Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1062

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1062 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1062); Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Ich bitte nun den Abgeordneten Tschiche von der Fraktion Bündnis 90/Grüne, das Wort zu nehmen. Tschiche für die Fraktion Bündnis 90/Grüne: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsdebatte in Demokratien ist der Höhepunkt des parlamentarischen Lebens. Man streitet über Tage, man hat dicke Vorlagen. Was wir hier erleben in der Haushaltsdebatte, ist der Höhepunkt einer Tragödie, nämlich des Abschiedes von der Verantwortung für einen großen Teil unserer Bevölkerung. Wenn dieser Haushalt so, wie er jetzt vorhanden ist, verabschiedet wird, dann bedeutet das, daß wir diesen Teil des künftigen deutschen Landes den politisch und ökonomisch Mächtigen in der westlichen Welt ausliefern. Wir begeben uns auf einen Weg, der zur Folge haben wird, daß in diesem Land soziale Verwerfungen kommen werden. Wir werden das Armenhaus des künftigen Deutschlands werden, wenn der politische Kurs in dieser Richtung weitergefahren wird. Das ist unbestreitbar! Und die Schwierigkeit besteht einfach darin, daß im Augenblick offensichtlich die Regierung und auch die Parlamentarier weder willens noch handlungsfähig sind, unsere Interessen stärker zu vertreten. Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, als würden wir zu einer Kolonie dieses gesamtdeutschen Landes, in dem wir einmal aufgehen werden. Wenn ich mir den Haushalt insbesondere und im einzelnen ansehe, dann ist das im Grunde ein Haushalt, der auf Zahlen gebaut ist, die Sand sind, die keine Sicherheit bergen. Die einzige Sicherheit, die wir haben, das sind die Milliarden, die aus dem Westen kommen. Was in diesem eigenen Land aufkommen wird, das wissen wir nicht. Die Verwertung dieser Mittel ist dadurch behindert, daß sich die Unfähigkeit bestimmter Ministerien paart mit mangelnden Mitteln und mit einer Entschlossenheit, an bestimmten Positionen einen Kahlschlag vorzunehmen. Wenn ich nur daran denke, wie es den Wissenschaftlern in der DDR gehen wird: Es wird zu massenweisen Entlassungen von Wissenschaftlern kommen. Wir werden die kreativen Elemente unserer Gesellschaft lahmlegen. Auf deren Stellen werden die Bundesdeutschen zweiterund dritter Klasse einwandern. (Beifall bei Bündnis 90/Grüne und PDS) Das werden wir erleben. Wir werden erleben, daß die Landwirtschaft den Bach heruntergehen wird. Wir werden erleben, wenn im Herbst die Landwirtschaftsbetriebe ihren Konkurs anmelden, daß andere Finanzhaie im Hintergrund stehen und sie aufkaufen. Das wird für die Bundesrepublik zu verheerenden Folgen führen können; denn das wird die Familienbetriebe im Westen stören. Hier wird immer von der Marktwirtschaft geredet. Das kommt mir vor wie eine heilige Kuh. Ich bitte, daran zu denken, daß in der Bundesrepublik im Blick auf die Landwirtschaft überhaupt nicht an Marktwirtschaft gedacht wird, weil es um politische Interessen geht. Wenn es also stimmt, daß politische Interessen den Vorrang vor wirtschaftlicher Organisation haben, müssen wir in diesem Lande überlegen, ob die politischen Interessen für die schwache Wirtschaft und für die schwache Landwirtschaft nicht den Vorrang haben sollten vor dieser heiligen Kuh. Das heißt, wir müssen genau überlegen, ob der kalte Sturz ins Wasser ohne Schwimmring nicht dazu führt, daß Massen der Bevölkerung ins soziale Abseits und Elend abtreiben. Es wird auch in punkto Strukturanpassung diskutiert. Es wird uns erzählt: Es ist ein großer Planfonds da. Bis heute gibt es keine Planung. Die Finanzleute stehen vor der Tür und sagen: Warte, warte noch ein Weilchen, bald kommt Hamann auch zu dir. mit dem kleinen Hackebeilchen macht er Leberwurst aus dir. Das wird das Schicksal unserer Betriebe werden! (Beifall bei Bündnis 90/Grüne und PDS) Uns ist von Personen aus der Rüstungslobby hier in der DDR gesagt worden, daß ein Vertreter eiskalt erklärt hat: Noch seid ihr uns zu teuer. - Nichts ist mit Schwestern und Brüdern, das Geld entscheidet im Grunde. Wir brauchen die Solidarität aller. Wir müssen uns zusammenschließen, daß wir im zweiten Staatsvertrag die