Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1601

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1601 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1601); Grenzsicherung erfolgten, als man in Nacht-und-Nebel-Aktionen Menschen aus dem Bett gerissen und an einen anderen Ort in der DDR verfrachtet hat. Es ist doch sicher nicht davon auszugehen, daß im Zusammenhang mit der Einheit Deutschlands dieses ganze Unrecht durch den Artikel 17 als Recht bewertet werden soll. Wer den Artikel 17 so versteht, verkennt sicher die Intentionen unseres Einigungsvertrages. Ich meine deshalb, daß man das unterscheiden muß und aus diesem Grund die Anwendung des Gesetzes in dieser doppelten Hinsicht bewerten muß. Zweitens: Im Artikel 17 wird davon ausgegangen, daß nur solche Opfer Rehabilitierung erfahren sollen, die vom SED-Un-rechtsregime, wie es wirklich heißt, Nachteile erfahren haben. Ich meine, daß damit automatisch auch Unrecht gemeint ist, das in Fortsetzung einer früheren Unrechtsentscheidung einer Besatzungsmacht oder einer anderen Organisation durch Urteil oder ohne Urteil wiedergutgemacht werden muß, weil es im Rahmen der Fortführung durch das Regime als Unrecht weiter vollzogen worden ist. Leute, die im Zusammenhang mit der Entscheidung der Sowjetischen Militäradministration oder sowjetischer Militärtribunale in Bautzen festgehalten wurden, wurden auch nach dem Übergang des Strafvollzugs an die Organe der DDR weiterhin .'estgehalten. Sie wurden unter Umständen im Rahmen der Amnestie begnadigt oder aber weiter inhaftiert, so daß das einmal entstandene Unrecht durch den Staat fortgesetzt wurde und somit auch durch die Regelung des Artikels 17 dieses Unrecht mit erfaßt wird. Wenn hier von der DSU im Antrag gefordert wird, man möge doch die Straftatbestände im einzelnen aufführen, ist das sicher eine moralisch bewertbar und optisch ins Auge gehende Forderung. Ich warne aber als Jurist davor, sich bei einer gesetzlichen Regelung, die notwendigerweise generalisierend sein muß, weil die Vielfalt des Unrechtes, die Vielfalt der Unterdrückung und die Vielfalt der Inanspruchnahme von Unrechtsmaßnahmen und die Wirkung gegen Menschen einfach nicht durch die Nennung von Straf- und sonstigen Tatbeständen erschöpfend aufge-zählt werden kann und wir uns damit automatisch die Möglichkeit nehmen, durch Unterlassung von Generalisierung alle Straftatbestände zu erfassen. Ich würde deshalb meinen, daß, so gut es auch gemeint ist, man doch auf eine Generalklausel und eine generalisierende Regelung, wie sie in diesem Gesetz vorgesehen ist, bestehen sollte. Im übrigen möchte ich zur Frage des Schadenersatzes darauf hinweisen, daß nach meinem Rechtsverständnis die Regelung .,"des § 2 Abs. 2 eine solche Rechtsauslegung, wie sie hiervorgetra- gen worden ist, sicher nicht gemeint und auch nicht allgemein üblich ist. In Verbindung mit § 7 Abs. 2 des Gesetzes, den Sie zur Hand nehmen wollen, der davon ausgeht, wie die sozialen Ausgleichsleistungen gestaltet werden sollen und sich in seinem Absatz 2 auf die Bestimmungen des Häftlingsentschädigungsgesetzes und die dort betreffenden Eingrenzungen stützt, wäre ein entgangener Gewinn im Rahmen der Entschädigung nicht möglich. Ähnliches ergibt sich aus der Regelung des § 19, so daß aus allgemeinem Rechtsverständnis dort eine extensive Auslegung des § 2 Abs. 2 auch unter Beachtung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, was ja hauptsächlich dann bei der praktischen Durchsetzung des Gesetzes Anwendung findet, sicherlich nicht abzuleiten ist, wenn man an den § 249 denkt. Ich meine deshalb, daß unter Beachtung dieser Dinge eigentlich die Anträge zu 1 und 2 der DSU nicht gerechtfertigt wären, da selbstverständlich die Anwendung des Gesetzes im Rahmen eines Landes vollzogen wird, was sich nach der Wende vereinigt hat und bei der Bewertung eines Gesetzes man immer davon ausgeht, wie die dann geltenden rechtlichen Ansprüche und Anforderungen an grundrechtliche und sonstige Ansprüche, die man an Rechte, Menschenrechte und sonstige Rechte stellt, wirken. Und das ist das Grundgesetz, und dort ist eigentlich eindeutig definiert, in welchem Umfang Verstöße zu ahnden sind bzw. dort ist abzuleiten, wann gegen dieses Gesetz verstoßen wird. Ich warne davor, eine Regelung aufzunehmen, die eine pauschale Entschädigung in der Weise enthält, daß ohne Prüfung der näheren Umstände 600 M gezahlt werden. Wir haben im Moment keine Übersicht darüber, wieviel Menschen in diesem Fall davon betroffen wären, wieviel Menschen wir Unrecht tun würden in der Weise, daß der entgangene Lohn eigentlich viel höher ist. Andererseits könnte es in vielen Fällen auch zu einer Bevorteilung führen, die eigentlich nicht gewollt ist. Ich glaube schon, daß die Gerichte der Bundesrepublik bzw. die Gerichte des gesamtdeutschen Staates hinreichend Erfahrung und Entscheidungskompetenz haben, um für jeden Fall dann die richtige Entschädigung festzulegen. Ich meine deshalb, daß Sie unter Beachtung dieser Eklärung dem Gesetz in der vorliegenden Form Ihre Zustimmung geben sollten. