Staatssicherheitsdienst, Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen 1956, Seite 76

Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 76 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 76); Bevor die Akten durch den SSD über die Staatsanwaltschaft an das Qericht zur Durchführung der Hauptverhandlung abgegeben wurden, mußten sie darauf überprüft werden, welche Aktenbestandteile nicht an die Justiz übergeben werden durften. Diese Tätigkeit war eine der Hauptaufgaben der VntersuChungsabteilung. Es mußten alle Protokolle aus den Akten entfernt werden, aus denen sich irgendwie ein schlechtes Bild von dem SSD ergeben hätte. Es wurden weisungsgemäß auch alle Protokolle über Vernehmungen des Beschuldigten entfernt, in denen dieser seine Schuld an der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen bestritten hatte. Hur die Protokolle, in denen der Beschuldigte geständig war, gingen über den Leiter der VntersuChungsabteilung an den Staatsanwalt und damit an das Qericht. !Man wollte damit den Eindruck erwecken, als seien die Beschuldigten von vornherein geständig gewesen, man wollte auch dem Einwand begegnen, daß der Beschuldigte zunächst bestritten hätte, dann aber unter Drohungen oder Versprechungen oder unter den Auswirkungen stundenlanger Vernehmungen das Qeständnis abgelegt hätte. Die IMethode, einen Beschuldigten durch besonders lange Vernehmungen zu einem Qeständnis zu veranlassen, war auch in Schwerin üblich. Auch ich selbst habe derartige Vernehmungen durch geführt, zumal eine direkte Anweisung bestand, daß jeder Beschuldigte mindestens 60 Stunden vernommen werden mußte. Wir „VntersuhungsriChter' lösten uns bei diesen Dauervernehmungen mit Einverständnis des Abteilungsleiters ab. Aus Vnterredungen ist mir der lall einer Trau bekannt geworden, die länger als eine Woche Tag und Nacht ununterbrochen vernommen worden ist. Meine Kollegen hoben wiederholt die Zähigkeit dieser Trau hervor. Sie war während der Vernehmung ohnmächtig geworden, wurde wieder zu sich gebracht und die Vernehmung ging weiter. JCh selbst war an dieser Vernehmung nicht beteiligt. Die Vernehmungen wurden zum Teil, trotz der langen Dauer so durchgeführt, daß der Häftling stehen mußte. JCh selbst habe Stehvernehmungen von kürzerer Dauer allerdings nur dann durchgeführt,. wenn mein Abteilungsleiter erschien. Sämtliche Vernehmungen wurden nur nachts durchgeführt. Die Sowjets und die maßgeblichen SSD-Vorgesetzten waren der Ansicht, daß die Häftlinge nachts ,am aufgeschlossensten' seien, d. h. also, daß sie am wenigsten widerstandsfähig seien. Es wurde völlig einseitig von allen in Trage kommenden Instanzen und Vorgesetzten Wert darauf gelegt, den Beschuldigten irgendwie zu überführen und so viel belastendes Material zu ermitteln, wie irgend möglich. Entlastende Tatsachen oder Vmstände zugunsten des Beschuldigten durften nicht ermittelt werden. Wenn es doch vorkam, daß ein Sachbearbeiter derartig entlastende Tatsachen in seinem Abschlußbericht anführte, so geschah dies ausschließlich zur eigenen Rechtfertigung und Deckung des Sachbearbeiters. Dieser kam dann eben in einem ihm zur Ermittlung übertragenen Tall nicht weiter und mußte nun, um nicht selbst von seiten des Abteilungsleiters oder der Sowjets “Nachteile zu erleiden, auch den Beschuldigten entlastende Vmstände anführen. Dies geschah also niemals im Interesse einer echten Wahrheitsermittlung oder im Jnteresse des Beschuldigten, sondern deswegen, um nicht plötzlich als Agent zu gelten . Wenn ein Verfahren durch Vrteil der politischen Strafkammer beendet war, mußten die Akten an den SSD zurückgegeben werden. Hier werden sie von der Abteilung XII Erfassung und Statistik aufbewahrt. Diese Regelung erfolgte zu einem doppelten Zweck, einmal übt auf diese Weise der SSD eine Kontrolle über die Rechtsprechung der Richter aus, zum zweiten will man vermeiden, daß unsichere Justizangestellte Einblick in die vom SSD angelegten und geführten Ermittlungsakten bekommen. Die Aussagen beruhen auf meinen Teststellungen während meiner hauptamtlichen Zugehörigkeit zum SSD bis zum 27. 10. 52. An diesem Tage schied ich aus dem SSD aus. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben gez. Vnterschrift;
Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 76 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 76) Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] 1956, Seite 76 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 76)

Dokumentation: Staatssicherheitsdienst (SSD) [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], Terror als System, Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UfJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)] (Hrsg.), Berlin 1956 (SSD DDR UfJ BRD 1956, S. 1-108).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von politischer Untergrundtätigkeit zu beachtender Straftaten und Erscheinungen Terrorhandlungen Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen :die Staatsgrenze. Yon den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden im Jahre gegen insgesamt Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenzen der Ermittlungsverfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen. Bei diesen Personen handelt es sich um die beabsichtigten, ungesetzlich die. zu verlassen die bei Angriffen gegen die Staatsgrenze Beihilfe oder anderweitige Unterstützung gewährten Agenten krimineller Menschenhändlerbande! Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, denen keine Verbindung zu kriminellen Menschenhändlerbanden und anderen feindlichen- Organisationen nachgewiesen wurde dieser Beschuldigten erhielten seitens diplomatischer Einrichtungen kapitalistischer Staaten in der und anderen imperialistischer! Staaten sowie zur Entlarvung der Begünstigung von Naziund Kriegsverbrechern, Neonazis und Revanchisten in der und in Westberlin; die Unterstützung operativer Diensteinheiten Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit ihnen durch die Linie Untersuchung unter den Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ein erhöhtes qualitatives Niveau erfordert.

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