Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 100

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 100 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 100); Der Herr Abgeordnete Nitsch von der CDU/DA-Fraktion hat eine sehr wichtige Aufgabe angesprochen, die den Schwerpunkt unserer Verkehrspolitik berührt. Es geht darum, schnell die beiden Verkehrsnetze wieder zu einer Einheit zu verknüpfen. Das erfordert nicht nur die Lückenschließung beiderseits der Grenzen, sondern auch eine Berücksichtigung der Einbindung des Verkehrsterritoriums in seiner Gesamtheit in eine europäische Infrastruktur. Das betrifft sowohl die Eisenbahn, den Straßenverkehr, die Luftfahrt, die See- und Binnenschiffahrt. Dazu wird gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr bereits eine sehr intensive Arbeit geleistet. Zur Lösung der Aufgaben bei der schnellen Verknüpfung des Schienen- und Straßennetzes wurde bereits im Januar eine gemeinsame Verkehrswegekommission gebildet, deren Ziel im Zusammenhang mit der Bildung einer Verkehrsunion zwischen beiden deutschen Staaten ein gemeinsamer Verkehrswegeplan für die Zukunft - über das Jahr 2000 hinaus - ist. Erste Ergebnisse werden bereits sichtbar in Sofortabsprachen, die in der Verkehrswegekommission getroffen wurden. Zum Fahrplanwechsel am 27. Mai wird beispielsweise der neue Eisenbahngrenzübergang Arenshausen - Eichenberg an der Strecke Halle - Kassel in Betrieb genommen, über den 5 Schnellzugpaare täglich verkehren werden. Die nächsten Aufgaben sind der Ausbau und die Elektrifizierung wichtiger Strecken zur Bundesrepublik: Wartha - Geltungen, Helmstedt - Magdeburg, Berlin - Hamburg, Camburg -Probstzella. Auch im Straßenwesen werden umfangreiche Mittel zum Ausbau der Zufahrtsstraßen zu Grenzübergangsstellen und von Straßen im grenznahen Raum eingesetzt. Im Großraum Berlin geht es um die Verknüpfung der Verkehrssysteme insbesondere der S- und der U-Bahn. Für diese Aufgaben werden umfangreiche Mittel eingesetzt. Und die Bundesregierung leistet dabei bereits eine große Unterstützung. Dem Verkehrswesen stehen für dieses Jahr für diese Aufgaben zur Verfügung: aus den mit Mitteln des Reisedevisenfonds gebildeten Projektfonds ca. 1,2 Mrd. M, von der Transitpauschale werden ca. 160 Mio DM eingesetzt, und aus dem zu erwartenden Nachtragshaushalt der Bundesregierung für 1990 erwarten wir Mittel in Höhe von weiteren 140 Mio DM. Dafür gebührt der Bundesregierung unser Dank. Die bisher gemeinsam geleistete Arbeit findet auch ihren Ausdruck in der Verbesserung des Reiseservices für die Menschen. Ab dem 27. Mai wird zwischen beiden deutschen Staaten erstmals der Intercity- und Interregioverkehr eingerichtet - ein Intercityzugpaar Leipzig - Frankfurt/Main und fünf Interregioverbindungen (dreimal täglich Berlin - Köln, einmal Leipzig - Nürnberg und einmal Leipzig - München). Einen guten Stand der Vorbereitungen haben auch die Maßnahmen für eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und Hannover. Mit dieser Strecke wird ein erster Schritt zur Einbindung Osteuropas in ein gesamteuropäisches Hochgeschwindigkeitsnetz getan werden. Ich meine, damit die Hauptaufgaben meines Bereiches für die nächste Zeit Umrissen zu haben. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön, Herr Minister Gibtner. Als nächster spricht der Minister für Innere Angelegenheiten, Dr. Diestel. Dr. Diestel, Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für Innere Angelegenheiten: Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! Ich möchte in meiner neuen Funktion auf die Punkte zur Innenpolitik und die entsprechenden Anfragen zu sprechen kommen. Ein Schwerpunkt, den der Abgeordnete Thierse von der SPD richtigerweise angesprochen hat, ist die Bewältigung des Problems der Vergangenheit des Ministeriums für Staatssicherheit. Erlauben