Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1659

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1659 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1659); Viertens: Um den an Zentralismus gewöhnten DDR-Bürgern und -Bürgerinnen auch Vertrautes zu lassen und nicht gleich mit Föderalismus zu belasten, wird das Verwaltungs- und Finanzvermögen dem Bund unterstellt. Ein klassisches Beispiel von Vereinnahmung. Hier scheint sich zu bestätigen, was Jacques Rousseau 1775 in seiner Politischen Ökonomie über den Gesellschaftsvertrag schreibt: „Ihr seid auf mich angewiesen, denn ich bin reich und ihr seid arm. Schließen wir also ein Abkommen miteinander. Ich werde euch die Ehre gewähren, mir gefällig zu sein unter der Bedingung, daß ihr mir das wenige gebt, was euch bleibt, für die Mühe, die ich auf mich nehme, um euch zu befehlen.“ (Beifall bei Bündnis 90/Grüne und PDS) Damit das Ganze in Schwung kommt, werden wir ab 3. Oktober zentral aus Bonn regiert. Es sind bereits Teams für die Übernahme der ostelbischen Restrepublik zusammengestellt. Demnächst rückt Generalleutnant Schönbohn, Befehlshaber des Territorialkommandos Ost, mit seinen Mannen vor. Weitere Gruppen aus den jeweiligen Ministerien werden folgen, um uns den Vertragstext beizubringen. Die Treuhand wird dem Bundesfinanzminister unterstellt, nicht etwa dem Ministerpräsidenten der künftigen Bundesländer Ost. Das wiederum belebt den Präsidenten der Treuhand, zugleich Vorsitzender eines westdeutschen Stahlkonzerns, der unter Aufsicht westdeutscher Konzern manager unser Volksvermögen von immerhin 1000 Mil- aarden D-Mark für den Winterschlußverkauf sortiert. Damit die traute Runde ungestört arbeiten kann und sich Teamgeist entwickelt, wird der von der Volkskammer gewählte Vertreter der Opposition per Einigungsvertrag kurzerhand ausgeschlossen. Es rücken 5 Ländervertreter nach. Wen kümmern da schon unsere Sorgen, daß das Treuhandvermögen vorwiegend zur Wirtschaftsförderung genutzt wird, stabile Arbeitsplätze für DDR-Bürgerinnen entstehen und die Mittel nicht auf kurzen Umwegen zur Förderung bundesdeutscher Unternehmen abfließen. Deshalb fordern wir, daß auch Vertreterinnen aus den Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden und aus der Wettbewerbsaufsicht in den Verwaltungsrat der Treuhand aufgenommen werden. Fünftens: Spannend ist die Frage, wie geht man mit den wiederentdeckten Verwandten um? Allen Beteuerungen zum Trotz werden sie zunächst auf Jahre von der gemeinsamen Familienkasse ferngehalten. Was im ersten Moment wie ein finanztechnisches Verteilungsproblem aussieht, berührt in Wirklichkeit die Grundlagen der föderalen Ordnung des geeinten Deutschland. ' Obwohl wir sonst das gesamte Grundgesetz übernehmen, auch die hoffentlich nicht zur Anwendung kommenden Notstandsbestimmungen, werden eigens dafür die Artikel 106 und 107 eingeschränkt. Die DDR-Länder sollen bis Ende 1994 weder am allgemeinen Finanzausgleich noch an der normalen Umsatzsteuerverteilung teilnehmen. Statt dessen erhalten sie eine allmählich wachsende Quote am durchschnittlichen Umsatzsteueranteil. Länderund Gemeinden kommen also an die Leine des Finanzministers. Die Einnahmeverluste soll der Fonds Deutsche Einheit aus-gleichen, der noch vor kurzem als der großzügig in Aussicht gestellte Solidarbeitrag galt. Nun zeigt sich, daß er nicht annähernd die Verluste ausgleichen kann, die den DDR-Ländern durch die Streichung bzw. Kürzung des Finanzausgleiches entstehen. Ihr Schicksal scheint besiegelt. Sie werden zwar nicht zum Armenhaus, zu Sizilien oder Schottland, aber in vergleichbarer Weise zum Aschenputtel der Nation. Wir fordern deshalb einen uneingeschränkten Finanzausgleich; denn nur so kann die wirkliche deutsche Einheit, die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse erreicht werden. Die Trickkiste des Bundesfinanzministers hat noch mehr zu bieten. Um die Verschuldung des Bundes nicht zu erhöhen, werden das Haushaltsdefizit der DDR, weitere finanzielle Altlasten und sonstige Kosten der Einheit in einem Nebenetat mit der beruhigenden Bezeichnung „Sondervermögen des Bundes“ untergebracht. Nach Auflösung dieses Sondervermögens