Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1648

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1648 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1648); Und eine Mehrheit wollte nun auch ein solches geeintes Deutschland, unabhängig von den jeweiligen Bedingungen, wobei bestimmte Fortschritte nicht zu verkennen sind, aber große Nachteile eben auch nicht. Ich glaube, einer der juristischen Geburtsfehler war die Festschreibung auf den Artikel 23 des Grundgesetzes statt auf den Artikel 146 des Grundgesetzes, und zwar einfach deshalb, weil durch diese Festschreibung von vornherein klar war, daß es um mehr um einen Anschlußvertrag und nicht um eine Vereinigung geht, daß man sich auch nicht die Zeit nahm, nachzudenken, welche Lösungen in welchen Fällen die geeigneten sind, ob die aus der dann ehemaligen DDR oder die aus der Bundesrepublik, oder ob vieleicht ganz andere Lösungen in Frage kommen, als es sie bisher in dem einen oder in dem anderen Land gibt. Das ist bedauerlich, weil nämlich die Chance bestanden hätte, politisch, militärisch, sozial, ökonomisch wenigstens den Versuch zu unternehmen, ein Deutschland zu installieren, das sehr viel besser ist als die DDR, aber durchaus auch besser ist als die BRD. Das ist eine Chance, die vertan wurde. Es kam nichts weiter als eine Vergrößerung der BRD heraus, wobei Korrektive wegfallen und jetzt schon bestimmte Großmachtmanieren deutlich werden, die hätten verhindert werden müssen. Und wenn ich höre, daß man auch noch über die Veränderung des Grundgesetzes nachdenkt, um vielleicht künftig doch noch Weltpolizist spielen zu können, dann verstehe ich inzwischen bestimmte Befürchtungen sehr viel besser, die aus den Nachbarländern geäußert wurden. Unabhängig von dem Vertrag - im Rahmen der Verhandlungen 2+4 - hätte z.B. die Möglichkeit bestanden, daß die Deutschen von sich aus etwas zum künftigen militärischen Status in Deutschland in diesem Vertrag sagen. Es hätte die Möglichkeit bestanden, ganz eindeutig die Weichen auf Abrüstung und weitergehende Reduzierung der Streitkräfte zu stellen und hiermit deutlich zu machen, welche Rolle dieses künftige Deutschland in Europa und in der Welt spielen will. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, eine Verpflichtung zur Neutralität oder aber zur allmählichen Entmilitarisierung einzugehen. Das alles ist nicht geschehen. Damit sind viele Chancen leider vertan worden, die durchaus bestanden haben. Die Probleme dieses Vertrages sind verschiedener Natur. Hier ist durch den Kollegen Thierse bereits auf die Präambel hingewiesen worden. Es ist mir auch völlig unverständlich, weshalb man auch hier eine völlig überflüssige Stärke in der Auseinandersetzung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zeigen mußte. Man hätte den Vorschlag dieses Zentralrats zur Formulierung in der Präambel übernehmen können. Ich hätte gerne mal eine Begründung dafür, weshalb das eigentlich unmöglich erschien, wer sich eigentlich zu dieser Vergangenheit nicht bekennen wollte und aus welchem Grunde. (Beifall bei SPD und PDS) Es gibt eine ganz grundlegende Änderung des Gundgesetzes, die in diesem Vertrag vereinbart wird, und da heißt es: Recht in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet kann längstens bis zum 31. Dezember 1992 von Bestimmungen dieses Grundgesetzes abweichen, soweit und so lange infolge der unterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Und dann wird eine Ausnahme dazu vereinbart. Diese Regelung, auf die unsere Regierungsdelegation besonders stolz ist, weil sie bestimmte spezifische Momente der Entwicklung in der DDR berücksichtigen soll, ist aber bedenklich, weil es ja gegenwärtig nur eine Hoffnung ist, daß sie in der Richtung angewandt wird, in der man sie versteht. Ich weiß z. B. nicht, ob die Verhältnisse in der DDR so anders sind als in derBundesrepu-blik, daß nicht das Bundesverfassungsgericht sagen könnte: Die Fristenregelung wird sofort aufgehoben, weil eben die Verhältnisse in der DDR so verschieden nicht sind von der Bundesrepublik. Wenn aber dagegen ein Rentner z. B. dafür eintritt, daß die Rentenanpassung für ihn voll gültig ist, und darauf besteht, daß die