Sie mir, hierzu einige Darstellungen zu machen. Zunächst möchte ich feststellen, daß die Regierung de Maiziere in der schnellen und endgültigen Auflösung des MfS und der entsprechenden Nachfolgeorganisation eine Aufgabe von vorrangiger Bedeutung sieht. Dieser Aufgabe werde ich mich in den ersten Monaten meiner Amtszeit mit meinen Möglichkeiten stellen. Der Minister für Innere Angelegenheiten ist beauftragt, dazu eine spezielle Kommission zu bilden, die in Übereinstimmung mit dem parlamentarischen Ausschuß der Volkskammer eine entsprechende Strategie festlegen wird. Ich verwahre mich gegen die in der Presse und in der Öffentlichkeit praktizierten Vermutungen, daß ich die Strukturen des ehemaligen MfS nutzen werde, um einen neuen Geheimdienst aufzubauen. Hier gibt es keinen Handlungsbedarf, von der moralischen Situation dieser Vorwürfe gar nicht zu sprechen. Ich möchte an dieser Stelle die hervorragende Arbeit der Bürgerkomitees und der Basisgruppen würdigen, die hier eine historische Leistung in den vergangenen Monaten erfüllt haben. (Beifall) Diese Aufgaben haben ein hohes Maß an Gewährleistung der jetzigen Demokratie mit herbeigeführt, und ich danke Herrn Ministerpräsidenten de Maiziere dafür, daß er in seiner Regierungserklärung an hervorragender Stelle dieses historische Ergebnis auch gewürdigt hat. Ich stelle mir in der Zusammenarbeit mit den Bürgerkomitees - erste Absprachen hierzu sind getroffen - vor, daß der von mir geleitete Bereich in den Fragen der Bewältigung dieses geschichtlichen Problems mit den Bürgerkomitees zusammenarbeitet, um die Erfahrungen dieser Demokraten zu nutzen. Es gab mit den Koordinatoren der Bürgerkomitees Absprachen, die darauf hinauslaufen, daß wir in den künftigen Monaten eine Zusammenarbeit finden werden, die sowohl eine Sicherheit beim Umgang der Akten durch das von mir geleitete Ministerium als auch das Einbringen von Erfahrungen de’ Bürgerkomitees gewährleisten. Zur Aufdeckung und Zerschlagung der Strukturen des MfS ist durch die Bürgerkomitees eine umfangreiche, tiefgründige Arbeit geleistet worden, und ich kann sagen, daß wir jetzt in einer Situation sind, die eine konstruktive Bewältigung dieses Problems möglich macht. Ich persönlich sehe meine Aufgabe hier darin, daß wir durch eine kurzfristige Lösung Und Herr Abgeordneter Thierse, ich möchte Ihnen versichern, daß die Vernichtung dieser Akten mir inhaltlich sehr nahe steht, aber es ist völlig klar, daß eine Vernichtung dieser Akten nicht möglich sein wird, weil wir aus den verschiedensten Überlegungen heraus auf dieses verbrecherisch gesammelte Gedankengut zurückgreifen müssen. Diese Dinge, die wir bei der Bewältigung berücksichtigen müssen, sind unter anderem die berechtigten Rehabilitierungsersuchen von Menschen, die durch dieses System gelitten haben. Das wird auch der Schwerpunkt und die Hauptrichtung meiner Tätigkeit sein. Eine weitere Frage ist die historische Bewältigung dieses Problems. Hier werden mit Sicherheit auch die Verantwortlichen in den Archiven, die Historiker, ein Wort mitzusprechen haben. Es kann aber nicht sein, und es wird durch mich in keiner Weise unterstützt, daß diese Akten bundesdeutschen Organen zur Verfügung gestellt werden. Vermutungen in dieser Richtung möchte ich ganz entschieden von mir weisen. Ich halte dieses Proble für ein Problem unserer Vergangenheit, und wir werden es, wie" es in demokratischen Systemen üblich ist, als ein Problem der DDR belassen. Das heißt, wir werden es allein bewältigen, und ich werde mich hier dem Auftrag des Parlaments in jeder Weise konsequent zur Verfügung stellen. (Beifall) Erlauben Sie mir, die gesellschaftliche Problematik zu diesem Stand der Arbeit darzustellen. Mit dem Ministerratsbeschluß vom 8.2.1990 änderte sich die Situation in der Form, daß mit dem Komitee zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit die weitere Auflösung zunehmend professionalisiert wurde. Es wurde ein Aktenmaterial, ein Schriftgut festgestellt, das ca. 10 000 laufende Meter umfaßt. Man kann sagen, daß die Vermutung, daß die Staatssicherheit in ihrem eigenen Informationsmaterial erstickt ist, nicht ganz abwegig ist. Das ehemalige MfS hat keine eigentlichen Archive geführt, sondern viel mehr zusätzlich riesenhafte Personenregistraturen hinterlassen. So sind in der Zentrale ca. 6 000 000 Personendossiers gespeichert, darunter unter anderem 2 000 000 Informationen über Bundesbürger. Sie können an Hand dieser Zahlen erkennen, daß kaum eine Familie in unserem Lande von dieser Geschichte nicht berührt ist. Ich persönlich habe den Eindruck, daß wir an Informationsmaterial das an Hinterlassenschaft erhalten haben, was wir erhalten sollten, und daß die Dinge, die uns eventuell zu den Hauptschuldigen, zu den juristischen Konsequen- 100;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 100 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 100) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 100 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 100)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Leiter der Hauptabteilung wird von mir persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß die gründliche Einarbeitung der neu eingesetzten leitenden und mittleren leitenden Kader in kürzester Frist und in der erforderlichen Qualität erfolgt, sowie dafür, daß die gewissenhafte Auswahl und kontinuierliche Förderung weiterer geeigneter Kader für die Besetzung von Funktionen auf der Ebene der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter in den Untersuchungshaftanstslten, besonders in denen es konzentrier zu Beschwerden, die vermeidbar waren, kommt, zu leisten. Schwerpunkte der Beschwerdetätigkeit der Ständigen Vertretung der bezüglich der Verhafteten sind vor allem die Gewährleistung der postalischen Korrespondenz zwischen Verhafteten und der Ständigen Vertretung der Besuchsdurchführung zwischen der Ständigen Vertretung der selbst oder über das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen von Feindeinrichtungen in der genutzt werden können. Die von Verhafteten gegenüber den Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der selbst oder über das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen von Feindeinrichtungen in der genutzt werden können. Die von Verhafteten gegenüber den Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der auf Umstände der Festnahme, der Straftat, der Motive, auf Schuldbekenntnisse sowie der Verneh-mungststigkeit des Untersuchungsorgans Staatssicherheit konnte aufgrund energischer Rückweisungen während der Besuche sowie ent-sprechenderrdiplomatischer Maßnahmen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten zu prüfen, die in den konkreten Fällen nach Eeschwerdeführungen der Ständigen Vertretung der erfolgten. Neben den Konsulargesprächen mit Strafgefangenen während des Strafvollzuges nutzt die Ständige Vertretung der an die Erlangung aktueller Informationen über den Un-tersuchungshaftvollzug Staatssicherheit interessiert. Sie unterzieht die Verhafteten der bzw, Westberlins einer zielstrebigen Befragung nach Details ihrer Verwahrung und Betreuung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Seite. Zur Bedeutung der Rechtsstellung inhaftierter Ausländer aus dem nichtsozialistischen Ausland und zu einigen Problemen und Besonderheiten bei der Absicherung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , zur Verhinderung von Entweichungsversuchen, Selbsttötungsabsichten sowie von Angriffen auf Leben und Gesundheit unserer Mitarbeiter während des politisch-operativen Untersuchungshaftvollzuges durchgeführt.

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