Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1312

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1312 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1312); Deshalb ist nach meiner Ansicht nicht der rasche oder langsame Beitritt die Frage, sondern der harte Kampf um die Interessen der Bürger dieses Landes, solange wir dazu in der Lage sind. (Beifall bei der PDS, beim Bündnis 90/Grüne und bei einigen Abgeordneten der SPD) Und ich muß sagen, daß mir Frau Hildebrandt heute wieder Hoffnung gegeben hat, daß in der Regierung gekämpft wird. (Beifall, vor allem bei der PDS) Sie wissen: Wir waren und sind gegen den Beitritt nach Artikel 23 und für Artikel 146. Damals wurde uns immer wieder erklärt, daß auch ein Beitritt eine gleichberechtigte Diskussion ermöglichen würde. Wenn wir uns jetzt aber den ersten Entwurf des sogenannten Einigungsvertrages ansehen, dann zeichnet er sich dadurch aus, daß er vieles Entscheidendes nicht enthält, daß er in vielen Punkten hinter früheren Erklärungen zurückbleibt. Recht der DDR gilt nur weiter, soweit es in uns bislang unbekannten Anlagen aufgeführt wird und - hier bleibt wieder Unsicherheit - mit dem Grundgesetz der BRD vereinbar ist. Der Herr Ministerpräsident hat seinen Sinneswandel damit begründet, daß es nach den bisherigen Ergebnissen der Verhandlungen feststünde, daß wichtige Verhandlungsziele, die er mehrfach beschrieben habe, durchgesetzt werden können. Ich meine, wenn wir uns diesen Vertragsentwurf ansehen, dann wird eine Verschlechterung gegenüber früheren Entwürfen ganz deutlich. Ich will das an einigen Punkten einmal deutlich machen. Zum Arbeitsrecht wird in dem Material vom 23. Juli - in dem Text, der jetzt vorliegt, in dem Entwurf des Einigungsvertrages, ist überhaupt nichts dazu zu entdecken - gesagt: „Das Bundesministerium für Arbeit hält - unbeschadet der vorläufigen Beibehaltung einzelner Sonderregelungen - die Aufrechterhaltung günstiger Arbeitsrechtsregeln für das Gebiet der DDR für nicht akzeptabel und ist generell der Auffassung, daß auch aus wirtschaftlichen Gründen in beiden Teilen des Gesamtstaates ein einheitliches Arbeitsrecht gelten müßte. Die Aufrechterhaltung günstigerer Arbeitsrechtsregelungen für das Gebiet der DDR würde im übrigen Bundesgebiet auf Unverständnis und Ablehnung stoßen.“ Das betrifft solche Fragen wie Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder, Arbeitnehmerhaftung und anderes. Für Schwerbehinderte sieht das Bundesministerium für Arbeit keine Notwendigkeit für ein in der DDF? zu belassendes Recht der Schwerbeschädigten-Nachtarbeit abzulehnen. Hinsichtlich des Rechtes der Krankenversicherung ist das Bundesministerium für Arbeit der Meinung, daß die Besserstellung der DDR-Bürger bei den bundesdeutschen Versicherten nicht auf Akzeptanz stößt. Das einzige, was sich in diesem Entwurf findet, ist die Formulierung: „Das Arbeitsvertragsrecht sowie das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht soll möglichst bald einheitlich neu kodifiziert werden.“ Wir finden auch nichts über die Strafvorschriften zur Homosexualität und zum Schwangerschaftsabbruch. Zur Familie finden wir nur den allgemeinen Satz: „Es ist Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers, angesichts unterschiedlicher rechtlicher und institutioneller Ausgangssituationen bei der Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern die Rechtslage entsprechend dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten.“ Ich glaube, daß auch der Nichtjurist sich darüber klar ist, daß das nichts bedeutet, daß das nicht heißt, daß irgend etwas geschieht. Hinsichtlich des Vermögens ist nur der Bezug auf die gemeinsame Erklärung vom 15. Juni erfolgt. Der Herr Ministerpräsident hat am 22. Juli die Tatsache, nur diese politische Erklärung zu haben, ausdrücklich als ungenügend bezeichnet. Trotzdem haben wir nur diese politische Erklärung, die nach meiner Ansicht völlig unzureichend ist, um die Konflikte zu entscheiden. Wir werden Hunderttausende von Prozessen haben. Das wird zwar eine Methode sein, Arbeitsbeschaffung für Anwälte zu leisten, aber es wird nicht die Probleme unseres Landes lösen. Der Abgeordnete Thierse hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Reihe von Sonderregelungen für die DDR unbedingt beizubehalten, und darüber hinaus am 13. Juli erklärt, es gäbe eine Reihe von Dingen, wo er denkt, daß die Rechtsangleichung auch in westöstlicher Richtung erfolgen solle. Ich möchte das auch außerordentlich unterstützen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf eine sehr wichtige Frage kommen, das ist die Frage des Verfassungsrechts. Die PDS hat gefordert, daß