im Grundgesetz im Artikel 72 Abs. 2 Ziffer 3 geregelte Wah- rung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse durchgesetzt wird, dann kann man ihm sehr wohl entgegenhalten, eben auf Grundlage dieser Änderung des Grundgesetzes, daß die Verhältnisse in der ehemaligen DDR noch nicht so sind, daß dies gestattet ist. Das heißt, es ist eine Regelung, die durchaus gegebenenfalls positive Anwendung finden kann, aber man muß bitte schön auch betonen, daß sie sehr wohl auch negative Anwendung finden kann für die Bürgerinnen und Bürger der DDR. Das würde zur Ehrlichkeit hinzugehören, und es würde dazugehören, daß man wenigstens den Versuch hätte machen können, eine Negativanwendung auszuschließen. Der fehlt, und der ist auch nicht verankert im Vertrag. (Beifall bei der PDS) Ich finde es auch bedauerlich, daß in dem Vertrag festgelegt ist eine Stimmenverteilung im Bundestag, die zwangsläufig dazu führt, daß dann die Länder der ehemaligen DDR, einschließlich des Landes Berlin, immer weniger als ein Drittel der Stimmen im Bundesrat haben, so daß sie jederzeit hinsichtlich DDR- oder dann ehemals DDR-spezifischen Forderungen überstimmt werden können und selbst Grundgesetz- und Verfassungsänderungen gegen ihren Willen möglich sein werden, sofern sich die anderen natürlich einig sind. Es gibt auch kleine Formulierungsunterschiede, die sehr wohl ihre Bedeutung. Im früheren Artikel 146 stand für den Fall der Einheit drin, daß eine neue Verfassung durch Volksentscheid angenommen werden muß. Jetzt ist das Wort „neue“ gestrichen worden. Es steht nur noch das Wort „Verfassung“ drin. Ich verstehe das so, von wem es auch immer gekommen ist - (Zuruf: Die SPD hat das gestrichen.) die SPD hat das gestrichen, ich nehme das zur Kenntnis, ich verstehe das so, daß nicht „neu“ heißen soll: Es kann sehr wohl auch das Grundgesetz sein. Und wenn es sehr wohl auch das Grundgesetz sein kann, soll es ja wohl heißen, daß eben nicht garantiert ist, daß Rechte wie das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnung, auf selbstbestimmte Mutterschaft und anderes garantiert in eine Verfassung aufgenommen werden. Von entscheidender Bedeutung in diesem Einigungsvertrag halte ich die Negierung der Arbeit dieser Volkskammer nach dem 18. März 1990. Es ist hier zum Teil in stundenlangen Sitzungen, in Nachtsitzungen, in harter Arbeit der Ausschüsse Spezifisches für die Entwicklung in der DDR erarbeitet worden, und vieles davon fällt am 3. Oktober 1990 weg - so, als ob es die Arbeit dieser Volkskammer in dieser Zeit gar nicht gegeben hätte. (Beifall bei SPD und PDS) Das betrifft zahlreiche Bestimmungen im neugefaßten Familienrecht, zahlreiche Bestimmungen im neugefaßten Gesundheitsrecht. Das betrifft das Gesetz über die Verwahrung und - Nutzung der Akten des MfS/AfNS. Das betrifft das Vorerwerbsrecht für DDR-Bürger für Grund und Boden innerhalb einer bestimmten Frist. Das betrifft das Rehabilitierungsgesetz und andere Bestimmungen. Und dann gibt es noch eine Rechtskonstruktion, die noch merkwürdiger ist. Mit dem Vertrag wird nämlich jetzt schon bestätigt, daß bestimmte Gesetze, die noch gar nicht da sind, Gegenstand dieses Vertrages sind und damit also sozusagen auf jeden Fall rechtskräftig werden. Sie können das einmal in den Anlagen nachlesen. Da steht: Gesetz vom - und dann ist es offen, Gesetzblatt - offen, oder es steht drin: Durchführungsverorde-nung vom - und dann fehlen die Punkte, weil sie noch nicht beschlossen worden sind. Ich glaube, es ist ein einmaliger Vorgang, daß das Parlament heute schon festlegt, daß Gesetze gelten werden, die es überhaupt noch nicht kennt. Das hat es - glaube ich - in der Geschichte der Parlamente noch nicht gegeben (Beifall bei der PDS) Und das muß ja der Bundestag auch tun. Es ist schon ein merkwürdiger Vorgang, daß sich Parlamente darauf verständigen. 1648;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1648 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1648) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1648 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1648)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

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