Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1569

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1569 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1569); viele Gruppen aus den Leistungen der Arbeitsverwaltung heraus. Zur Zeit erhalten nach Informationen des Arbeitslosenverbandes nur 46,8 % der Antragsteller Arbeitslosengeld. Viele dieser Menschen, z. B. Selbständige, Absolventen, Frauen, die wegen Krippenunfähigkeit des Kindes nicht arbeiten konnten, stehen vor dieser Situation, ohne daß sie Vorsorge treffen konnten. Es häufen sich Fälle der Entlassung Behinderter. Man spricht auch davon, daß immer mehr geschützte Werkstätten vor der Schließung stehen. Es wächst die Zahl Jugendlicher, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben oder deren Lehrvertrag gekündigt wurde. In einigen Regionen sind bereits jetzt Frauen unter den Arbeitslosen deutlich überrepräsentiert. Was wird getan, um diese Menschen vor dem Abgleiten in Armut und in soziale Isolation zu bewahren? Wie gedenkt die Regierung, Initiativen zur gesellschaftlichen Integration Arbeitsloser und arbeitsloser Sozialhilfeempfänger wirkungsvoller zu fördern? Wird sind der Auffassung, daß vor allem die Regierung, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände gemeinsam nach Lösungen für dieses grundlegende Problem suchen müssen. In der Öffentlichkeit sollte stärker der Gedanke der Solidarität mit den Arbeitslosen gefordert werden. Zweckoptimistische Voraussagen über kommende Zeiten des Arbeitskräftemangels und das Beschwören eines Investitionsschubes nach irgendwelchen Daten, die nach Bedarf geändert werden, helfen jetzt nie- and, verniedlichen die Probleme nur und erzeugen im öffentli-'"6hen Bewußtsein ein falsches Bild. Manche scheinen auf einen westlichen Unternehmer zu blik-ken, als sei er die Verkörperung des Esel-streck-Dich. In Wahrheit aber ist er doch nicht Grimms gebefreudiger Märchenesel, sondern - zumindest unter anderem auch - Konkurrent. Das höchste der Gefühle, deren er - rein marktwirtschaftlich bedingt - fähig ist, dürfte darauf hinauslaufen, hier bei uns die verlängerte Werkbank für Zuarbeit zu installieren. Und das wird bei nicht voll ausgelasteten Kapazitäten dort zur Verlagerung der minderbezahlten Teile der Arbeit hierher führen. High tech dort, die schlichteren Versatzstücke hier. Um dem Einhalt zu gebieten, müßte statt der puren Marktwirtschaft eine sozial abgefederte und um regionalen Ausgleich bemühte Marktwirtschaft praktiziert werden. Wir unterstützen in diesem Zusammenhang die Bemühungen des Arbeitslosenverbandes, den von Arbeitslosigkeit Betroffenen Hilfe zu geben, ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu helfen und auch der Regierung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgen Programme vorzulegen. Wir sehen darin und in dem vom Arbeitslosenverband initiierten parteien-übergreifenden Runden Tisch Arbeitslosigkeit eine Chance, in yie deutsche Einheit ein neues Herangehen an beschäftigungspolitische Fragen einzubringen. - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der PDS) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Ich bitte nun von der Fraktion der F.D.P. den Abgeordneten Steinecke, das Wort zu nehmen. Dr. Steinecke für die Fraktion der F.D.P.: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Hause sind sich wohl alle Parteien darüber einig, daß der Übergang von der Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft nicht ohne tiefgreifende Veränderungen in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens und überhaupt allen Lebensbereichen möglich ist. Die Strukturbereinigung unserer Wirtschaft, aber auch die erforderlichen Korrekturen in den anderen Bereichen müssen zu einer Umverteilung dessen führen, was wir in der Vergangenheit pseudowissenschaftlich „Gesellschaftliches Arbeitsvermögen“ genannt haben, und es ist unumgänglich - so finden wir -, daß die mit dieser Strukturwandlung verbundenen Prozesse so schnell wie möglich vollzogen werden, denn welche andere Wahl hätten wir? - Wir hätten nur die Wahl, die Mauer wieder zu errichten. Und daß in diesem Prozeß, meine Damen und Herren, zwangsläufig Arbeitslosigkeit entsteht - darüber waren wir uns alle einig, und das haben auch die Wähler gewußt, die uns dieses Mandat gaben. Deshalb teile ich nicht unbedingt und in allen Punkten die Auffassung meines Vorredners, der diese Ursachen für die Arbeitslosigkeit nicht dort genannt hat, wo sie eigentlich zu suchen sind, (Beifall bei CDU/DA, DSU und F.D.P.) nämlich in dem notwendigen Strukturwandel. Arbeitslosigkeit ist nun das, das eine Gesellschaft wohl am meisten beschäftigt, und deshalb begrüßen wir die heutige Stunde. Gestatten Sie mir, aus dem gesamten Komplex zu einigen wenigen Punkten unsere Darlegungen zu geben. Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Jugendarbeitslos i g k e i t ist wohl eines der schlimmsten Probleme, die eine Gesellschaft betreffen kann. Wenn ein älterer Mensch zeitweilig oder für längere Zeit arbeitslos wird, hat das für seinen späteren Lebensweg bei weitem nicht diese katastrophalen sozialen und psychischen Auswirkungen, als wenn ein Mensch in jungen Jähren ein Minderwertigkeitsgefühl erzeugt bekommt, was er wohl sein Leben lang als Syndrom mit sich herumschleppen wird, und gegenwärtig beschäftigt uns wohl der hohe Anteil an Jugendarbeitslosigkeit. Die Anzahl der Schulabgänger hat sich von ursprünglich rund 120 000 auf nunmehr 156 000 erhöht. Die Ursachen sind im vorzeitigen Abgang von 10-Klassen-Schülern, wie auch in der verstärkten Nachfrage von Abiturienten nach Berufsausbildungsstellen zu sehen. Das erste könnte man im wesentlichen vielleicht negativ bewerten, weil die beruflichen Chancen von 8-Klassen-Schülern unter denen von Abgängern der 10. Klasse liegen. Das ist auch durch die Zahl belegt, daß gegenwärtig über 60 % der nicht vermittelten jugendlichen Abgänger aus der 8. und aus niedrigeren Klassen kommen. Ob die gegenwärtig verstärkte Hinwendung der Abiturienten zur Berufsausbildung positiv zu bewerten ist, möchte ich heute und hier nicht unbedingt beurteilen. Aber diese verstärkte Zuwendung trägt auf keinen Fall zur Entspannung auf dem Arbeitsmarkt bei. Aber, meine Damen und Herren, die Zahl der Schulabgänger, die keine Lehrstelle finden, ist innerhalb des letzten Monates um ca. 30 % auf über 12 000 gestiegen. Bereits jetzt sind nach den uns vorliegenden Zahlen über 14 000 Lehrverträge gekündigt, ein Drittel davon bereits im 1. und zu Beginn des 2. Lehrjahres. Die hohe Zahl der ausschließlich einseitig, also nicht in beiderseitigem Einvernehmen gelösten Lehrverträge beträgt ungefähr 15000. Darunter sind 9000 Verträge, die bereits vor Aufnahme einer Lehre gekündigt sind. Nach unserer Auffassung ist an dieser mehr als kritischen, an dieser überkritischen Jugendarbeitslosigkeit nicht nur der wirtschaftliche Wandel schuld, sondern dies ist auch ein Ausdruck der Unsicherheit in der Rechtsprechung, in der Unkenntnis der Gesetze und in der Unkenntnis der Möglichkeiten, diese Prozesse zu steuern. Unsere Gerichtsbarkeit ist teilweise gelähmt. Darüber wollen wir uns nicht hinwegtäuschen. Und häufig kennen die Bürger ihre Rechte nicht. Bedenklich stimmt uns, daß die konkrete Situation im Handwerk und im mittelständischen Gewerbe unbekannt ist. Unserer Fraktion konnten dazu keine exakten Informationen gegeben werden. Aber hier - das sagte mein Vorredner, und hier stimme ich mit ihm überein - könnten wir relativ schnell wirksam werden. Aber auch hier, meine Damen und Herren, schleppen wir die Altlast unserer Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre mit uns herum. In der Bundesrepublik Deutschland werden 35 % aller Lehrstellen von mittelständischen Betrieben und von Kleinbetrieben gestellt. Bei uns sind es in der Vergangenheit nicht einmal 8% gewesen, und hier liegt eine weitere Ursache für die Jugendarbeitslosigkeit: In dem Moment, wo große wirtschaftli- 1569;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1569 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1569) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1569 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1569)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, davon auf dem Territorium der und in anderen sozialistischen Staaten. Weitere Unterstützungshandlungen bestanden in - zielgerichteter Erkundung der GrenzSicherungsanlagen an der Staatsgrenze der und den daraus resultierenden politisch-operativen Konsequenzen und Aufgaben. Es handelt sich dabei vor allem um neue Aspekte der politischoperativen Lage an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Leiter aller Ebenen der Linie dieses Wissen täglich unter den aktuellen Lagebedingungen im Verantwortungsbereich schöpferisch in die Praxis umzusetzen. Es geht hierbei vor allem um die ständige, objelctive und kritische Erforschung und Beurteilung des Einsatzes und der konkreten Wirksamkeit der operativen Kräfte, der Mittel und Methoden und des Standes der politisch-operativen Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer?!l insgesamt ist die wesentlichste Voraussetzung, um eine wirksame Bekämpfung des Feindes zu erreichen, feindlich-negative Kräfte rechtzeitig zu erkennen und zu verhüten zu verhindern, Ein erfolgreiches Verhüten liegt dann vor, wenn es gelingt, das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen das Umschlagen feindlich-negativer Einstellungen in feindlich-negative Handlungen prinzipiell die gleichen Faktoren und Wirkungszusammenhänge aus dem Komplex der Ursachen und Bedingungen von Bedeutung sind wie für das Zustandekommen feindlich-negativer Einstellungen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß bei Sicherheitsdurchsuchungen eine Reihe von Beweismitteln den Betreffenden nicht abgenommen werden können. Der vorläufig Festgenommene darf nicht körperlich untersucht werden.

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