Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1523

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1523 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1523); Deswegen reden wir heute über einen Kernpunkt weiterer Politik. Freilich, wir wissen alle: Die Handlungsfähigkeit dieses Parlaments erstreckt sich nicht mehr auf lange Zeit. Wir sollten diesen Zeitraum aber zunächst ausnutzen. Nun brauche ich mich nur den guten Argumenten anzuschließen, die heute durch alle Fraktionen gekommen sind, um zunächst die vorhandenen Finanzmittel für diese wichtige Frage noch einzusetzen. Dem Haushaltsausschuß möchte ich zu bedenken geben, daß ohnehin der Ansatz an Mitteln für die Forschung mit etwa 1 % des Gesamthaushalts nur ein Drittel bis ein Viertel dessen beträgt, was es in der Bundesrepublik ist und das zweitens nicht nur aus den Mitteln des Ministeriums für Forschung und Technologie eine Kürzung erfolgte, sondern daß auch von den 215 Millionen, die im Wirtschaftsministerium für industrielle Forschung zur Verfügung standen, nur 50 % freigegeben sind. Dieses Geld wird dringend gebraucht; denn es geht vor allen Dingen darum, daß wir dieses Forschungspotential für Deutschland erhalten. Das muß doch, denke ich, jetzt langsam auch dem Letzten klar werden. Wenn Bundestag und Volkskammer der deutschen Einheit zugestimmt haben, dann können auch wir nicht mehr weiter so denken, als ob es um zwei Bereiche geht. Wer in diesen fünf Ländern der Wissenschaft Schaden zufügt, der fügt Gesamtdeutschland einen Schaden zu. Da vorhin Herr Prof. Terpe bemerkte, daß für ihn die Zeit et- ' was kurz war, um ausführlich über die Probleme in der Industrieforschung zu sprechen, will ich gern noch einige Ergänzungen geben, damit das ganze Problem klar wird. Zwei große Bereiche sind in der Industrieforschung gefährdet. Das betrifft einmal alle Betriebe, die in Zukunft für die erste Zeit Know-how übernehmen im Zusammenhang mit dem Anschluß an größere Industrieunternehmen der Bundesrepublik und die im Moment aus einer kurzschlüssigen Entscheidung heraus Wissenschaftspotentiale in Spezialgebieten abbauen, die sie einfach nicht wieder bekommen, weil es dabei um jahrzehntelange Erfahrungen geht, die man sich nicht von heute auf morgen erwerben kann. Das zweite ist der große Bereich, den wir alle kennen und den ich über viele Jahre immer als “Robinsonforschung“ charakterisiert habe. Sie wissen alle, wieviele Wissenschaftler, sehr fähige Wissenschaftler, in unserem Lande Geräte bauen mußten, Neuentwicklungen treiben mußten für Dinge, die es eigentlich auf dem Weltmarkt gab. All diese Forschung ist natürlich in Zukunft überflüssig, und es ist nicht möglich, das so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Das will auch gar keiner. Aber in diesem Bereich werden Zehntausende hochfähiger Wissenschaftler beschäftigt, die unter schwierigen Bedingungen, unter viel schwierigeren als ihre Kollegen in der Bundesrepublik, erstaunliche Leistungen vollbracht haben. Alle diese Leute sind für unsere künftige Entwicklung wichtig, und ich bin auch davon überzeugt, daß sie wieder einzugliedern sind, aber das ist doch nicht möglich, wenn sie alle mit einem Schlag auf die Straße gesetzt werden und von heute auf morgen neue Arbeitsplätze suchen müssen! Hier brauchen wir vernünftige Übergangsregelungen. Ich appelliere von dieser Stelle an Industriebetriebe, an Länder und Kommunen und Forschungseinrichtungen auch in der Bundesrepublik, zu prüfen, ob sie nicht - zeitlich begrenzt - Vertragsforschung auf dem Gebiet der DDR in Auftrag geben können, um einen geordneten Übergang dieser Arbeitskräfte zu erreichen. Nach seriösen Untersuchungen westdeutscher Industrieberatungsunternehmen geht es hierbei um etwa 80000 Hoch- und Fachschulkader aus dem Bereich der Industrieforschung, die sonst wahrscheinlich in nächster Zeit beschäftigungslos sein werden. Dieses Potential wird in der Zukunft in Sachsen und in Thüringen, in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern fehlen, und wir werden es nicht wieder aus dem Boden stampfen können. Das zweite, was ich heute noch einmal sagen möchte, ist, daß Bemühungen um die Verbesserung der Wissenschaftlandschaft in unserem Lande unbedingt neue Leitungsstrukturen benöti- gen. Es kann nicht sein, daß der Filz, der in Akademien, Hochschulen und auch in den Industrieforschungseinrichtungen teilweise bis hinunter zum Abteilungsleiter vorwiegend unter den Gesichtspunkten zustande gekommen ist, wer gerade zur richtigen Zeit die Parteischule besucht hat, nun in Zukunft die Geschicke der Forschung unseres Landes leiten soll. Daher ist eine Bewertung aller wissenschaftlichen Leiter nach den tatsächlich von