wir Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung 6 Monate nach dem Beitritt durchführen sollten, zu einer verfassungsgebenden Versammlung, die innerhalb von 2 Jahren eine neue Verfassung für Gesamtdeutschland ausarbeitet. Der Abgeordnete Thierse hat gesagt: Wir brauchen ein modernes Grundgesetz innerhalb einer bestimmten Frist von vielleicht 2 Jahren, möglicherweise durch einen gesamtdeutschen Verfassungsrat. Ich halte das für außerordentlich wichtig. Wir haben jetzt eine einmalige Chance zu erreichen, daß dieses neue Deutschland eine neue Verfassung e: hält, die sicherlich im wesentlichen die Verfassung des heutigen Grundgesetzes sein wird, aber doch über dieses Grundgesetz hinausgeht. In dem Entwurf vom 23. Juli war noch eine Enquete-Kommission vorgesehen. Jetzt haben wir nur noch die Formulierung: Die Regierungen der beiden vertragsschließenden Parteien empfehlen den gesetzgebenden Körperschaften des vereinigten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen. Sie werden mir zugeben: Das ist überhaupt nichts. Das ist keinerlei durchsetzbare Forderung. Das sind leere Worte, die bedeuten, daß die Verfassungsfrage mit dem Beitritt tot ist. Und ich meine, wir sollten diese Frage stellen. Es ist also nach meiner Ansicht die notwendige Arbeit durch unser Parlament, durch unsere Vertreter im Rahmen der Gestaltung des Einigungsvertrages nicht geleistet worden. Wir sind verpflichtet, danach zu fragen, daran die Arbeit zu messen. Wir können dem totalen Ausverkauf der DDR nicht zustimmen, nicht zuletzt, weil nur so ein besseres Deutschland, ein neues Deutschland entstehen kann. Das Zusammenwachsen der beiden Staaten dient nicht nur den Bürgern der DDR, sondern aucJ allen Nachbarn. Wer jetzt für den Beitritt stimmt, bevor diese'" Fragen gelöst sind, fügt dem künftigen Deutschland Schaden zu. Lassen Sie mich mit einer historischen Reminiszenz schließen. Mancher fragt sich heute, woher die schnelle Meinungsänderung unserer Regierung kommt, ob es tatsächlich so war, daß der Herr Ministerpräsident den Bundeskanzler in seiner Erholung am Wolfgangsee in Österreich überrumpelt hat. Heute hat Herr Krause sich mit Ludwig Erhard verglichen. (Protest bei CDU/DA) Das würde ihn ehren. Ich glaube nicht, daß ihn das stört. (Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Herr Abgeordneter, Ihre Zeit!) Ja, ich bin sofort fertig. Ich möchte nur auf einen historischen Vorgang um einen anderen Ludwig hinweisen. Wir hatten eine frühere Herstellung der Einheit Deutschlands, das war 1870/71. Damals schrieb der bayerische König an seinen Bruder Prinz Otto: „Ich erlebe mittlerweile recht viel Trauriges. Selbst der bayerische monarchische Bray beschwor mich , so bald als mög- 1312;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1312 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1312) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1312 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1312)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit geregelt. Operative Ausweichführungsstellen sind Einrichtungen, von denen aus die zentrale politisch-operative Führung Staatssicherheit und die politisch-operative Führung der Bezirksverwaltungen unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit getroffenen Festlegungen sind sinngemäß anzuwenden. Vorschläge zur Verleihung der Medaille für treue Dienste in der und der Ehrenurkunde sind von den Leitern der Abteilungen der Bezirksverwaltungen Verwaltun-gen und den Kreisdienststellen an die Stellvertreter Operativ der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zur Entscheidung heranzutragen. Spezifische Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Handlungen. Die Gewährleistung einer hohen Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist und bleibt ein unumstößliches Gebot unseres Handelns. Das prägte auch die heutige zentrale Dienstkonferenz, die von dem Bestreben getragen war, im Kampf gegen den Feind in erzieherisch wirksamer Form in der Öffentlichkeit zu verbreiten, eine hohe revolutionäre Wachsamkeit zu erzeugen, das Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein für die Einhaltung und Verbesserung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvoll zug. Nur dadurch war es in einigen Fallen möglich, daß sich Verhaftete vorsätzlich Treppen hinabstürzten, zufällige Sichtkontakte von Verhafteten verschiedener Verwahrräume zustande kamen. Verhaftete in den Besitz von unerlaubten Gegenständen bei den Vernehmungen, der medizinischen oder erkennungsdienstlichen Behandlung gelangten, die sie zu ouizidversuchen, Provokationen oder Ausbruchsversuchen benutzen wollten.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X