungen des Innenministers vor diesem Hause lassen erwarten, daß an der Kompetenz eingearbeiteter Komitees sowie Einzelpersonen nicht vorbeigegangen wird. Die letztgenannten ihrerseits werden akzeptieren, daß mit dem Erreichen der Rechtsstaatlichkeit ihre Arbeit modifiziert bzw. neu legitimiert wird. Die Überprüfungen sollten zügig beginnen. Die Verminderung von Mißtrauen in der Bevölkerung ist ein Gebot der Stunde. Gleichzeitig verweise ich auf die nicht zu unterschätzende Signalwirkung, die von der Tatsache ausgeht, daß sich die Abgeordneten aller Volksvertretungen überprüfen lassen. So könnte ja in unserem Lande eine staatsbürgerliche Haltung entstehen, die auch von weiteren Verantwortungsträgern, zum Beispiel in der Justiz, der Verwaltung, der Wirtschaft und in weiteren sensiblen Bereichen, wie Volksbildung, Sicherheitsapparat und ähnlichem, erwartet, daß sie sich einer derartigen Überprüfung unterziehen können. Die Abgeordneten der Volksvertretungen sollten durch ihre Bereitschaft, sich prüfen zu lassen, Vorbild für den genannten Personenkreis sein. Unsere Bevölkerung braucht Vertrauen gegenüber den Menschen, die Verantwortung tragen und in besonderem Maße die neue Gesellschaft gestalten. Und sie braucht dieses Vertrauen vielleicht nötiger als die schnelle D-Mark. Das sei am Rande bemerkt. Zur Zeit herrscht hier in weiten Bereichen ein Vertrau- tfnsdefizit. Und wir haben alles dafür zu tun, daß sich dieses Vertrauensdefizit minimiert. Nach all den Jahren der Deformation aber kann es einen Vertrauenszuwachs ohne Kontrolle nicht mehr geben, und darum werden wir diese Kontrollarbeit und werden wir diese Mechanismen, diese Vorgänge der Überprüfung bejahen müssen. Wir sollten uns davor hüten, diese Arbeit als zu schwer oder zu schmutzig anzusehen. Sie ist vielmehr leistbar. Wir warten im übrigen auf die weitergehende' grundlegende Aufarbeitung nach diesem jetzigen Schritt der Überprüfung aller Abgeordneten, und wir wünschen uns, daß in dem Haus, das wir gemeinsam errichten, in der neuen Demokratie, vor dem Neubau die Beräumung des Schmutzes zügig vorangetrieben wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Vereinzelt Beifall) Stellvertreterin der Präsidentin Dr. Niederkirchner: Danke, Herr Abgeordneter Gauck. Mir liegen Wortmeldungen von der Fraktion der SPD, der PDS und der Liberalen vor. Die Redezeit beträgt nach Absprache im Präsidium 5 Minuten je- weils. Ich bitte den Abgeordneten Dankward Brinksmeier, für die Fraktion der SPD das Wort zu nehmen. Brinksmeier (SPD): Frau Präsidentin, werte Abgeordnete! Ich wollte mich an dieser Stelle ausschließlich eines Auftrags meiner Fraktion entledigen und die Stellungnahme zum Antrag des Bündnisses 90 beziehen. Leider zwingt mich die ADN-Meldung des Ministeriums für Innere Angelegenheiten in der gestrigen Presse unter der Überschrift „Ablehnung Brinksmeiers aus fachlichen Gründen“ zu einer Anmerkung. Der verehrte Herr Innenminister hat in dieser Meldung seinen Sprecher verkünden lassen, ich könne nicht in seinem Ministerium Verantwortung übernehmen, weil ich über - ich zitiere - „keinerlei juristische Kenntnisse verfüge“. Das zwingt mich zu der Fragestellung, wie denn der Herr Innenminister diese Behauptung beweisen wird, wenn ich in dieser Unterstellung einen schwerwiegenden Angriff auf mein gesellschaftliches Ansehen erblicke und gemäß § 138 des Strafgesetzbuches Strafanzeige erstatte. (Beifall bei SPD und Bündnis 90/Grüne) Leider kommt es in dieser ADN-Meldung noch unqualifizierter aus dem Munde des Sprechers des Herrn Innenministers. Während meiner Tätigkeit als Regierungsbevollmächtigter im Ministerium hätte ich durch mein persönliches Auftreten Be-fremdung ausgelöst und nicht das notwendige Vertrauen begründen können. Hier dürfte der doch eindeutig juristisch gebildete Herr Innenminister noch größere Schwierigkeiten mit der Beweisführung haben, oder sollte er wirklich Zeugen auftreten lassen können, die diese offenkundigen Unwahrheiten bestätigen? Ich darf zusammenfassen, (Zuruf: Zur Geschäftsordnung!) daß mir jedes Wort der Verteidigung gegen diese über die Presse verbreiteten Unverschämtheiten fern liegt. Fragen sollte man aber dürfen, was man sich gegen einen in der Öffentlichkeit stehenden Abgeordneten der Volkskammer (Unruhe im Saal) noch alles an unqualifizierten Äußerungen herausnehmen darf, und wie nahe darf man dabei in den Bereich strafrechtlich geschützter Persönlichkeitsrechte kommen? Entschuldigen Sie, die An würfe sind so stark und meine fachliche Kompetenz, auch an dieser Stelle zu reden, angebracht. (Starke Unruhe im Saal) Stellvertreterin der Präsidentin Dr. Niederkirchner: Ich bitte Sie darum, zur Tagesordnung zu sprechen. Sollten Sie zu diesem Thema noch Meinungsäußerungen haben, dann müßten Sie die zu einem anderen Tagesordnungspunkt anmelden. (Vereinzelt Beifall) Brinksmeier (SPD): Und nun zu meinem eigentlichen Anliegen. Wer nicht heute der Wahrheit nachgeht, muß morgen die Lüge als Rechtsstaatlichkeit bezeichnen. (Vereinzelt Beifall bei Bündnis 90/Grüne) Wenn wir als das erste demokratisch gewählte Parlament die politische Aufklärung der stalinistischen Struktur nicht deutlich vorantreiben, begehen wir Verrat an den Opfern und betrügen Täter wie auch Opfer um die Möglichkeit, als befreite Menschen Demokratie und Gerechtigkeit auszuschöpfen. (Weiß, Bündnis 90/Grüne: Sehr richtig! - Vereinzelt Beifall) 173;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 173 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 173) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 173 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 173)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der oder den zuständigen operativen Diensteinheiten im Vordergrund. Die Durchsetzung effektivster Auswertungs- und Vorbeugungsmaßnahmen unter Beachtung sicherheitspolitischer Erfordernisse, die Gewährleistung des Schutzes spezifischer Mittel und Methoden Staatssicherheit zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung -und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. Ausgehend davon, daß - die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassene der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Mensbhenhandelse Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Ricfitlinie für die Arbeit mit den besonderen Anforderungen in der Leitungstätigkeit bedeutsame Schluß?olgerurigableitbar, die darin besteht, im Rahmen der anfOrderungsoriontQtefP Auswahl. des Einsatzes und der Erziehung und Befähigung ständig davon auszugehen, daß die in die Untersuchungshaftanstalt aufgenommenen Personen sich wegen der Begehung von Staatsverbrechen beziehungsweise anderer Straftaten mit einer hohen Gesellschaftsgefährlichkeit zu verantworten haben und das sich diese Inhaftierten über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen, Dadurch konnte eine umfassende Darstellung erlangt werden, die in konkreten Fällen in der Beschuldigtenvernehmung nicht zu erreichen war.

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