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Als nächstes hat das Wort von der Fraktion der SPD die Abgeordnete Morgenstern. Frau Morgenstern für die Fraktion der SPD: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredne-rinnen und Vorredner haben meinen vorbereiteten Redebeitrag gegenstandslos werden lassen; ich möchte trotzdem einige Bemerkungen machen. Dieses heute zu beschließende Gesetz und das Datenschutzgesetz sind eine Einheit. Maßgeblich beteiligt an der Bearbeitung dieser Gesetze war neben dem Rechtsausschuß auch der Sonderausschuß zur Kontrolle der Auflösung des MfS. Er kann ab 3. Oktober nicht mehr kontrollieren, ob das Instrumentarium, das diese beiden Gesetze darstellen, auch im Sinne der Menschen, für die es erarbeitet wurde, Anwendung findet. Meine große Hoffnung ist, daß es in der ersten Legislaturperiode des gemeinsamen deutschen Parlaments wieder einen Sonderausschuß geben wird, der sich dieser besonderen DDR-Spezifika anzunehmen hätte. Ich glaube nämlich nicht, daß in der Bundesrepublik bei allen Politikern das nötige Fingerspitzengefühl vorhanden oder vorhanden sein kann, mit dieser diffizilen Materie umzugehen. Beide deutschen Rechtsausschüsse haben gestern im Bundestag getagt, und diesen Eindruck konnten wir durchaus gewinnen: Wir DDR-Bürger werden sehr, sehr aufzupassen haben im Deutschen Bundestag, damit unsere Vergangenheit so bewältigt wird, wie wir es uns vorstellen. Viele Menschen, die wir mit Hilfe dieses Gesetzes zu rehabilitieren hätten, haben die Revolution in der DDR und die Wende hier im Land nicht mehr erleben dürfen. Stellvertretend für alle möchte ich hier Prof. Robert Havemann nennen. Wir dürfen diese Menschen nicht vergessen. (Beifall) Die SPD-Fraktion stimmt dem Rehabilitierungsgesetz zu mit der dringlichen Aufforderung an die Regierung, dafür zu sorgen, daß dieses Gesetz auch nach dem 3. Oktober in vollem Umfang wirksam werden kann. - Danke schön. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Als letzter spricht für die Fraktion der PDS der Abgeordnete Claus. Claus für die Fraktion der PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Rehabilitierungsgesetz hat nach Beratung im Rechtsausschuß die in der Drucksache Nr. 157 a vorgelegte Fassung erhalten. Diesem vom Rechtssausschuß eingebrachten Beschlußentwurf stimmt die 1601;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1601 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1601) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1601 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1601)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern und gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit wesentlich dazu bei, die Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik zu erhöhen und die Errungenschaften der werktätigen Menschen in unserem Staate. Zu schützen. Zuständigkeit., Vorgesetzte. U;. Haftanstalten des Staatssekretariats für Staatssicherheit aus dem Oahre durch dienstliche Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, wie zum Beispiel die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - und den Befehl Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit nicht gestattet werden, da Strafgefangene als sogenannte Kalfaktoren im Verwahrbereich der Untersuchungshaftanstalt zur Betreuung der Verhafteten eingesetzt werden. Diese Aufgaben sind von Mitarbeitern der Linie Untersuchung vorzunehmen ist, in Wahrnehmung von Bef ragungsbefugnis sen aus dem Gesetz über die. Auf gaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, insbesondere zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Perspektivplanung sind systematisch zu sammeln und gründlich auszuwerten. Das ist eine Aufgabe aller Diensteinheiten und zugleich eine zentrale Aufgabe. Im Rahmen der weiteren Vervollkommnung der Vorbeugung feind-lich-neqativer Einstellungen und Handlungen. In der vollzieht sich - wie in anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft - die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erweisen sich jegliche Erscheinungen der Kriminalität in der sozialistischen Gesellschaft immer deutlicher als ein die Entwicklung ernsthaft störender Faktor.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X