ihnen in den letzten Jahren gebrachten Ergebnisse nötig. Das sollte auch ordentliche Professoren betreffen. (Beifall) (Zwischenruf: Außerordentliche auch?) Außerordentliche auch. Das betrifft zweitens die öffentliche Ausschreibung von Stellen und eine Transparenz der Entscheidungskriterien, damit nicht wieder aufs neue bestimmte Beziehungen, sondern wirklich fachliche Leistungen entscheiden. Und das betrifft drittens die Stärke des akademischen Mittelbaus. Uns erreichen viele besorgte Zuschriften aus dem Bereich der Universitäten, daß die Leute, die vierzig Jahre lang nicht die Chance bekommen haben, sich zu habilitieren bzw., falls sie das gerade noch irgendwie doch durchdrücken konnten, dann also schon für eine Dozentenstelle nicht in Betracht kamen, daß diese Wissenschaftler nun auch wieder keine Chance haben. In dieser Hinsicht möchte ich besonders mein Befremden über die Vorstellungen des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft zum Ausdruck bringen, daß es eine Altersbegrenzung für Anstellung im Hochschulwesen auf 35 Jahre geben soll. Mindestens für die Leute, die eindeutigerweise auf Grund der Tatsache, daß sie nicht Mitglied der SED waren, in den letzten Jahrzehnten große Schwierigkeiten hatten, sollte es ein verstärktes Förderungsprogramm geben. Das ist eine Aufgabe, die wir mit hinüberzunehmen haben in die Länder und auch in den Bundestag. Ich möchte schließlich als letztes an dieser Stelle sagen, daß über all diese dringenden Tagesaufgaben hinaus es eine wichtige Aufgabe der Bildungspolitik in unserem Lande bleiben muß, neue Grundlinien der Wissenschaftsethik und der Wissenschaftsverpflichtung zu ziehen, und daß es Kriterien geben muß an denen sich in Zukunft Wissenschaft in unserem Land vorrangig zu orientieren hat. Das sind Schonung der natürlichen Umwelt, Überleben der Menschen, Anerkennung des Selbstwertes auch nichtmenschlichen Lebens und eine Achtung der Eigenbestimmung künftiger Generationen. Alle wissenschaftlichen Entscheidungen müssen in der Reichweite bedacht werden, auf die sie sich erstrecken, und das meint nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Ausdehnung. Ich danke Ihnen. Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Aktuelle Stunde beendet. Ich möchte auf die Zeit verweisen. Das Präsidium hat beschlossen, daß in der zweiten Aktuellen Stunde bitte von Anfragen Abstand genommen wird bzw. das Präsidium keine Anfragen zuläßt. Ich rufe jetzt die zweite Aktuelle Stunde auf: Aktuelle Stunde “Die Situation des Gesundheitswesens der DDR beim Übergang in die deutsche Einheit“ Ich bitte von der Fraktion der SPD den Abgeordneten Donaubauer, das Wort zu nehmen. Dr. Donaubauer für die Fraktion der SPD: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil die Situation des Gesundheitswesens in der DDR beim Übergang in die deutsche Einheit dies verlangt. Erlauben sie mir, daß ich mit einem 1523;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1523 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1523) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1523 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1523)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingung: ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Verbreitung derartiger Schriften im Rahmen des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher eine wesentliche Rolle spielt und daß in ihnen oftmals eindeutig vorgetragene Angriffe gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung enthalten sind, kann jedoch nicht ohne weitere gründliche Prüfung auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns im Sinne des Strafgesetzbuch noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Entsprechende Beweise sind sorgfältig zu sichern. Das betrifft des weiteren auch solche Beweismittel, die über den Kontaktpartner, die Art und Weise des Bekanntwerdens des Kandidaten und andere, für die Gewährleistung der, Konspiration und Geheimhaltung wesentliche Gesichtspunkte, die in der künftigen inoffiziellen Zusammenarbeit besonders zu beachtenden Faktoren, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Dienstobjekte Staatssicherheit - Ordnung Sicherheit Dienstobjekte - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Bc? Sie haben den Staatsanwalt sofort zu unterrichten, wenn die Voraussetzungen für Untersuchungshaft weggefallen sind. Der Staatsanwalt hat seinerseits wiederum iiT! Rahmer; seiner Aufsicht stets zu prüfen und zu dokumentieren, ob der Auftrag durchgeführt wurde und welche weiteren politisch-operativen Maßnahmen, insbesondere zur Auftragserteilung und Instruierung der und festzulegen sind.

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