Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1454

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1454 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1454); Ich möchte übrigens noch etwas sagen zu dem Argument, daß das Material zu vernichten sei, da es rechtswidrig erworben ist. Wissen Sie, wenn wir alle die Akten aufbewahren wollten, die auf Grund unserer Rechtsvorstellungen rechtens sind, was bleibt dann von den Akten all der Staatsorgane oder der Regierung übrig, die ja nach unserer Ansicht eh nicht legitimiert waren oder nicht zureichend jedenfalls. Meines Erachtens kann man dieses Argument nicht anwenden, und es gibt in der Geschichte auch Beispiele dafür, daß es nicht angewendet worden ist. Also, das Gesetz, das Ihnen vorliegt, ist sorgfältig ausgearbeitet. Es fördert die Gerechtigkeit, und es bringt allerdings auch Abweichungen von der ursprünglichen Vorlage. Ich nenne eine gravierende, es ist die Ländervariante der Archivierung. Sie ist nicht die ausschließliche Variante, aber sie ist die zunächst genannte, und sie ist bevorzugt als einfachste und logische Konsequenz aus der Forderung, daß die Betroffenen, nämlich die Bürger der ehemaligen DDR, diejenigen sein sollen, die hier das Sagen haben, und das ist eben am einfachsten dann über die Länderparlamente hier zu bewirken. Freilich wird die Nutzung und Verwahrung nicht nur verantwortet von den Betroffenen in den Ländern, sondern auch von der Zentrale, vom Parlament. Also sind die verständlichen Wünsche der Länder berücksichtigt, ebenso logisch ist es, daß das zentrale Archiv einer gesamtstaatlichen Verantwortung unterstellt wird, und so finden sich föderale und zentrale Verantwortung, und sie sind aufeinander bezogen. Sie finden im § 7 Abs. 3 die gegenseitige Amtshilfe, im § 5 Abs. 2, daß der Beirat für den Beauftragten für die Zentrale aus den Beauftragten der Länder gebildet wird. Das, denke ich, ist eine sehr wichtige Sache, die uns aus der Bundesrepublik bekannt vorkommt. Das föderale Prinzip ist manchmal in der Handhabung umständlich, aber es fördert die Demokratie. Nicht nur die Demokratie, sondern auch die Gerechtigkeit sollte gefördert werden. Das war das Ziel, und hier ist es gelungen, Spezifika der DDR-Si-tuation und Erfordernisse des bundesdeutschen Datenrechtes zusammenzubringen. Es ist unerläßlich für das Wirksamwerden des Rehabilitierungsgesetzes übrigens - unser Gesetz. Mit diesem Rehabilitierungsgesetz zusammen wird es Gesundungsprozesse dieser Gesellschaft befördern. Bei diesen Gesundungsprozessen wird es, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Schmerzen geben, und diese Schmerzen sind unvermeidbar. Wir sind Zeugen solcher Schmerzen auch in unserem Hause. Aber so ist das: Ein schmerzfreier Übergang in die Gefilde der Demokratie ist für Menschen, die unsere Geschichte haben, eben nicht möglich. Das ist tragisch, und das ist manchmal auch schwer, aber ich denke - ich muß mal innehalten, ich will hier nicht Schmerzen das Wort reden, aber ich denke, Schmerzen zu ertragen statt Beschädigtsein zu leugnen, das kann doch auch etwas mit Würde zu tun haben. (Beifall bei der SPD, Bündnis 90/Grüne, DBD/DFD) Würde ereignet sich doch nicht dadurch, daß ein glorifizierter Abschluß oder Anfang gefeiert werden kann. Mit Würde kann man auch Krankheiten ertragen und sterben oder Lebensübergänge in krisenhaften Situationen. So etwas passiert hier gerade. Ich denke, daß dieses Gesetz dem dient, daß es dabei Rechtsbedenken berücksichtigt und daß es außerordentlich wichtig ist, daß es in seinem Material Bestandteil des Einigungsprozesses wird und daß wir möglicherweise noch während unserer Arbeitszeit als Volkskammer den Beauftragten, den das Gesetz vorsieht, wählen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieder: Danke schön, Abgeordneter Gauck, für die Begründung der Beschlußempfehlung. Ich sehe noch eine Anfrage; sind Sie bereit, darauf einzugehen? Frau Morgenstern (SPD): Ich hoffe, es handelt sich um eine Richtigstellung. Der Ausschuß hat beschlossen, daß der Bevollmächtigte das 30. Lebensjahr erreicht haben muß. In unserer heutigen Vorlage, also in der Vorlage a, steht das 35. Lebensjahr. Die Beschlußfassung des Ausschusses lautet 30. Lebensjahr. In dem heute vorliegenden Papier steht das 35. Lebensjahr. Das muß also noch geklärt werden. Gauck (Bündnis 90/Grüne): Frau Abgeordnete! Es handelt sich um das 35. Lebensjahr. Ich möchte Sie bitten - grammatikalische Fehler möchte ich jetzt nicht berichtigen -, auf Grund eines Übermittlungsfehlers auf der 1. Seite des Gesetzes § 1 (2.) einen Passus zu verändern. Es geht darum, das Wort „unbefugten“ einzusetzen anstelle von „dem Zweck dieses Gesetzes widersprechenden“. Wegen eines Übermittlungsfehlers ist dieser Text so zustande gekommen. Ich bitte Sie, das als Druckfehlerberichtigung zu werten. Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieder: Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Danke schön, Abgeordneter Gauck. Dem Präsidium liegen Wortmeldungen aus den Fraktionen vor, und ich erteile dem Abgeordneten Geisthardt von der Fraktion CDU/DA das Wort. Geisthardt für die Fraktion CDU/DA: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gauck, ich bedanke mich für die Ausführlichkeit und für die Güte Ihres Vortrages. Es ermöglicht mir, viele Dinge hier wegzulassen. Die Tagesordnung heute ist noch sehr lang. Ich möchte nur einige kleine Gedanken anführen. Wir sind uns in diesem Hohen Hause, und nicht nur hier, sondern auch im Lande draußen, sicherlich einig, daß das Wirken, ja, ich müßte eigentlich schon sagen, die Existenz dieses Ministeriums für Staatssicherheit, das man wohl besser eine Terrororganisation einer gewissenlosen Clique SED-Führer nennen sollte, einer gründlichen Untersuchung bedarf. (Beifall) Die Intention des Gesetzes ist eindeutig. Es geht um Aufarbeitung, es geht um Rehabilitierung, und es geht um Bestrafung von Verbrechen. Zur Aufarbeitung ein paar Gedanken: Es gibt etwa 6 Mio Ak- . ten. Der Inhalt ist teilweise der Phantasie von Stasi-Offizieren entsprungen. Es gibt aber auch 6 Mio Akten, wo sich Dinge finden, die für eine historische Aufarbeitung sehr wichtig sind, und es sind 6 Mio Akten, die praktisch jeden Bürger dieses Landes erfassen. Und wer trotz des früheren Verbotes Orwells „1984“ gelesen hat, man wußte schon, warum man es verboten hat, der weiß, daß das, was dort beschrieben wurde, eigentlich ein Kinderspielchen zu dem war, was das MfS in diesem Lande getan hat. Es gibt Arbeit für viele Historiker in diesem Lande. Es sind Hunderttausende Bürger dieses Landes, die direkt geschädigt wurden, es gibt Millionen, die indirekt geschädigt wurden. Und wer in dieser spezifischen Materie arbeitet, der bekommt wie ich stapelweise Briefe von Bürgern mit Bitten um Rehabilitierung. Und diese Briefe, das sage ich Ihnen ehrlich, die sind manchmal geeignet, einem abwechselnd die Schamröte ins Gesicht oder die Tränen in die Augen zu treiben, was dort in der Vergangenheit geschehen ist. Es besteht ein akuter Handlungsbedarf, auch für das Rehabilitierungsgesetz. Der Kollege Gauck hat es angesprochen. Dieses Gesetz, was wir hier vorgelegt haben, bietet die rechtliche und sachliche Grundlage dafür. Und es geht um Bestrafung von Verbrechen. Und wenn Sie sich an die jüngste Vergangenheit erinnern, da gab es ja diese einschlägigen Publikationen, Sie kennen diese Heftchen mit den 1454;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1454 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1454) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1454 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1454)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, strafprozessualen Prüfungshandlungen in der Vorkommnisuntersuchung sowie in Zusammenarbeit mit operativen Diensteinheiten in der politisch-operativen Bearbeitung von bedeutungsvollen Operativen Vorgängen sind die Ursachen und begünstigenden Bedingungen des Vorkommnisses konkret herauszuarbeiten. Das Staatssicherheit konzentriert sich hierbei vorrangig darauf, Feindtätigkeit aufzudecken und durch Einflußnahme auf die Wiederherstellung einer hohen Sicherheit und Ordnung innerhalb der Untersuchungshaftanstalb, vor allem zur vorbeugenden Verhinderung aller Störungen, die gegen den Vollzugsprozeß gerichtet sind, die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Staatssicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , unter konsequenterWahrung der Rechte Verhafteter und Durch- Setzung ihrer Pflichten zu verwirklichen. Um ernsthafte Auswirkungen auf die staatliche und öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Rechtspf rga nen Entwicklung der Bearbeitung von Untersuchungsvorgängen - Entwicklung der Qualität und Wirk- samkeit der Untersuchung straf-tatverdächtiger Sachverhalte und politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse Entwicklung der Leitungstätigkeit Entwicklung der Zusammenarbeit mit anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsorganen der Bruderorgane sowie des Zusammenwirkens mit den-anderen Siche rhei rqanen ,y jfpy.

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