müssen Ende 1993 die Treuhandanstalt und die Bundesländer Ost diese Verbindlichkeit übernehmen. Wen wundert es, daß sich für solch vorteilhafte Finanzpolitik Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat finden. Sechstens: Um zu zeigen, wer der Herr im Hause ist, hat sich die Verhandlungsführung von den lästigen Zwängen des Parlaments befreit, gleich als Gesetzgeber betätigt und uns flink ein paar neue DDR-Gesetze ins unveränderliche Paket gelegt - als da wären das Kirchensteuergesetz, das offenbar wichtigste Finanzproblem der Verhandlungspartner, (Beifall bei SPD, Bündnis 90/Grüne und PDS) das DM Eröffnungsbilanzgesetz, das die einschneidende Schuldenfrage unserer Betriebe mit einer schwammigen Kannbestimmung beantwortet, das Gesetz über besondere Investitionen, die Regelung offener Vermögensfragen, welche die Rückübertragung von Eigentum zum Regelfall macht und eine Flut an Prozessen und Unsicherheit auslösen wird. Um Ausgleich besorgt, haben dafür von der Volkskammer beschlossene wichtige Gesetze wie das Gesetz über die Sicherung und Nutzung der Stasi-Akten, Rehabilitierungsgesetz, Familiengesetz, Zivildienstverordnung gar nicht erst Aufnahme gefunden. Haben denn die Volkskammer und ihre Ausschüsse für den Papierkorb gearbeitet? Wir fordern, daß zumindest das Rehabilitierungsgesetz und das Gesetz über die Stasi-Akten, die ja beide miteinander Zusammenhängen, aufgenommen werden. (Beifall bei SPD, Bündnis 90/Grüne, PDS, F.D.P. und DSU) Andere Gesetze wie die Kommunalverfassung oder das Kommunalvermögensgesetz erfahren drastische Einschränkungen. So wird das Ausländerwahlrecht wegfallen und das Kommunalvermögen zugunsten der Stromkonzerne beschnitten. Umstrittenen Gesetzen, welche die Kammer noch nicht passiert haben, wie dem Polizeigesetz, wurden vorsorglich schon Plätze reserviert. Ein solcher Vorzug ist dem Konversionsgesetz nicht gegeben. All das läßt sich nicht mit Arbeitsüberlastung, politischer Instinktlosigkeit oder mangelnder Sensibilität beschreiben, sondern ist Methode, der Vorgeschmack von Bevormundung. Ich will einen wunden Punkt herausgreifen, an dem wir uns als Volksvertreter unbedingt behaupten müssen. Das ist das Gesetz zur Sicherung und Nutzung der Stasi-Akten. Der Volkskammerbeschluß vom 30. August verpflichtet die Regierung, das Gesetz ohne Abstriche in den Einigungsvertrag aufzunehmen, und Artikel 9 Abs. 3 - die sogenannte Vorbehaltsklausel - ermöglicht das. Das ist eine offene Stelle des Vertrages, an der wir erleben werden, daß in den nächsten Tagen noch weitere Gesetze aufgenommen werden, sofern das beide Seiten wollen und wünschen. Und dann möchten sie bitte klipp und klar sagen, falls sie es nicht aufnehmen, was dagegen steht. Das kann man mit formaltechnischen Gründen hier nicht abtun. Die nach wie vor bestehende Ignoranz läßt sich nicht mit einem Briefwechsel ausgleichen. Auch das künftige Parlament sollte in dieser Sache den Willen der Volkskammer respektieren. Das ist unsere schmutzige Wäsche, die hier entstanden ist, die sorgfältige Aufarbeitung verlangt und keinem Gesinnungs-TÜV zusteht. Wir lassen uns keine Seite aus dem Stammbuch reißen. Wer das versucht, hat mit außerordentlichem Widerstand zu rechnen. (Beifall vor allem bei SPD und Bündnis 90/Grüne) 1659;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1659 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1659) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1659 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1659)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Unt,arBuchungshaft gerecht, in der es heißt: Mit detfifVollzug der Untersuchungs- der Verhaftete sicher ver-afverfahren entziehen und keine die Aufklärung oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht bestätigte oder die noch bestehende Gefahr nicht von solcher Qualität ist, daß zu deren Abwehr die Einschränkung der Rechte von Personen erforderlich ist. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege, hat das Untersuchungsorgan das Verfahren dem Staatsanwalt mit einem Schlußbericht, der das Ergebnis der Untersuchung zusammen faßt, zu übergeben.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X