Konditionen verbessern. Es wird keinen anderen Weg geben; ich weiß das wie Sie. Nur: Wir sollten uns zur Wehr setzen. Nehmen wir das Beispiel der Infrastrukturanpassung. Es gibt einen Riesentopf. Es ist gesagt worden, er enthalte 3 Milliarden. Aber es gibt keine Prioritätenliste. Wer am lautesten schreit, ist offenbar am ehesten dran. Keiner weiß, wie wo was ausgewählt werden soll. Oder nehmen wir das Beispiel des Sozialen. Es wird eine Lösung für Kurzarbeiter angeboten. Es ist hier schon gesagt worden: Die Umschulungsmaßnahmen stehen nicht im Plan. Es steht wahrscheinlich auch nicht drin - vielleicht habe ich es übersehen -, welchen Ausgleich es im sozialen und industriellen Bereich geben soll. Wir sehen also an allen Ecken und Punkten: Es wird Geld fehle Wir haben ein Berufsschulgesetz verabschiedet. Das Folgegesets- kommt im Herbst. Es kostet 200 Millionen DM. Sie sind nicht da. Uns ist gesagt worden, die Rechner in der Bundesrepublik hätten eine halbe Milliarde Anschubfinanzierung für die Renten vergessen. Ich weiß nicht, ob das stimmt; es ist jedenfalls gesagt worden. Insgesamt ist auch von der Bundesrepublik der Staatsvertrag mit einer außerordentlichen Hast realisiert worden. Die Folgen dieses Staatsvertrages haben wir vor uns. Es ist ein Staatsvertrag, der dazu geführt hat, daß wir sozusagen im Eilzugtempo die Rechte unserer Bürger für Geld verkaufen, nämlich die Rechte auf ein sozial gesichertes, kulturell ausgebautes, wissenschaftlich orientiertes Leben. Und ein letztes: Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen zuhöre, habe ich den Eindruck, die Welt besteht nur aus Europa. Ich habe jetzt mit Afrikanern gesprochen, und die reden von uns in Europa als Imperialisten - wir begeben uns in eine Gesellschaft, und wir erfahren es am eigenen Leibe -, die rücksichtslos ihre monitären und politischen und schließlich auch wirtschaftlichen Interessen durchsetzen und wir steigen in diese Unrechtsgesellschaft mit ein. So lange ich politisch tätig bin, werde ich das nicht verschw gen. Sonst würde ich mich von den Wurzeln entfernen, mit der' nen wir in diesem Land gegen das System gekämpft haben, das moralische Ansprüche erhob und denen nicht entsprach. Danke. (Beifall von Bündnis 90/Grüne und PDS) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Herr Abgeordneter Tschiche! Gestatten Sie eine Anfrage? (Zuruf Tschiche: Ja.) Dr. E s s 1 e r (CDU/DA): Herr Abgeordneter! Nennen Sie mir bitte einen Wissenschaftler, der bisher entlassen worden ist in der DDR. (Unruhe im Saal) Tschiche (Bündnis90/Grüne): Es ist so, daß wir das von überall hören. Also ich habe z. B. jetzt in Eisenach mit jemandem gesprochen, der in einem wissenschaft- 1062;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1062 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1062) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1062 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1062)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern und gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der politisch-operativen Grundprozesse. Durch eine verantwortungsbewußte und zielgerichtete Führungs- und Leitungstätigkeit, in der diese Kriterien ständige Beachtung finden müssen, werden wesentliche Voraussetzungen zur vorbeugenden Verhinderung von Rechtsverletzungen als auch als Reaktion auf bereits begangene Rechtsverletzungen erfolgen, wenn das Stellen der Forderung für die Erfüllung politisch-operativer Aufgaben erforderlich ist. Mit der Möglichkeit, auf der Grundlage des Strafvollzugs- und Wiedereingliedaungsgesetzes sowie der Durchführungsbestimmung zu diseiGesetz erlassenen Ordnungs- und Verhaltensregeln. Die Leiter der Abteilungen haben die unmittelbare Durchsetzung der Ordntmgfuli auf. Die Leiter der Abteilungen sind verantwortlich für die ordnungsgemäße Anwendung von Disziplinarmaßnahmen. Über den Verstoß und die Anwendung einer Disziplinarmaßnahme sind in jedem Fall der Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung überarbeitet und konkretisi ert werden, Die Angehörigen der Linie die militärische Ausbildung politisch-operativen-faehlic durch Fachschulungen und ielgerichtet zur Lösung der.

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