Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 171

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 171 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 171); Das heutige Gesetz bietet einen wesentlichen Fortschritt. Darauf ist schon in der Erklärung des Herrn Justizministers hingewiesen worden. Ich möchte besonders hervorheben die Ausdehnung auf juristische Personen, die wesentliche Ausdehnung der Tatbestände. Auch wir würden befürworten, daß die Frage der Steuern auch bei Bürgern hier einbezogen wird. Das betrifft die Fragen der Gewerbegenehmigung, aber auch den Zugang zu höheren Bildungsstätten. Das betrifft auch das Verfahren. Der Gerichtsweg kann jetzt unmittelbar eingeschlagen werden, wenn die Behörde nicht tätig wird. Es findet ein streitiges Vefahren statt, die Gerichte haben die Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden. Es gibt - und auch das ist ein wesentlicher Fortschritt - eine zweite Instanz. Wir begrüßen auch den Weg zur Generalklausel, wie er hier vom Herrn Justizminister vorgezeichnet wurde. Ich meine aber, und da möchte ich ihm ausdrücklich zustimmen, das ist im wesentlichen Umfang eine Frage des materiellen Rechts. So wäre es beispielsweise sinnvoll, auch Fragen des Behindertenrechts einzubeziehen, aber eben diese Fragen sind gegenwärtig ungenügend rechtlich geregelt, und man kann ein gerichtliches Verfahren nur dann einführen, wenn die Gerichte die Möglichkeit haben, sich auf ein ausgebildetes materielles Recht zu stützen. Rechtsverletzungen sind die Voraussetzung der Entscheidung. Dabei wird das Ermessen der Verwaltungsorgane nicht /lachgeprüft. Auch das entspricht der Einsicht, daß Verwaltung im Rahmen des Gesetzes stattfindet, zugleich aber aktive Tätigkeit ist, die unter der Kontrolle der Bürger stehen muß. Ich glaube, daß es auf die Dauer nicht zweckmäßig sein wird, diese Verfahren nach der Zivilprozeßordnung zu behandeln, weil doch für diese Verfahren eigene Gesetzmäßigkeiten gelten werden. Wir werden also in Zukunft ansteuern müssen, auch für diese Verfahren eine eigene gesetzliche Regelung zu entwik-keln. Es ergeben sich aus dieser Entwicklung wesentliche Folgerungen, die über die rein rechtlichen Fragen hinausreichen. Ich möchte drei Dinge hervorheben, was die Bindung der Verwaltung an die Gesetze in diesem Falle bedeutet. Einmal brauchen wir in der Verwaltung eine Änderung, eine Weiterentwicklung der Einstellung zum Recht. Wir brauchen eine höhere juristische Qualifizierung der Mitarbeiter der Verwaltung. Obwohl ich nicht meine, daß wir zum Juristenmonopol des 19. Jahrhunderts zurückkehren sollten, halte ich eine höhere juristische Qualifizierung für notwendig. Und schließlich glaube ich, daß wir auch auf diesem Gebiet eine umfassendere Ausbildung von Juristen brauchen. Das sind einfache Schlußfolgerungen aus dieser Entwicklung, auf die ich die Aufmerksamkeit der Abgeordneten Ien- en möchte. Gestatten Sie mir zum Schluß noch eine Bemerkung. Vorhin hat der Abgeordnete der DSU, Backofen, Konrad Weiß gefragt: Woher kennen Sie den Staatsvertrag? - Ich halte es für einmalig, daß ein Parlamentarier stolz ist auf die Nichteinbeziehung des Parlaments in die Behandlung von Lebensfragen der Nation. (Beifall bei der PDS) Stellvertreterin der Präsidentin Dr. Niederkirchner: Ich danke Herrn Abgeordneten Heuer. Für die Fraktion der SPD bitte ich den Abgeordneten Paul Jacobs, das Wort zu nehmen. Jacobs (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag des Ministerrates zielt auf die Beseitigung eines Zustandes hin, der nicht erst im Zusammenhang mit der politischen Situation der letzten Monate als schmerzlich empfunden worden ist. Das jahrzehntelange Verbot der gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Verwaltungsorgane, was in der Vergangenheit als ein Grundprinzip des so bezeichneten sozialistischen Rechts galt, hat sich nachteilig auf die Entwicklung des Verwal- tungsrechts selbst, aber auch - und das meiner Ansicht nach in schwerwiegendem Maße - auf die Qualität der Verwaltungsrechtsentscheidungen ausgewirkt. Die halbherzige und inkonsequente Lockerung dieses Verbots durch diese Bestimmungen vom Dezember 1988 ist nach meiner Auffassung trotz der seinerzeitigen starken propagandistischen Verbreitung durch die Massenmedien letztendlich, was ihre Auswirkungen betrifft, doch mehr in Richtung Enttäuschung gegangen, als daß sie Genugtuung hervorgerufen hat. Dieser damals als Vervollkommnung des sozialistischen Rechts und der sozialistischen Demokratie gepriesene Akt war insofern im Grunde genommen eher ein beredter Ausdruck der Reformfeindlichkeit des alten Systems. Dieser unbefriedigende Zustand soll und muß nunmehr überwunden werden. Die generelle Überprüfbarkeit von Vewaltungsentscheidun-gen ist Ausdruck der in diesem Lande zu installierenden Gewaltenteilung, ohne die Rechtsstaatlichkeit nicht denkbar ist. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist vom Grundsatz her geeignet, den gegenwärtigen Anforderungen Rechnung zu tragen, wobei der Zusammenhang mit der beabsichtigten Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sicher nicht zu übersehen ist. Das betrifft sicher nicht nur das Datum des beabsichtigten Inkraftsetzens dieses Gesetzes, sondern zugleich auch, wie hier schon gesagt wurde, speziell die Frage der Einbeziehung juristischer Personen als Adressaten von Verwaltungsrechtsentscheidungen. Dieser ernsthafte Mangel der Vergangenheit wird nun zum Glück damit ebenfalls beseitigt. Ich will mich jetzt hier nicht über die einzelnen Vorzüge der geplanten gesetzlichen Bestimmungen auslassen. Das ist hier ausreichend getan worden. Ich will nur noch auf drei Punkte hin-weisen, die mir erwähnenswert erscheinen und die gegebenenfalls noch diskutiert werden müssen. So ist einmal auch aus unserer Sicht die Frage der Einschränkung der Verwaltungsakte im § 2 des Gesetzentwurfes nochmals im einzelnen anzusehen. Es ist uns insoweit ebenfalls nicht ganz klar, warum diese Einschränkung gemacht wurde. Die Begründung, die Herr Justizminister hier gegeben hat, reicht meines Erachtens noch nicht aus. Zweitens ist die im § 2 Abs. 2 des Gesetzentwurfes geregelte allgemeine Frist von 6 Wochen nach meiner Auffassung ebenfalls noch einmal zu überprüfen, da sie mir doch etwas sehr lang erscheint, zumindest was die Problematik der Beschwerden gegen bereits getroffene Verwaltungsentscheidungen betrifft. Man muß in diesem Zusammenhang sehen, daß hier schon ein Verwaltungsverfahren im Gange ist, daß also eine gewisse Zeit schon verstrichen ist, daß eine Entscheidung bereits getroffen ist, und hier die Betroffenen nochmals auf diese 6-Monate-Frist zu verweisen, scheint mir doch unter Umständen unbillig zu sein. Es ist also doch eine andere Situation, als wenn es darum geht, zu klagen, weil das Verwaltungsorgan das Verfahren noch gar nicht in Gang gesetzt hat. Drittens auch noch einmal unser Hinweis auf § 11. Hier hat ja schon der Abgeordnete Ullmann für Heiterkeit gesorgt. Auch wir sind der Auffassung, daß hier die Problematik der Gerichtskostenfreiheit, das heißt also, weder Gerichtsgebühren noch gerichtliche Aussagen sollen einbezogen werden in derartige Verfahren, was die Kostentragungspflicht betrifft, nochmals geprüft werden sollte. Alles in allem, meine Damen und Herren, sehen wir diesen Gesetzentwurf als eine brauchbare Grundlage an, in der Zukunft damit zu arbeiten. Die Fraktion der SPD gibt diesem Entwurf ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPD-Fraktion) Stellvertreterin der Präsidentin Dr. Niederkirchner: Danke an Herrn Paul Jacobs. Ich bitte nun Frau Abgeordnete Birgit Kayser, zum Abschluß unserer Aussprache für die Fraktion der CDU/DA das Wort zu nehmen. 171;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 171 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 171) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 171 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 171)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Auftragsersuchen anderer Diensteinheiten Staatssicherheit oder eigener operativ bedeutsamer Feststellungen;, sorgfältige Dokument ierung aller Mißbrauchs handlangen gemäß Artikel des Transitabkommens, insbeson dere solcher, die mit der Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und vorbeugend zu verhindern. In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des Vorgehens zur Unterwanderung und Ausnutzung sowie zum Mißbrauch abgeschlossener und noch abzuschließender Verträge, Abkommen und Vereinbarungen. Verstärkt sind auch operative Informationen zu erarbeiten über die Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der gegnerischen Zentren, Organe und Einrichtungen sowie der kriminellen Menschenhändlerbanden und anderer subversiver Kräfte zur Organisierung und Durchführung der politisch-ideologischen Diversion, der Kontaktpolitik und Kontakttätigkeit., der Organisierung und Inspirierung politischer Untergrundtätigkeit, der Schaffung einer sogenannten inneren Opposition, der Organisierung und Inspirierung von Bürgern der zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem Transitabkommen und den Hinreisen der Westberliner festgestellt habe, auf eine wesentliche Verstärkung der feindlichen politisch-ideologischen Diversion und auf noch raffiniertere Mittel und Methoden des Klassengegners Sicherheitserfordern isse, Gefahrenmomente und Schwerpunkte zu erkennen und zu eren; eine immer vollständige Kontrolle über Personen und Bereiche suszuübon, die im Zusammenhang mit ihren Ubersiedlungsbestrebungen Straftaten begingen, erhöhte sich auf insgesamt ; davon nahmen rund Verbindung zu Feind-sentren auf und übermittelten teilweise Nachrichten.

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