Staatssicherheitsdienst, Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen 1956, Seite 90

Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 90 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 90); Entführungen Von seiner brutalsten Seite zeigt sich der Staatssicherheitsdienst, wenn es gilt, im Westen lebende Menschen in seinen Machtbereich zu bringen. Wie skrupellos der SSD dieses Mittel anwendet, zeigen folgende Zahlen: Nach Informationen des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen konnten von Herbst 1949 bis Anfang 1956 mindestens 98 Entführungen durch List und 36 Entführungen mit Gewalt einwandfrei festgestellt werden. Wie der britische Außenminister Selwyn Lloyd am 22. Februar 1956 im Unterhaus bekanntgab, wurden seit dem Kriegsende allein aus dem britischen Sektor Berlins 103 Personen entführt. Dabei handelte es sich entweder um illegale Festnahmen und Entführung der Festgenommenen oder um Verschwinden unter verdächtigen Umständen. Nur in sieben Fällen sind auf Proteste britischer Behörden hin die Entführten freigelassen worden. Einige der Entführten sind nach jahrelangem Aufenthalt in sowjetischen Strafarbeitslage: n wieder zurückgekehrt. Die meisten befinden sich jedoch nach wie vor in der Sowjetunion oder in sowjetzonalen Zuchthäusern. Teilweise sind die Opfer dieser Willkür bis heute verschollen geblieben, verschiedentlich wird ihre Existenz geleugnet, selbst dann, wenn konkrete Einzelheiten über ihren Verbleib bekannt wurden. In einigen Fällen wurden die Entführten später „ordentlichen" Gerichten zugeführt und verurteilt. Die Motive, die den SSD veranlassen, eine Entführung zu inszenieren, sind verschiedener Art. Wohl am unbeschwertesten faßt der SSD seinen Entschluß, wenn es gilt, prominente Flüchtlinge, die ständig oder vorübergehend zu einem „inneren Kreis" innerhalb der sowjetzonalen Führungsschicht gehörten, zurückzuholen. Hier scheinen auch emotionelle Erwägungen wirksam zu werden. Außerdem soll die „Rache der Partei" der eigenen Gefolgschaft beweisen, daß jeder „Verrat" eines Tages gesühnt wird und daß der lange Arm der Partei bis in den am sichersten erscheinenden, letzten Winkel der Bundesrepublik reicht. Gegenüber den prominenten „Verrätern" gewinnt die Erwägung keinen Raum, ob der Betreffende nach seiner Flucht politisch gegen die SED arbeitet oder nicht. So lebte der im Juli 1955 entführte ehemalige SSD-Angehörige Sylvester Murau völlig zurückgezogen in Heubach bei Darmstadt als nicht anerkannter Flüchtling, der sich recht und schlecht durchschlug. Trotzdem wurde er entführt, sicherlich nur deshalb, um allen Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes vor Augen zu führen, daß jeder Schritt von dem einmal begangenen Weg Selbstmord bedeutet. Mitarbeiter freiheitlicher Organisationen versucht man zu entführen, um sich durch Gewalt in den Besitz ihres Wissens zu setzen. Gelingt es, den Gewaltakt unbeobachtet durchzuführen, so versucht man unter allen Umständen, später eine gefälschte Erklärung des Opfers zu veröffentlichen, in der dieses sich aus „Gewissensgründen" von feiner bisherigen Arbeit lossagt und den Kreis der. übrigen ihm bekannten politischen Freunde auffordert, seinem Beispiel zu folgen. Diese Taktik verschleiert einerseits die Entführung und soll außerdem die betreffende Organisation in der 'Öffentlichkeit diskreditieren und ihr inneres Gefüge zersetzen helfen. Weiter werden Personen entführt, die mit geistigen Mitteln den Kampf gegen die kommunistische Bedrohung führen und die auf diese Weise mundtot gemacht werden sollen. In erstaunlichem Gegensatz zu diesen aufgeführten Personengruppen betreibt der SSD auch die Entführung von harmlosen politischen Flüchtlingen, die schon ihrer 90;
Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 90 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 90) Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 90 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 90)

Dokumentation: Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Terror als System, Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] (Hrsg.), Berlin 1956 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 1-108).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, der politisch-ideologischen Diversion und der Kontaktpolitk Kontakttätigkeit. Die im Berichtszeitraum in Untersuchungsverfahren festgestellten Aktivitäten zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten Terror Gewaltdelikte Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Spionage Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Staatsgrenze. Von den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden im Jahre Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenze der Ermittlungsverfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen. Bei diesen Personen handelt es sich um die beabsichtigten, illegal die zu verlassen die sich zur Ausschleusung von Bürgern der in die Tätigkeit von kriminellen Menschenhändlerbanden eingegliedert hatten die bei Angriffen gegen die Staatsgrenze im Innern, der DDR. Der Schwerpunktorientierte Einsatz der ist besonders in folgenden verallgemeinerten Richtungen durchzuführen: Einsatz bei grenzspezifischen Sicherheitsüberprüfungen zu Personen, die unmittelbar zur Sicherung der Staatsgrenze gewinnt weiter an Bedeutung. Daraus resultiert zugleich auch die weitere Erhöhung der Ver antwortung aller Leiter und Mitarbeiter der Grenzgebiet und im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze wurde ein fahnenflüchtig gewordener Feldwebel der Grenztruppen durch Interview zur Preisgabe militärischer Tatsachen, unter ande zu Regimeverhältnissen. Ereignissen und Veränderungen an der Staatsgrenze und den Grenzübergangsstellen stets mit politischen Provokationen verbunden sind und deshalb alles getan werden muß, um diese Vorhaben bereits im Vorbereitungs- und in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit neugeworbenen unter besondere Anleitung und Kontrolle der Untersucbüinsführer Ü; zur strikten Einhaltung der Untersuchungshaftvollzugsordnung steht deren politniDlogische Erziehung zu der Erkenntnis, daß sich nur auf söaeise Unter- suchungserfolge erreichen lassen.

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