Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1147

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1147 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1147); Es ist unbedingt und unter allen Umständen zu sichern, daß die Bürger hier eine Wiederherstellung ihres Rechts einklagen können. Und dabei müssen wir ihnen helfen durch Bereitstellung des Akten- und Archivmaterials in rechtsstaatlicher Form. Möglicherweise nun bieten bei der Beurteilung der Problematik der Nutzung dieses Archivmaterials das Lebensgefühl und die politische Erfahrung von Bundesbürgern hier keinen hinreichenden Zugang, die Problemtiefe, um die es hier geht, zu begreifen und zu erfahren. Der höchst wünschenswerte Zustand, daß wir Beratung durch bundesdeutsche Juristen erfahren, und zwar auf allen Gebieten, darf nicht dazu führen, daß jetzt in hiesigen Ministerien Entscheidungen fallen, die eine Schwerpunktsetzung aus bundesdeutscher Politikerfahrung erkennen lassen. Wenn zum Beispiel das Innenministerium konkret versucht, Abgeordneten dieses Hohen Hauses ihre Arbeitsaufgaben einzuschränken oder zu lenken, entstehen Probleme. Und es kann, meine Damen und Herren, bei der Größe dieser Aufgabe, die eine historische ist, nicht angehen, daß Abgeordnete dieses Hauses zum Beispiel durch solche Reglementierungsversuche schlechter gestellt werden als Archivare einer Archivverwaltung oder Sachbearbeiter im Archiv, die sogar noch aus dem Bestand des ehemaligen MfS kommen. Das geht nicht. (Beifall) Unser Sonderausschuß lehnt deshalb einstimmig jede ministerielle Einengung unserer Handlungen ab. (Beifall) Insbesondere muß er dies mit Entschiedenheit tun, wenn, wie kürzlich geschehen, die Rechtsgrundlage für einschränkende Weisungen nicht gegeben ist. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich auch an den Ministerpräsidenten wenden. Herr Ministerpräsident, wir würdigen in Ihnen einen Mann, dem es bis jetzt gelungen ist, zu erkennen zu geben, daß ihm die Besonderheit der historischen Situation ständig bewußt ist, und wir möchten Sie bitten, dem Anliegen der Abgeordneten dieses Hauses in dem in Rede stehenden Sachproblem Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wir möchten Sie bitten, in dem entstandenen Rechtsgüterkonflikt zwischen dem Komplex des Personendatenschutzes und dem von mir dargelegten Recht des Bürgers auf volle Einhaltung seiner Freiheits- und Gleichheitsrechte bzw. Wiedergutmachung der Rechtsverluste, die ihm früher entstanden sind, Ihre Aufmerksamkeit dem letztgenannten Rechtsgüterkomplex zuzuwenden. Die historische Situation, in der die Bürger dieses Landes stehen, gebietet, daß wir für ein besonderes Problem einen besonderen Rechtsrahmen entwickeln. Und wir wären gut beraten, wenn wir die Kompetenz dieses Hauses in der von uns eingeleiteten Weise stärken und stützen würden. Wir bitten Sie an diesem Punkt um besondere Aufmerksamkeit und um die von Ihnen bisher für unsere Situation an den Tag gelegte Sensibilität. (Beifall) Ich möchte mit dieser Bitte um ein Zusammenfinden der in unserem Lande gestalteten Kräfte der Exekutive und der Legislative an diesem Punkt enden. Ich habe Ihnen einen Zwischenbericht gegeben, der viele von Ihnen nicht befriedigen wird, weil viele Sachaufgaben nicht erfüllt wurden. Aber ich denke, wir haben getan, was wir nur irgend konnten. Und ich verspreche Ihnen, daß wir für unser reichliches Geld überreichliche Arbeit gemacht haben. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie uns bald genauer befragen, was wir noch erreicht haben, und hoffe, daß wir in dem von mir genannten hier öffentlich und ohne Polemik vorgetragenen sensiblen Bereich des Austarierens der politischen Kräfte eine gemeinsame Lösung finden. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Gestatten Sie einige Anfragen? - Bitte rechts außen beginnen. Wagner (CDU/DA): Herr Abgeordneter, eine Frage: In den Landkreisen stellen ehemalige Mitarbeiter des MfS Anträge für das Gewerbe Wach- und Schließgesellschaften. Ich bitte, mal zu untersuchen, inwieweit das möglich ist, weil wir einfach vermuten, daß in diesem Bereich wieder Zusammenrottungen möglich sind. Gauck, Berichterstatter des Sonderausschusses zur Auflösung des MfS/AfNS: Ich kenne solche Anfragen aus dem Bereich der Bürger und muß Ihnen sagen, daß gerade dieses Gewerbe eventuell ja sehr geeignete Einsatzmöglichkeiten für den in Rede stehenden Personenkreis bietet. (Heiterkeit) Ich glaube, daß das ein besserer Broterwerb ist, als wenn die Leute Lehrer werden, wie ich es in meiner Heimatstadt erleben mußte. (Beifall) Ich habe Verständnis für die Anfragen, aber ich denke, daß wir differenziert arbeiten müssen. „Stasi in die Produktion“ haben wir gerufen, und sie sollen produzieren, aber sie sollen nicht leiten, und sie sollen nicht diese Gesellschaft bestimmen. (Beifall) Frau Mi chalk (CDU/DA): Herr Abgeordneter, laut Tagesordnungspunkt hatten Sie jetzt den Zwischenbericht dieses Sonderausschusses zu geben. Ich frage Sie: Ist dieser Bericht, den Sie hier vorgetragen haben, mit dem Ausschuß abgestimmt, oder ist es mehr eine polemische Vortragsweise von Ihrer Seite aus gewesen? Gauck, Berichterstatter des Sonderausschusses zur Auflösung des MfS/AfNS: Frau Abgeordnete, ich habe mich bemüht, jede Polemik zu unterlassen, und wenn ich hier Gründe hatte darzustellen, daß es mitunter zu Differenzen der Beurteilung des Innenministers und dieses Ausschusses gekommen ist, so darf ich Ihnen mit-teilen, daß diese Differenzen zwischen allen Mitgliedern des Sonderausschusses und der in Rede stehenden Behörde bestehen. Die Differenzen bestehen und die Gesprächsbereitschaft -beide bestehen in gleicher Weise. Ich denke, daß Sie, wenn Sie noch einmal nachlesen, finden werden, daß ich hier nicht polemisch gehandelt habe, insbesondere nicht, als ich den Ministerpräsidenten gebeten habe, seine von vielen Mitgliedern dieses Hauses anerkannte Sensibilität für die historische Phase, in der wir stehen, für unser Problem mit in Ansatz zu bringen. (Beifall, besonders bei PDS und Bündnis 90/ Grüne) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Bitte, stellen Sie Ihre Frage. Anfrage von CDU/DA: Herr Abgeordneter Gauck, meine Frage bezieht sich auf folgendes: Sie sprachen nicht nur von Verbrechern, aber die Verbrecher möchte ich jetzt gerne anzählen - das einklagbare Recht. Ich möchte gerne von Ihnen die Namen der Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit und dessen Nachfolgeeinrichtungen und auch die Abteilungsleiter wissen. Können Sie mir diese Namen geben? Gauck, Berichterstatter des Sonderausschusses zur Auflösung des MfS/AfNS: Diese Namen sind Ihnen leicht zugänglich zu machen, das ist möglich. Das Problem besteht darin, daß es in diesem Lande - ich habe das bei der rechtlichen Dimension vernachlässigt wegen der nichtigen Aussagen, die ich grundsätzlicher Art machen wollte - zur rechtlichen Aufarbeitung gehört, natürlich nicht nur Menschen zu helfen, ihre Rehabilitierungsansprüche geltend zu machen, sondern es muß natürlich dazugehören, daß es ein hinlängliches Maß an Verurteilungen gibt. Dazu braucht es 1147;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1147 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1147) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1147 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1147)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Leiter der Diensteinheiten sind verantwortlich dafür, daß die durch die genannten Organe und Einrichtungen zu lösenden Aufgaben konkret herausgearbeitet und mit dem Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden sowie die aufgewandte Bearbeitungszeit im Verhältnis zum erzielten gesellschaftlichen Nutzen; die Gründe für das Einstellen Operativer Vorgänge; erkannte Schwächen bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge, als auch bei der Bearbeitung und beim Abschluß des Ermittlungsverfahrens. Die Notwendigkeit der auf das Ermittlungsverfahren bezogenen engen Zusammenarbeit mit der zuständigen operativen Dienstsin-heit ergibt sich aus der Stellung und Verantwortung der Linie Untersuchung im Ministerium für Staatssicherheit sowie aus ihrer grundlegenden Aufgabenstellung im Nahmen der Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit durch Staatssicherheit und im Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen begangene Straftaten kurzfristig aufzuklären und die Verantwortlichen ohne Ansehen der Person zu ermitteln. Dazu bedarf es der weiteren Qualifizierung der Untersuchung gosell-schaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher von bis unter Jahren Eingeordnet in die Gesamtaufgaben Staatssicherheit zur vorbeugenden Vorhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischen Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougend-licher durch den Genner. Das sozialistische Strafrecht enthält umfassende Möglichkeiten zur konsequenten, wirksamen unc differenzierten vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Besatigurtß aller die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaft tjänstalten beeinträchtigenden Faktoren, Umstände undiegiinstigonden Bedingungen, Ür Gerade die TutgciijjS ,ri.daß es sich bei den Beschuldigten nicht um Feinde oder sonstige Straftäter, sondern um solche Personen handelt - wie ich sie gerade anschaulich charakterisiert habe, dann ist das jeweilige Ermittlungsverfahren einzustellen.

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